Call for papers
Sechste Schweizerische Geschichtstage
«Natur», 29. Juni – 1. Juli 2022, Universität Genf
Die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte (SGG), die Fachvereinigung der Historikerinnen und Historiker der Schweiz, hat die Universität Genf für die Austragung der Sechsten Schweizerischen Geschichtstage ausgewählt. Turnusgemäss versammelt dieser Kongress alle drei Jahre Hunderte von Historikerinnen und Historikern aus dem In- und Ausland und zählt zu den grössten sowie interessantesten Symposien dieser Art in Europa. Die Schweizerischen Geschichtstage bieten allen Sparten des Faches eine Bühne für den wissenschaftlichen Dialog und ziehen den wissenschaftlichen Nachwuchs ebenso an wie Geschichtslehrende und Forschende mit internationalem Renommee. Aufgrund der Aktualität ihrer Themen wecken sie auch ausserhalb der Fachwelt grosses Interesse. Nach den Universitäten Bern, Basel, Freiburg, Lausanne und Zürich wird 2022 die Universität Genf diesen Kongress ausrichten.
Der Organisationsausschuss und der wissenschaftliche Beirat, die sich für die Ausrichtung gebildet haben, umfassen Mitglieder des Departements für Geschichte, des Departements für Altertumswissenschaften, des Instituts für Reformationsgeschichte, des Paul-Bairoch-Instituts und der interfakultären Maison de l’histoire der Universität Genf ebenso wie des Departements für Internationale Geschichte des Genfer Hochschulinstituts für Internationale Studien und Entwicklung IHEID. Auf Vorschlag des wissenschaftlichen Beirats wurde folgendes Thema für die Geschichtstage 2022 gewählt:
«Natur»
Die Covid-19-Pandemie, der Klimawandel und der dramatische Verfall der Artenvielfalt zwingen die Menschheit, ihr Verhältnis zur Natur zu überdenken. Der erst seit gut hunderttausend Jahren existierende Homo sapiens zerstört die vermeintlich «ewige» Natur in einer Weise, welche die Fundamente seines eigenen Daseins bedroht. Das kritische Studium der Beziehung zwischen Mensch und Natur, die seit der Antike ein grundlegendes philosophisches Begriffspaar bilden, stellt im Zeitalter des Anthropozäns eine entsprechend grosse Herausforderung für Historikerinnen und Historiker dar.
Dieses weite Feld ist jedoch erstaunlich wenig erforscht. Denn einerseits hat der cultural turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften die Ausprägungen der Natur – Wälder, Wüsten, Ozeane, Gebirge, Flüsse, Boden, Gletscher, das Klima, die Tierarten und die Ressourcen, die sie bieten – weitgehend der Erforschung durch die Natur- und Umweltwissenschaften überlassen, wiewohl ihr Wandel stark vom Menschen beeinflusst ist. Andererseits haben die Naturwissenschaften kulturelle Einflüsse auf die Beziehung Mensch-Natur weniger in den Blick genommen als nötig. Es ist umso dringender, den Naturbegriff und seine Beziehung zum Menschen kritisch zu historisieren, denn seine Kontextualisierung verspricht, die gegenwärtigen «Umweltkrisen» besser zu verstehen und eine Annäherung zwischen dem menschlichen Bewusstsein und Verhalten der Natur gegenüber zu fördern.
Alle Gebiete des Faches sind eingeladen, Vorschläge für Beiträge einzureichen, welche die Art und Weise untersuchen, in der Menschen, Zivilisationen und Kulturen Natur verstanden, entdeckt, verändert oder geschützt haben: die Kunstgeschichte wie auch Wissenschafts- und Technikgeschichte, die Wirtschafts- und Sozialgeschichte ebenso wie die politische Geschichte – und zwar unter Berücksichtigung lokaler, nationaler, internationaler und selbst globaler Perspektiven. Das Organisationskomitee der Geschichtstage 2022 und die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte laden hiermit alle Forscherinnen und Forscher herzlich ein, Vorschläge über dieses weite Thema einzureichen. Sechs Reflexionscluster, die sich nicht scharf voneinander abgrenzen, sollen dem wissenschaftlichen Austausch Struktur verleihen:
Repräsentationen: historische Semantik, Bild- und Transfergeschichte
Seit der Antike gibt es über Natur und den Naturbegriff eine reichhaltige Überlieferung geistiger Produktion. Mal stellt sie Natur als einzigartigen Bereich dar, von dem sich der Mensch distanziert, mal verortet sie im Gegenteil den Menschen in der Natur. Die symbolischen Konstruktionen von Natur verlangen nach Aufarbeitung der Begriffsgeschichte, der variierenden Repräsentationen und Bilder ebenso wie der Transfergeschichte zwischen Kulturräumen.
Mensch und Natur
Die Erforschung der Natur hängt von der menschlichen Entwicklung ab, denn ohne sie gäbe es keine Naturforschung. Doch der Mensch ist auch Teil der Natur, Teil einer Schnittmenge, in der sich Natur und Kultur begegnen. Der Dualismus lädt zur Frage nach der «menschlichen Natur» ebenso wie nach der – positiven oder destruktiven – Bedeutung «der Natur» für den Menschen ein.
Natur – Wissen
Im Angesicht einer mal nährenden, mal feindlich scheinenden Natur haben Menschen seit langem eine intensive wissenschaftliche Neugier an den Tag gelegt. Ein Ziel der aktuellen Forschung besteht darin, geistige und technische Revolutionen der Menschheit in der Geschichte der Wissenschaften und der kulturellen Entwicklung im weiteren Sinn zu verorten.
Interaktionen und Regulierungen der Beziehung Mensch-Natur
Wissenschaftlich-technischer Fortschritt hat die Ausbeutung von Grundstoffen in einem Masse gesteigert, dass nach dem grossen Überfluss Knappheit immer häufiger droht. Dieses Risiko provoziert Antworten – vom «Weiter so» bis zur «Regulierung», die regelmässig die technischen und intellektuellen Dispositionen der Akteurinnen und Akteure widerspiegeln. Folgerichtig erscheint das Studium der Versuche, Natur zu managen, zu beherrschen, zu zerstören, aber auch zu bewahren und zu schützen aus der Perspektive unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure lohnenswert.
Natur – Systeme (Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur)
Die Beobachtung der Natur hat viele gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure dazu gebracht, Vergleiche mit menschlichen Systemen anzustellen: So wurde und wird mitunter die Funktionsweise von Regierungen, Kulturen sowie Individuen mit – ganz unterschiedlichen, manchmal widersprüchlichen – Hinweisen auf die Natur «erklärt». Paradoxerweise verstärkt dieser Ansatz den schon in der Naturbetrachtung inhärenten Anthropozentrismus, der erst durch die Störung natürlicher Prozesse (durch den Menschen) in Frage gestellt wird. Naturvergleiche oder - analogien bilden jedenfalls für Gesellschafts-, Wirtschafts-, Politik- und Kulturhistorikerinnen und - historiker eine Folie für neue und erneuerte Fragestellungen.
Natur als Metapher
Der Glaube in unverrückbare Gesetze spiegelt sich im metaphorischen Gebrauch des aus dem Lateinischen abstammenden Naturbegriffs. Hergeleitet vom Verb nasci, «geboren», bezeichnet das Substantiv angeborene Eigenschaften eines Lebewesens, einer Sache oder eines Phänomens. Doch gehorchen die Geschichte, Gesellschaften und Individuen irgendwelchen Gesetzen? Die Metapher «Natur» wirft damit grundsätzliche Fragen auf, die kulturelle, soziale und ideologische Dimensionen enthalten.
Diese Überlegungen mögen als Anregungen dienen für die Debatte unter Historikerinnen und Historikern sowie für den Dialog zwischen Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und einem breiteren Publikum. Denn ein derartig aktuelles Thema dürfte dafür sorgen, dass die Geschichtstage nicht nur wieder ein Ort der Erneuerung des Faches werden, sondern auch die breitere Öffentlichkeit ansprechen.
Und schliesslich werden die Teilnehmenden durch die Untersuchung der Frage, wie sich vergangene Generationen einer mitunter grausamen Natur anpassten und sie sich zugleich zunutze machten, der Gegenwart einen Spiegel vorhalten. Darin möge sie sich angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts besser erkennen.
Die Panelvorschläge können bis am 30. April 2021 über die Webseite www.geschichtstage.ch eingereicht werden. Bitte beachten Sie dazu die folgenden Hinweise.
Organisatorische Hinweise
• Für die aktive Teilnahme an den Geschichtstagen können Sie sich entweder im Rahmen des vorliegenden Call for Panels mit einem Panelvorschlag bewerben oder Sie warten den Call for Papers ab, bei dem Sie sich um die Aufnahme in ein Panel bewerben können.
• Die Panels dauern 90 Minuten. Jedes Panel darf maximal drei Referate umfassen, wobei im Panelvorschlag maximal zwei Referate schon definiert werden dürfen; damit bleibt ein Platz frei für die Ausschreibung im Rahmen des Call for Papers. Zusätzlich kann optional ein Kommentar eingeplant werden.
• Die Begutachtung der Panelvorschläge erfolgt durch die Kommission Geschichtstage 2022 der SGG, die durch Vertreterinnen und Vertreter aller Schweizer Universitäten, verschiedener historischer Berufsgruppen sowie des wissenschaftlichen Nachwuchses gebildet wird. Die Kommission kann Panelvorschläge ins Programm aufnehmen, ablehnen oder zur Überarbeitung zurückgeben.
• Die Auseinandersetzung mit dem Tagungsthema «Natur» und den damit verbundenen thematischen, begrifflichen und konzeptionellen Zugängen ist für die Geschichtstage 2022 zentral. Die Panels müssen deswegen einen gut ausgearbeiteten Bezug zum Tagungsthema aufweisen. Ist dieser aus dem Panelvorschlag nicht ersichtlich, kann das Panel abgelehnt werden.
• Die Geschichtstage wollen die Diskussion unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer in neuen Konstellationen fördern. Die in einem Panel engagierten Personen dürfen deswegen nicht alle dieselbe institutionelle Affiliation aufweisen bzw. im selben Projekt tätig sein. Ist dies aus der Bewerbung nicht ersichtlich, kann der Panelvorschlag abgelehnt werden.
• Panelvorschläge können unabhängig von der institutionellen Affiliation und vom akademischen Grad eingereicht werden. Panelorganisatorinnen und -organisatoren sind aufgefordert, auf eine gute Durchmischung nach akademischem Grad, Sprache und Geschlecht zu achten.
• Jede Referentin und jeder Referent darf nur an einem Panel teilnehmen. Ausnahmen bestehen für die Funktionen der Panelverantwortung und des Kommentars, sie können zusätzlich zu einem Referat wahrgenommen werden.
• Die Tagungssprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch.
• Die Teilnahme an den Geschichtstagen ist für Mitglieder der SGG kostenlos. NichtMitglieder entrichten eine Tagungsgebühr in der Höhe des jährlichen Mitgliederbeitrages (CHF 120.- bzw. CHF 50.- für Personen in Ausbildung bzw. mit wenig Geld). Bei der Einschreibung zur Tagung kann die Mitgliedschaft deklariert, neu gelöst oder aber für die Teilnahmegebühr ohne Mitgliedschaft optiert werden. In begründeten Ausnahmefällen kann die kostenlose Teilnahme einer Person in einem Panel ermöglicht werden, entsprechende Gesuche sind durch den / die Panelverantwortliche zeitgleich mit der Abgabe des Panelprogramms (Ende Oktober 2021) beim Tagungsbüro einzureichen.
• Die Panelteilnehmenden sind dazu aufgefordert, bei ihrem Institut, einer Stiftung oder einem anderen Sponsoren ein Gesuch für die Übernahme der Reise- und Übernachtungsspesen einzureichen. Nur wenn diese das Gesuch ablehnen, kann bei der Tagungsorganisation um eine Finanzierung angefragt werden.
Zeitplan
• Panelvorschläge können bis am 30. April 2021 über die Website www.geschichtstage.ch eingereicht werden. Bitte achten Sie genau auf die oben ausgeführten Kriterien.
• Die Auswahl der Panels durch die Kommission Geschichtstage der SGG erfolgt voraussichtlich im Mai 2021. Die Panelverantwortlichen werden danach umgehend informiert.
• Bei einer Aufnahme des Panelvorschlags vorbehältlich einer Überarbeitung, muss diese innerhalb von zwei Wochen eingereicht werden.
• Der Call for Papers findet zwischen Juni und Ende August 2021 statt.
• Die definitiven Panelprogramme müssen bis Ende Oktober 2021 eingereicht werden.
• Allfällige Auflagen, die durch die Kommission Geschichtstage bei der Aufnahme eines Panels gemacht wurden, werden nach Einreichung des definitiven Panelprogramms noch einmal überprüft.
• Die Panelprogramme werden Ende 2021 / Anfang 2022 unter www.geschichtstage.ch veröffentlicht.
Kontakt Für weitere Auskünfte steht Ihnen Marc Aberle, Koordinator der Schweizerischen Geschichtstage 2022, unter der Mailadresse 2022@geschichtstage.ch gerne zur Verfügung.
Organisiert von
Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte / Universität Genf
Veranstaltungsort
Universität Genf
-
1000
Genf
