Öffentlicher Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Israel Jacob Yuval, Gastprofessor am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF) im Herbstsemester 2025.
In seiner Vorlesung verfolgt Professor Yuval zwei Ziele, die für das Verständnis der beiden Religionen von großer Bedeutung sind: Erstens betrachtet er das frühe Christentum und das rabbinische Judentum als Schwesterreligionen, die sich parallel zueinander entwickelt haben und sich dabei ständig gegenseitig beeinflusst und bereichert haben. Diese Sichtweise ersetzt das gängige Bild, das Judentum als «Mutterreligion» und das Christentum als «Tochterreligion» darzustellen.
Zweitens beleuchtet er die interessante Dynamik während der Spätantike, als das Christentum von einer verfolgten Minderheit zur Staatsreligion aufstieg, während das Judentum gleichzeitig einen Prozess der Marginalisierung erlebte. Trotz dieser Herausforderungen nahm das rabbini- sche Judentum christliche Ideen auf und integrierte sie in seine eigenen Konzepte, allerdings oft im Verborgenen und ohne eine offene Debatte mit dem Christentum zu suchen. Einige Wissen- schaftler:innen sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Trennung der Wege“. Professor Yuval ist der Überzeugung, dass das Judentum nie aufgehört hat, in einem verdeckten Wett- streit mit dem Christentum zu stehen – ein Wettstreit, der sowohl Elemente der Ablehnung als auch der Aneignung umfasste.