CfP: Erzwungen und eingeschränkt: Mobilität im Exil / Forced and Limited: Mobility in Exile

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1. März 2024
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Tagung „Erzwungen und eingeschränkt. Mobilität im Exil“ / „Forced and limited: Mobility in Exile“ (Neuchâtel & Bern, September 2024)

Jahrestagung der Gesellschaft für Exilforschung e.V. in Neuchâtel und Bern vom 6. bis 7. September 2024 in Kooperation mit dem Schweizerischen Literaturarchiv (SLA), dem nccr on the move, dem Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM) und dem Chaire d’histoire contemporaine der Universität Neuchâtel

In der Migrationsgeschichte ist schon seit längerem darauf aufmerksam gemacht worden, dass Migration und Mobilität nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel menschlichen Verhaltens ausmachen. Das neue Verständnis von Migration als anthropologische Konstante hat zugleich dazu geführt, dass der Forschungsfokus lange auf der Bewegung, der Grenzüberschreitung, oder dem Fluchtprozess lag. Gerade die Exilforschung hat dagegen verschiedentlich auf die eingeschränkte Mobilität von exilierten Menschen aufmerksam gemacht, die in Geschichte und Gegenwart mit staatlichen Instrumenten konfrontiert sind, welche sie physisch, mental oder kreativ ausbremsen und einschränken, sei es durch bürokratische Hindernisse (z.B. bei der Visabeschaffung), sei es durch Ausreise- und Arbeitsverbot oder durch Internierung. Diese Tagung strebt an, die Ambivalenz und Gleichzeitigkeit von Mobilität und Immobilität im Kontext von Exil näher zu beleuchten und dabei die Migrations-, Flucht-, und Exilforschung zum interdisziplinären Nachdenken einzuladen.

Das Begriffspaar der (Im-)Mobilität erweist sich deshalb als nützlich, weil es den Blick über die erstmalige Ankunft im Exilland hinaus erweitert, und Erfahrungsebenen einzufangen vermag, die trotz (oder gerade durch) die Exilsituation auch immer von Bewegungslosigkeit, Unterbrechung, Ziellosigkeit, Isolation und Stagnation geprägt sind. Diese Ambivalenz kann sich auf verschiedene Arten äussern, die über die physische Komponente hinausgehen. Exil und Transit sind in Kunst, Literatur und Wissenschaft immer wieder mit einem Zustand des Dazwischenseins charakterisiert worden, sei es geographisch, literarisch, politisch oder emotional. Nicht umsonst etwa findet sich die Metapher des Wartesaals oft im Kontext von Exil, wie in der Wartesaal-Trilogie von Lion Feuchtwanger, aber auch in der Geschichte zu den Displaced Persons der unmittelbaren Nachkriegszeit (vgl. Königseder und Wetzel 1994). Neben personenbezogener Mobilität ist der Begriff der Mobilität darüber hinaus auf die buchstäbliche und metaphorische Bewegung von Ideen, Texten oder Objekten anwendbar (vgl. Greenblatt 2010).

Seine umfassende Bedeutung ruft aber auch die Frage nach dem Unterschied zwischen Migration, Mobilität, Flucht und Vertreibung hervor. Nach Edward Said schwingt beim Wort „Flüchtling“ immer das Bild einer konfusen Masse mit, während „Exil” dagegen einen „Hauch von Einsamkeit und Spiritualität” mitträgt (vgl. Said 2000). Was ist der analytische

Erkenntnisgewinn, wenn diese (und weitere) Phänomene unter einem Schirm betrachtet werden und besteht nicht die Gefahr, die kosmopolitische Intellektuelle mit dem namenlosen Vertriebenen gleichzusetzen?

Die Ambivalenz der erzwungenen und limitierten Mobilität im Exil in all seinen Ausprägungen steht im Zentrum der Jahrestagung der Gesellschaft für Exilforschung 2024, die in diesem Jahr in Bern und Neuchâtel in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Literaturarchiv (SLA), dem nccr „on the move“, dem Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM), und dem Chaire d’histoire contemporaine der Universität Neuchâtel stattfindet. Mögliche Beiträge und Themenfelder, die im Rahmen von Fallstudien ausgeleuchtet werden könnten, sind unter anderem:

  • Das Spannungsfeld zwischen (Im-)Mobilität und Transit in Literatur und Kunst, in politischen Schriften oder in Selbstzeugnissen von exilierten Menschen

  • Das Warten im Exil bzw. das Exil als Wartesaal: Erfahrungen und Repräsentationen (etwa in Film, Literatur und Kunst)

  • Die Mobilität von Geflüchteten jenseits der Ausreise-/Ankunftsdualität

  • Narrative und Diskurse der (Im-)Mobilität

  • Geflüchtete in Grenzsituationen: Sinnstiftung und Herstellung von Agency in

    krisenhaften Zeiten

  • Praktiken der Fluchtmobilität: trampen, fliegen, fahren, laufen, schwimmen

  • Orte der (Im-)Mobilität (z.B. Flüchtlingslager, Grenzübergänge)

  • Migration, Mobilität, Flucht und Vertreibung als Untersuchungskategorien

  • Praktiken der Immobilisierung durch nationale und internationale Flüchtlingsregime

  • Die Zirkulation und Zensur von Flüchtlingswissen in Briefen, Zeitungen, und Periodika

  • Wissen als kulturelles Kapital im Migrationsprozess

Willkommen sind Vorträge von ca. 25 Minuten aus allen Disziplinen in englischer oder deutscher Sprache. Die Organisator:innen bemühen sich um die Finanzierung für Anfahrt und Unterkunft. Die Organisator:innen sind im Rahmen der Möglichkeiten offen für die Umsetzung alternativer Präsentationsformen, die im Proposal näher zu beschreiben wären. Abstracts (max. 1‘500 Zeichen) von Vorschlägen für Beiträge werden mit einem kurzen CV (bitte in einer einzigen Datei) bis zum 01.03.2024 erbeten an folgende Adresse: ramon.wiederkehr@unine.ch.

Im Vorfeld der Tagung (5.9.2024) findet wie jedes Jahr ein thematisch offener Workshop für Doktorierende statt. Eine Ausschreibung erfolgt Anfang 2024 separat.

Organisiert von
Gesellschaft für Exilforschung e.V., Schweizerisches Literaturarchiv, nccr on the move, Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien, Chaire d’histoire contemporaine der Universität Neuchâtel

Veranstaltungsort

Neuchâtel und Bern

Kontakt

Ramon Wiederkehr (Université de Neuchâtel)
Sprachen der Veranstaltung
Deutsch
Englisch

Zusätzliche Informationen

Kosten

CHF 0.00

Anmeldung

Anmeldeschluss