Reisen in die Alpenmonarchie. Die Entwicklung des Tourismus in Liechtenstein von 1872-1940

AutorIn Name
Annika
Hilti
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2023/2024
Abstract

Das an der Transitroute von Deutschland nach Italien liegende Liechtenstein war schon früh Zwischenstopp für durchreisende Händler:innen und Besucher:innen von Heilbädern in der Region. Davon konnten seit dem Spätmittelalter einige Gasthäuser profitieren. Eine auf den Tourismus ausgerichtete Gastwirtschaft entwickelte sich jedoch erst im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Anschluss an den europäischen Bahnverkehr sorgte in Liechtenstein für einen Aufschwung von Handel, Gewerbe und Industrie. Die k.k. privilegierte Vorarlberger Bahn Feldkirch – Schaan – Buchs wurde nach zweijähriger Bauzeit 1872 eröffnet und schloss eine Lücke in der Verbindung zwischen den Metropolen Wien und Paris.

 

Das Ziel der Masterarbeit ist, einem sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Ansatz folgend, auf der Basis bisher wenig beachteten Quellenmaterials die Entwicklung des Liechtensteiner Fremdenverkehrs von 1872 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren und umfassend darzustellen.

Der neue Bahnanschluss war vor allem für deutsche und österreichische Urlauber:innen attraktiv. Obwohl der neue Zweig des Fremdenverkehrs Misstrauen bei der Liechtensteiner Bevölkerung auslöste, gab es wenige Mutige, die sich dem neuen Trend der „Urbarmachung von Höhenluft‟ anschlossen. So kauften vier Vaduzer Herren im Jahr 1872 die Alp Gaflei für 8’000 Schweizer Franken und eröffneten im Jahr 1875 die „Molken-undLuftkuranstaltaufderAlpGaflei‟.Waren es im ersten Betriebsjahr gerade einmal zwanzig Kurgäste aus dem eigenen Land, so nahmen die Gästezahlen in den Folgejahren stetig zu, wobei die Gäste auch zunehmend aus Deutschland und der Schweiz stammten. Auch für die Alp Sücka ist ab den 1870er Jahren ein Kurbetrieb belegt. Im Laufe der Zeit kamen noch weitere Kurhäuser und Sommerfrischen in Masescha (1877), Samina (1879), Malbun (1908) und Silum (1912) hinzu. Als Tourismusattraktionen wirkten vor allem das Schloss Vaduz, der 1898 eröffnete Fürstensteig am Dreischwesternmassiv und weitere Wanderungen im Rätikon. Diesen neuen Tourismus galt es zu fördern, weshalb es 1900 zur Aufnahme Liechtensteins in den „Landesverband für Fremdenverkehr in Vorarlberg‟ kam, der folglich in „Verband für Fremdenverkehr in Vorarlberg und Liechtenstein‟ umbenannt wurde. Bereits im gleichen Jahr kam es im Rahmen der Pariser Weltausstellung zur ersten internationalen Werbetätigkeit des Verbandes. 1909 erfolgte die Gründung der „Sektion Liechtenstein‟ des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins. Der damit verbundene Ausbau der Wanderwege führte in der Folge zu einer Zunahme des Wandertourismus in die Berge Liechtensteins. Aus den Fremdenverkehrsstatistiken ist zu entnehmen, dass im Zeitraum 1908–1915 11'754 Personen nach Liechtenstein reisten und dort insgesamt 66'059 Nächte verbrachten.

 

Der Erste Weltkrieg führte zum Einbruch des Tourismus in Liechtenstein; er sollte sich erst in den 1920er Jahren sowie nach der Kündigung des Zollvertrages mit Österreich (1919) wieder erholen. Hatte sich der Tourismus bis dahin vor allem auf die Bergregion Triesenberg und auf einfache Sommerunterkünfte beschränkt, erfolgten zu Beginn der 1930er Jahre der Ausbau des touristischen Unterkunftsangebots im Tal sowie die Umstellung auf Ganzjahrestourismus. Bestehende Kurhäuser wurden zunehmend erweitert und renoviert. Skisport fasste auch in Liechtenstein Fuss, sodass sich ein neuer Wintertourismus zu formen begann.

 

Liechtenstein überzeugte mit seinen günstigen Preisen und dem geringen Touristenverkehr in den Bergen. Allerdings war der Tourismus in den 1930er Jahren auch stark von der Weltwirtschaftskrise geprägt. Nach dem stetigen Aufwärtstrend der Gästezahlen seit 1925 stellte das Jahr 1931 mit 3'229 Gästen und 10'114 Nächten einen Einbruch dar – gegenüber 3757 Gästen und 12’773 Übernachtungen im Jahr davor. Die Wirtschaftskrise führte dazu, dass erstmals mehr Schweizer als Deutsche Gäste in Liechtenstein residierten. Zudem war Liechtenstein im Ausland auch aufgrund der vielen Holdinggesellschaften in Verruf geraten.

 

Gerade in den deutschen und österreichischen Medien wurden regelrechte Hetzkampagnen gegen die „Wallstreet Europas‟ geführt. Nichtsdestotrotz konnte sich der Tourismus wieder erholen und erlebte 1937 mit 7'353 Gästen und 26'874 Übernachtungen seinen Höhepunkt, ehe er im Zweiten Weltkrieg wieder einbrach.

 

Die Arbeit analysiert, wo die Gäste in Liechtenstein unterkamen und zeigt auf, dass sich die durchschnittliche Dauer des Aufenthaltes über die untersuchte Zeitspanne von anfänglich 15- bis 30-tägigen Aufenthalten auf durchschnittliche drei- bis fünftägige verkürzte. Gründe für die kürzere Aufenthaltsdauer waren der Wandel von Kurauszeit und Sommerfrische hin zu kürzeren Urlaubsaufenthalten aufgrund begrenzter Urlaubstage sowie die Verdrängung der Kur durch andere Aktivitäten. Ebenfalls zeigen die untersuchten Fremdenverkehrsstatistiken, dass im Verlauf der Zwischenkriegszeit immer mehr Gäste in Vaduz unterkamen. Die Unterkünfte in Vaduz wurden zunehmend für kürzere Aufenthalte genutzt und wiesen somit eine höhere Gästefrequenz auf. Die höhere Gästezahl in Vaduz bedeutete für die KurhäuserkeinedirekteKonkurrenz;diesebliebenbis zum Zweiten Weltkrieg gut besucht.

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