Ein Ermordeter kann sich keinen Rechtsanwalt mehr leisten

AutorIn Name
Christin
Glanzmann
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Damir
Skenderovic
Institution
Seminar für Zeitgeschichte
Ort
Fribourg
Jahr
2024/2025
Abstract

Mit der Einführung eines einheitlichen Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB), welches im Jahr 1942 in Kraft trat, galt die konsensuale Homosexualität zwischen Volljährigen in der gesamten Schweiz nicht mehr als Straftat. Damit entwickelte sich die Schweiz zu einem sicheren Hafen inmitten Europas, wo die rechtliche Lage für homosexuelle Männer auf Grund des Artikels gegen Widernatürliche Unzucht stets sehr restriktiv war und teilweise auch zu systematischer Verfolgung führte. Dennoch waren Vorurteile gegenüber homosexuellen Männern auch in der Schweiz an der Tagesordnung; eine homosexuelle Beziehung offen zu leben, konnte zu sozialem Verstoss führen. Aus diesem Grund entschieden sich viele homosexuelle Männer für kurze und unverbindliche Liebeleien, meist mit sogenannten Stricherjungen. In diesem Klima kam es in der Stadt Zürich in den 1950er und 1960er Jahren zu acht Mordfällen an homosexuellen Männern. In sieben der acht Fälle konnte der bzw. die Täter gefasst und verurteilt werden. Auffallend ist jedoch bei all diesen Fällen, dass das Gericht in jedem Fall auf die lebenslange Bestrafung der Täter verzichtete. Dies, obwohl das StGB von 1942 für Mord eine lebenslängliche Haftstrafe vorsah. Diese Beobachtung führte zur Annahme, dass eine gewisse Voreingenommenheit der Richter:innen gegenüber den homosexuellen Opfern in die gerichtliche Entscheidung mit eingeflossen ist, was in der vorliegenden Masterarbeit geprüft werden sollte. Dazu wurden die Urteilsausfertigungen der richterlichen Instanzen zu den acht Fällen auf homophobe Bilder und Stereotypen gegen homosexuelle Männer untersucht, um zu ermitteln, ob solche eine Rolle im richterlichen Entscheid spielten, und welche Homosexuellenbilder wiederholt in den Akten gezeichnet wurden. Die Akten wurden anhand eines Kategorienkatalogs analysiert, welcher aus gängigen Homosexuellen bildern aus der Literatur zur Diskriminierungsgeschichte homosexueller Männer abgeleitet wurde.


Aus den im Zürcher Staatsarchiv abgelegten Akten liess sich zeigen, dass in den Urteilsausfertigungen zu allen acht Mordfällen stereotypisierende Tendenzen gegen homosexuelle Männer herausgelesen werden konnten. Die Kategorien, welche anhand der Textanalyse wiederholt und am häufigsten ermittelt werden konnten, waren «der Homosexuelle als Kranker» und «der Homosexuelle als der Andere». Auffallend ist auch, dass Richter:innen im Text den Fokus häufig gezielt auf die Opfer und deren Verkommenheit zu lenken versuchen und damit einen gezielten Rollentausch zwischen Täter und Opfer provozieren. Trotz dieser Erkenntnisse zeigt die Analyse, dass die Urteilsausfertigungen zu den acht Mordfällen grösstenteils der stark standardisierten Rechtssprache unterlegen bleiben und damit eine neutrale Tonalität prominent bleibt.

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