Souveränität durch Kooperation. Die Schweiz und die multilaterale Zusammenarbeit im Zuge der Ölkrise 1973 – 1975

AutorIn Name
Sean
Drechsel
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Sacha
Zala
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2022/2023
Abstract

Im Herbst 1973 beschlossen die Länder der OPEC und der OAPEC eine unilaterale Erhöhung des Erdölpreises und Produktionskürzungen. Die Auswirkungen dieser Massnahmen führten den Gesellschaften der Industrienationen, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg grosse Wohlstandssteigerungen erlebt hatten, ihre starke Abhängigkeit vom Erdöl vor Augen. Die Steigerungen des Wohlstands waren grösstenteils durch den rasant wachsenden Konsum dieses Rohstoffs ermöglicht worden. Viele Industrieländer konnten ihren Bedarf jedoch nicht selbst garantieren. Um auf die Massnahmen der Produzentenländer zu reagieren, verfolgten die verschiedenen Konsumentenländer unterschiedliche Strategien.

 

Die Masterarbeit beschäftigt sich damit, wie die Regierung der Schweiz der Ölkrise begegnete. Dabei untersucht sie die Fragen, wie die schweizerische Regierung versuchte auf diese Herausforderung ihrer Souveränität zu reagieren, wie das Vorgehen der Regierung sich in die allgemeine Aussenpolitik der Schweiz in den 1970er Jahren einfügen lässt und welche Argumentationsmuster verwendet wurden, um es zu rechtfertigen. Das Jahrzehnt zwischen der Mitte der 1960er Jahre und der Mitte der 1970er Jahre war eine Phase der Transition in den schweizerischen Aussenbeziehungen, in der die Bedeutung des Multilateralismus allmählich zunahm.

 

Zur Beantwortung der Fragestellung stützt sich die Arbeit auf Quellen aus dem Schweizerischen Bundesarchiv. Die Bestände verschiedener Dienststellen des Eidgenössischen Politischen Departements wie der Politischen Direktion (E2001*), des Delegierten für technische Zusammenarbeit (E2005*), der schweizerischen Delegation bei der OECD in Paris (E2210.2*) sowie jene der Handelsabteilung (E7110*) und des Integrationsbüros EPD-EVD (E7113*) wurden untersucht. Zusätzlich wurden gedruckte Quellen aus dem Bundesblatt und dem Amtlichen Bulletin der Bundesversammlung sowie Dokumente aus der Datenbank Dodis verwendet.

 

In ihrer Reaktion auf die Massnahmen der OPEC und OAPEC erkannte die schweizerische Regierung zunächst, dass das Land in ihrer Erdölversorgung zu 100% vom Ausland abhängig war. Damit war die Schweiz nicht nur anfällig für die direkte Politik der Produzentenländer, sondern auch für jene der Transitländer, da sie sich am Ende der Transportwege befand. Gleichzeitig fehlten der Regierung weitreichende Kompetenzen, um im Sinne der Versorgung einzugreifen. Bilaterale Verträge mit den Produzentenstaaten wurden geprüft, waren aber wegen infrastrukturellen Problemen schwierig umzusetzen und hätten wohl zu höheren Preisen geführt. Im Sinne der allgemeinen Richtung in der schweizerischen Aussenpolitik der 1970er Jahre wurde daher die multilaterale Option angestrebt. Zunächst war die Schweiz jedoch von den eingeschränkten Gruppen, welche von den grössten Ölkonsumentenländern organisiert wurden, ausgeschlossen. Aus der Energiekonferenz von Washington, die im Februar 1974 stattfand, entstanden jedoch das Internationale Energieprogramm (IEP) und die Internationale Energieagentur (IEA), an denen sich auch die Schweiz beteiligen konnte. Einerseits boten diese die Möglichkeit eines Krisenverteilsystems. Andererseits strebten sie aber auch langfristige Projekte zur Verringerung der Abhängigkeit von Erdöl an. Wirtschaftliche Überlegungen spielten innerhalb der Bundesverwaltung eine zentrale Rolle beim Entscheid, dem IEP und der IEA beizutreten. Neutralitätspolitische Bedenken wurden mit dem Argument zerstreut, dass eine ausreichende VersorgungmitTreibstoffeneinePflichtdesneutralen Staates sei, um seine Unabhängigkeit zu wahren. Dabei wurden gewisse Souveränitätseinbussen in Kauf genommen, um die Sicherung dieser Versorgung zu gewährleisten.

 

Mit der Konferenz für internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit (KIWZ) entstand im Zuge der Ölkrise ein Dreiecksdialog zwischen den Industrieländern, den Ölproduzenten und den Entwicklungsländern ohne Ölproduktion. Dieses Forum war zunächst auf die Diskussion von Energiefragen ausgelegt. Auf Drängen der Produzentenländer wurde der Diskussionsgegenstand jedoch auf allgemeine Fragen der Weltwirtschaft ausgeweitet. Wiederum bestand die Gefahr, dass die Schweiz ihre Interessen nicht selbst vertreten können würde. Daher beschloss die Regierung, auch im Zusammenhang mit ihrer allgemeinen Aussenpolitik dieser Zeit, sich für eine Teilnahme an der Konferenz zu bewerben. Dabei wurde auch argumentiert, dass eine Teilnahme an diesem Dialog, ein Fehlen in anderen multilateralen Foren möglicherweise ausgleichen würde. Schliesslich erhielt die Schweiz einen der acht für die Industriestaaten vorgesehenen Plätze zugesprochen.

 

Die Arbeit zeigt damit, dass eine Teilnahme der Schweiz an multilateralen Foren zu einer Stärkung ihrer Souveränität beitrug.

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