La fabrique du scientifique moral. Le discours médico-éthique sur la recherche médicale en Suisse entre 1969 et 2014

AutorIn Name
Izel
Demirbas
Art der Arbeit
Dissertation
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Hubert
Steinke
Institution
Institut für Medizingeschichte
Ort
Bern
Jahr
2023/2024
Abstract

Diese Dissertation befasst sich mit der Geschichte der Ethik der (bio-)medizinischen Forschung in der Schweiz zwischen 1969 und 2014. Sie stützt sich hauptsächlich auf die Archive der 1943 in Basel gegründeten Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) sowie auf deren Austausch mit politischen Akteur:innen. Die Arbeit zeichnet die Geschichte der Problematisierung der Ethik und des Aufbaus des medizinisch-ethischen Diskurses im Zuge der gesellschaftlichen Kontroversen um bestimmte Praktiken nach. Um die Schweizer Geschichte der Fabrikation von Ethik in der medizinischen Forschung zu untersuchen, fragt die Arbeit nach den Akteuren, die sie gestaltet haben, und verfolgte dabei drei Forschungsschwerpunkte.

 

Der Erste fragt nach der Natur des medizinisch-ethischen Wissens: Beruht es auf einer rein medizinischen und wissenschaftlichen Rhetorik oder integriert es - und nach welchen Kriterien - Elemente des Denkens ausserhalb der medizinischen Disziplin? Der zweite Schwerpunkt untersucht die Institutionen und Akteure, die an den Entscheidungen darüber beteiligt waren, was im Hinblick auf experimentelle Praktiken richtig oder ethisch und was ungerechtfertigt sei. Der dritte Schwerpunkt schliesslich fragt nach externen Einflüssen: Inwieweit haben medizinische Skandale einen Einfluss auf die Entwicklung ethischer Regeln? Folgen die Debatten dem Verlauf der technologischen und medizinischen Entwicklungen, die nach und nach neue moralische Dilemmata aufwerfen würden?

 

Die Hauptthese der Doktorarbeit war, dass der Diskurs über Forschungsethik in medizinischen Kreisen stattfand, die gegenüber gesellschaftlichen Kontroversen abgeschottet waren. Dieser Diskurs wurde anhand wissenschaftlicher Bezugspunkte und einer wissenschaftlichen Sprache im Sinne des Denkens der Historikern Steven Shapin und Simon Schaffer dekliniert; es trug dazu bei, eine Entität des ,Laienʻ zu formen, dessen medizinisch-ethisches Wissen als nicht-authentisch galt. Eine Alterisierung der beruflichen und gesellschaftlichen Kategorien, die als die ,Anderenʻ der Medizin und der Wissenschaft betrachtet wurden. Die vorliegende Arbeit stützt die These, dass Erfahrungswissen, wie von der Historikerin Joan Scott vorgeschlagen, erst seit Ende der 2000er-Jahre im medizinisch-ethischen Diskurs berücksichtigt wurde. Dies wurde durch eine Dezentrierung des ethischen Subjekts möglich, die auf den zunehmenden Einfluss der Pflegeethik auf die Forschungsethik zurückzuführen ist.

 

In diesem Rahmen wurden drei historische Perioden identifiziert: Die erste Phase ab 1969, d. h. ab der ersten Arbeitsgruppe, die sich mit der Erstellung von Forschungsrichtlinien befasste, dauerte bis 1979. Es handelt sich um eine Zeit, in der intern die damals identifizierten „Problemen“ der medizinischen Forschung behandelt wurden, nach dem Vorbild dessen, was von Historikern als Club-Regulierung beschrieben wurde. Insbesondere, wie die Historikerin Noortje Jacobs vorgeschlagen hatte, geschah dies im Sinne eines selbsterklärten epistemischen Ideals. In den Sitzungen, in denen 1969 die ersten Richtlinien verfasst wurden, wird zum Beispiel eines Verstosses der Einwilligungserklärung durch die Forscher gesprochen, die damit begründet wird, dass der ,Laieʻ manchmal nicht verstehen könne, worum es bei der Forschung gehe. Der Verstoss wird durch das, was als „seit langem etablierte Praxis“ beschrieben wird, sowie durch Interessen im Zusammenhang mit dem medizinischen Fortschritt gerechtfertigt. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Art und Weise, wie die Richtlinien formuliert werden, besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, und zwar um die „Psychologie“ der ,Laienʻ nicht zu verletzen. Es wird auf der Ebene der verwendeten bzw. verwendbaren Sprache zwischen Wissenschaftlern und ,Laienʻ unterschieden.

 

Die zweite identifizierte Phase ist gekennzeichnet durch das, was die Anthropologin Marilyn Strathern als „Audit-Kultur“ bezeichnete hat: eine Selbstverantwortung der Forscher angesichts externer Kontroversen. Anfang der 1980er-Jahre wurde die Forschung an Tieren und Embryonen von Skandalen um einen Fall von Wissenschaftsbetrug und Vorwürfen grausamer Forschungspraktiken schwer getroffen. Für die Mitglieder der SAMW, muss die Forschung nun Sinn ergeben und moralisch gerechtfertigt sein, indem sie über rein wissenschaftliche Interessen hinausgeht. Die Wissenschaftlichkeit wurde dabei stark betont und eng mit der aufkommenden Prüfungskultur verknüpft. Was moralisch war, galt als gleichbedeutend mit wissenschaftlicher Qualität. Ethik wurde zu einem Qualitätsmerkmal, jedoch nur, solange sie praktikabel blieb und nicht das Risiko eines „Exodus der Forschung ins Ausland“ heraufbeschwor.

 

Ab der Regelung der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel im Jahr 1993 und den verschiedenen Volksinitiativen, die sich in den 1990er-Jahren direkt auf die Forschung auswirkten, nahmen Vertreter der Rechtswissenschaften und der Pflege nach und nach Einsitz in die Kommissionen der SAMW. Dies ist die dritte identifizierte Phase. Die Relevanz und der potenzielle Nutzen der Forschung für die Therapie begannen nun mobilisiert zu werden, um bestimmte Praktiken zu rechtfertigen. Die „therapeutische Wende“ in einem Diskurs, der den Fokus auf die klinischen Anwendungen der Forschung legt, wird insbesondere genutzt, um die Forschung an menschlichen Stammzellen zu legitimieren. Dabei handelt es sich um einen zukunftsgerichteten Diskurs, der gezielt eingesetzt wird, um bestimmte Verbote aufzuheben. Der praktische Leitfaden von 2009 sowie die Arbeit der Subkommission für Therapiestandards, ein gemeinsames Projekt der Akademie und der Schweizerischen Patientenorganisation, illustrieren den Übergang zu einer neuen Form der Medizinethik. Im Kontext dessen, was in der Literatur als „Konstruktion der Partizipation“ beschrieben wird, bemühen sich die Mitglieder der Akademie, ein Modell partizipativer Forschung zu entwickeln, bei dem das Subjekt zunehmend als „Teilnehmer“ definiert wird.

 

Die Archive zeugen jedoch von einem gewissen Widerstand der medizinischen Kreise gegen die verschiedenen Eingriffe in das medizinische ethos. Es zeigt sich, dass die Debatten immer von wissenschaftlichen Bedenken geleitet wurden. Selbst wenn einige Berufe, die der medizinischen Disziplin nahe stehen, in die Kommissionen integriert wurden, war dies bei den Betroffenen, d. h. Patienten und Forschungssubjekte, nicht der Fall. In einigen Debatten – insbesondere über Therapiestandards – sollte die Akademie 2011 versuchen, einen bestimmten medizinisch-ethischen Jargon angesichts der Gefahr einer rechtlichen Überregulierung der therapeutischen Freiheit des Arztes durchzusetzen.

 

Abschliessend lässt sich anhand dieser Arbeit feststellen, dass eine Ethik, die nach einem deontologischen Modell konzipiert ist, trotz der Einführung eines rechtlichen Rahmens für bestimmte Fragen fortbesteht. Es zeigt sich, dass die Ethik in einer Sprache formuliert wurde, die sich auf ein Wertesystem bezieht, das einem hegemonialen medizinischen Ethos unterliegt. Die Wahrnehmung der Betroffenen wurde dabei systematisch ausgeschlossen, da ihr Wissen als nicht-expertenbasiert und somit nicht-authentisch betrachtet wurde. Infolgedessen sind die ethischen und bürokratischen Instrumente, die eingeführt wurden, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewährleisten – Instrumente, die einige Soziologen als Mikromanagement beschrieben haben – nicht in Werte und Wahrnehmungen von 'Laien' übersetzbar. Drittens kann diese Arbeit eine Kontinuität in der Verbindung zwischen Forschungsethik und wirtschaftlichen Interessen nachweisen, was auf einen kollektiven und vielschichtigen Aspekt der Herstellung medizinischer Ethik hindeutet, die sich letztlich rein wissenschaftlichen Herausforderungen entzieht.

 

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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