„Ein Affe im Purpur“. Eine körpergeschichtliche Betrachtung von Kaiser Julians Herrschaft

AutorIn Name
Michael
Stadler
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Jan B.
Meister
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2020/2021
Abstract
Julian „derAbtrünnige“(331–363n.Chr.) übt als letzter paganer Kaiser des Römischen Reichs bis heute eine ungebrochene Faszination aus. Im Mittelpunkt des geschichtswissenschaftlichen Interesses stehen zumeist Julians Religionspolitik und die zeitgenössischen Konflikte, die sich daraus ergaben. Doch Julian war auch sonst in vielerlei Hinsicht ein merkwürdiger Kaiser. In dieser Arbeit wird der Versuch gewagt, Kaiser Julian aus einer bisher unbeachteten körpergeschichtlichen Perspektive zu untersuchen. Theoretischer Hintergrund der Arbeit bildet die in jüngster Zeit vermehrt in den Fokus rückende Thematik antiker Herrscherkörper. Der Körper des Kaisers ist ein besonderer Körper, denn er verkörpert auch die Monarchie als Institution. Jedoch wurde der Ansatz, die spezifische Bedeutung des Herrscherkörpers zu untersuchen, noch nie in Bezug auf Kaiser Julian umgesetzt. Dieser Befund überrascht bei einem Kaiser, der insbesondere für seinen verhassten Bart und seine aussergewöhnliche Lebensweise bekannt ist. Die vorliegende Arbeit füllt diese Lücke: Es wird aufgezeigt, dass eine körpergeschichtliche Herangehensweise spannende neue Erkenntnisse bezüglich der zeitgenössischen Wahrnehmung spätantiker Kaiser und der Institution des Kaiseramts hervorbringt. Als methodische Grundlage dient das Habitus-Konzept Pierre Bourdieus. An der Spitze der Hierarchie stehend, verkörpert der Kaiser eine einzigartige Position, die gerade durch Aspekte des Habitus – Haltung und Bewegung, Kleidung und Insignien, die physische Relation des Kaisers zu anderen Personen – sichtbar wird. Zur Untersuchung von Julians Habitus werden verschiedenste Quellen hinzugezogen und verglichen. Zentral ist das für einen römischen Kaiser aussergewöhnlich reichhaltige Korpus von Selbstzeugnissen: Vor allem Julians philosophische und satirische Schriften – darunter in erster Linie der Barthasser – werden bezüglich Julians eigentümlicher, neuplatonischer Körperkonzeption untersucht. Ebenfalls wichtig sind die zahlreichen zeitgenössischen Quellen zu Julian: Pagane und christliche Geschichtsschreibung, Panegyriken, Briefe und religiös motivierte Invektiven, schliesslich auch einige byzantinische Quellen. Ausserdem wird der archäologische und numismatische Befund hinzugezogen: Die Kaiserstatuen, Münzbilder und Reliefs standen mit den literarischen Kaiserbildern in einem Verhältnis der wechselseitigen Beeinflussung. Die unterschiedlichen Kaiserbilder in den Quellen sind dabei keine reinen Top-down-Repräsentationen des Kaisers, sondern das Resultat eines Dialogs unterschiedlicher Akteure, wobei immer Erwartungshaltungen verschiedener Gruppen antizipiert werden. In der Analyse der Selbstzeugnisse Julians offenbart sich, wie Julian ein ideales Körperbild propagierte, welches abstrakte neuplatonische Körperkonzepte auf die Person des Herrschers übertrug: Körperliche Askese und ein langer Bart bilden die äusseren Zeichen eines moralisch integren Herrschers. Im Barthasser griff Julian diese philosophischen Überlegungen erneut auf, indem er die Bewohner Antiochias, die den Kaiser unter anderem wegen seines Bartes und seiner unkultivierten Art verspotteten, als verweichlicht und effeminiert darstellte. Dabei zeigt sich ein besonderer Umgang mit zeitgenössischen Geschlechterstereotypen, aber auch eine hohe Konsistenz von Julians Körperkonzept über seine unterschiedlichen Schriften hinweg. Die literarischen Zeugnisse anderer Autoren vermitteln dagegen einen Eindruck, wie Julians Körper bei seinen Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Ein wichtiges Thema ist der Spott, der sich immer wieder auf das ungepflegte Äussere Julians bezieht und sich häufig in Form von Tiervergleichen äussert. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Wahrnehmung der öffentlichen Auftritte Julians: Wie der Kaiser sich bewegte und gegenüber anderen positionierte, unterstand einer genauen Beobachtung. Die teilweise unterschiedlichen Perspektiven auf dieselben Ereignisse machen die Besonderheit der Quellenlage aus. So finden sich auch innerhalb der ansonsten pro-julianischen Tradition divergierende Darstellungen und Kritik am Verhalten Julians, der das gängige Protokoll immer wieder missachtete. Der „bewegte“ Kaiser Julian wird schliesslich innerhalb des spätantiken, konstantinischen Kaiserzeremoniells kontextualisiert. Julians Vorgänger inszenierten sich bei öffentlichen Auftritten ganz anders, indem sie eher einen erhabenen, „statuesken“ Stil anstrebten. Besonders eindeutig wird dies etwa bei Ammianus Marcellinus’ Beschreibung des adventus Constantius’ II. in Rom oder in der Darstellung der Kaiser in konstantinischen Porträts und Reliefs. Es wird deutlich, dass Julian in einem Zeremoniell agierte, in dem bestimmte Vorstellungen und Erwartungen an den Körper des Herrschers herangetragen wurden. Der spätantike Herrscherkörper war nicht mehr einfach identisch mit dem natürlichen Körper des Kaisers, sondern entwickelte sich zunehmend zum überindividuellen Bestandteil des Kaiserzeremoniells.

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