Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Albert
Tanner
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2010/2011
Abstract
Die vorliegende Arbeit ist eine Mikrostudie über die Tabakindustrie in einer kleinen, ländlichen Aargauer Gemeinde des Bezirks Kulm, welcher bis vor einigen Jahrzehnten als „Stumpenland“ bezeichnet wurde. Von Bedeutung ist das Thema, weil sich die Zigarrenindustrie im Aargauischen Seeund Wynental im 19. Jahrhundert zu einer regelrechten Monoindustrie entwickelte, deren Auswirkungen auf eine kleine Gemeinde bisher jedoch nicht näher untersucht worden sind. Untersucht wurde einerseits, wann und wie die Zigarrenindustrie in Leutwil entstand, wie gross sie war, wie lange sie existierte und welche Bedeutung dieser Industriezweig für die Gemeinde Leutwil hatte. Neben der Untersuchung des Industriezweiges und seiner Geschichte stellten die Fabrikantenfamilien, ihre Stellung, ihr Status und ihr Ansehen im Dorf einen weiteren Schwerpunkt der Untersuchungen dar. Die Darstellung und Analyse des Arbeitsund Lebensalltages der Arbeiterinnen und Arbeiter der Zigarrenfabriken von Leutwil bildeten den dritten und letzten Schwerpunkt der Untersuchungen. Das Ziel der Arbeit war, ein möglichst detailliertes und umfassendes Bild der Wirtschafts-, Arbeitsund Lebensverhältnisse in Leutwil zur Zeit der Zigarrenindustrie zu zeichnen.
Untersucht wurde dies einerseits anhand der noch vorhandenen schriftlichen Quellen über die Zigarrenindustrie in Leutwil. Neben den handschriftlichen Fabrikinspektorenberichten konnten unter anderem diverse Unterlagen der ehemaligen Fabriken, Nachlassinventare und Steuerunterlagen der einzelnen Fabrikanten und Einträge in den Protokollen der Gemeindeund Kirchenbehörden sowie den einzelnen Vereinen gefunden und analysiert werden. Andererseits wurden elf Interviews mit Zeitzeugen und ehemaligen Arbeiterinnen der verschiedenen Fabriken durchgeführt, um schriftlich nicht festgehaltenes Wissen und Erfahrungen über die Zigarrenindustrie in Leutwil fassbar zu machen.
Im Rahmen dieser Masterarbeit konnte aufgezeigt werden, dass sich die Zigarrenindustrie in Leutwil ständig im Spannungsfeld der regionalen Zigarrenindustrie befand und sich dementsprechend auch ähnlich entwickelte. Während mehrerer Jahrzehnte bestanden in Leutwil drei kleine Zigarrenfabriken, welche im Dorf die dringend benötigten Arbeitsplätze schufen. Erst durch die Entstehung der Zigarrenindustrie in Leutwil konnte die zuvor massive Abwanderung abgebremst werden. Die Fabrikantenfamilien genossen durch ihre Position als Hauptarbeitgeber in der Gemeinde ein sehr hohes Ansehen. Als „Herrenleute“ von Leutwil gelang es den männlichen Mitgliedern der Fabrikantenfamilien nicht nur die Fabriken, sondern auch die Politik, die Kirche, die Schule, die Sozialhilfe, und die Dorfvereine zu leiten. Durch diese Form des Paternalismus wurde gleichzeitig jedoch jegliche Form der Opposition von Seiten der Arbeiterschaft schwierig bis unmöglich. Die Arbeiterschaft in Leutwil setzte sich vor allem aus weiblichen Einheimischen zusammen, die einerseits in den Fabriken, aber auch in der Heimarbeit beschäftigt waren. Zusätzlich arbeiteten einige Kinder und Jugendliche aus dem Dorf in den Fabriken und vor allem in der Heimarbeit. Die Arbeitsbedingungen in sämtlichen Fabriken verbesserten sich im Verlaufe der Zeit. Auffallend war, dass sämtliche befragte Personen sich ausschliesslich positiv über ihre ehemaligen Arbeitgeber äusserten und ihre Dankbarkeit den Fabrikanten gegenüber bis heute gross ist. Der Untergang dieses einst so wichtigen Industriezweiges blieb für Leutwil auf den ersten Blick ohne Folgen, denn er kam schleichend