Schule in akteurzentrierter Perspektive: Inspektoren, Lehrer, Eltern und Gemeindeeliten und ihr Einfluss auf die Primarschulen des Kantons Luzern zwischen 1830 und 1850

AutorIn Name
Stefan
Lingg
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Heinrich Richard
Schmidt
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2009/2010
Abstract


Die Arbeit schildert Inspektoren, Lehrer, Gemeindeeliten und Eltern von Schulkindern als Akteure im Handlungsfeld der Primarschulen und beschreibt ihren Einfluss auf die Primarschulverhältnisse im Kanton Luzern von 1830 bis 1850. Gestützt auf Inspektorenberichte wird der Inspektor nicht nur als Stellvertreter von staatlichem Verwaltungshandeln sondern als individueller Akteur betrachtet. Diese Differenzierung erlaubt die Freilegung der Inspektoren als eigenständig handelnde Gruppe mit individuellen Interessen. Somit erscheinen diese nicht nur als ausführende Organe der Obrigkeit, sondern ebenso als Akteure im Spannungsfeld von lokalen Kräften wie Lehrern oder Gemeindeeliten. Dieser Einbezug erlaubt es, staatliches Wirken auf individueller Ebene sichtbar zu machen.

Deshalb fragt die Arbeit generell nach den Einstellungsmustern und Werthaltungen der einzelnen Akteure gegenüber der Schule. So wird die Schule in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet und die staatszentrierte Sicht wird durch eine akteurzentrierte Perspektive ersetzt.

Die Inspektoren zeichneten sich durch eine fortschrittliche Einstellung gegenüber der Primarschule aus. Besonders geistliche Inspektoren setzten sich für die Schulen ein und wirkten so als Förderer der Primarschulen. Der Bewertungsmassstab veränderte sich im Verlaufe des Untersuchungszeitraums: 1830 lag dieser in der Schulpräsenz der Kinder, während 1848 das Leistungskriterium als Output-Funktion die Beurteilung der Schulen dominierte. Die Inspektoren förderten die Schulen durch Vermittlung zwischen lokalen und obrigkeitlichen Interessen. Dabei mieden sie die Durchsetzung obrigkeitlicher Normen durch repressive Massnahmen und verfolgten stattdessen eine Strategie der Toleranz bestimmter Normabweichungen an den Primarschulen. Im Bereich der Schulabsenzen hingegen waren die Inspektoren machtlos und mussten die Inanspruchnahme der Schulkinder als Arbeitskräfte durch die Eltern anerkennen.

Die Arbeit stellt die Lehrer aufgrund der Beurteilungen durch die Inspektoren als gut ausgebildet dar. Zugleich mit der Ausbildung verbesserte sich auch die soziale Stellung des Lehrers in den Gemeinden. Die gesteigerte Akzeptanz zeigte sich ausserdem durch grössere Kompetenzen in den Schulinspektionen. Sie wurden Auskunftsgeber für die Inspektoren, währenddem der Einfluss der Ortspfarrer als Drittpersonen bei der Inspektion sank und letztere zu einem zu beaufsichtigenden Subjekt wurden. Die Lehrer charakterisierten sich selbst als Hirten der Schulkinder und sahen ihre Arbeit als göttliche Berufung. Neben diesem idealisierten Selbstbild zeichneten sie sich durch ein Berufsethos aus, welches stark an übergeordneten Interessen orientiert war. So verlangen sie beispielsweise mehr Lohn, argumentierten aber, dass auf diese Weise die Zeit neben dem Unterricht zur persönlichen Weiterbildung genutzt werden konnte und nicht für ökonomisch dringende Nebenbeschäftigungen.

Den Eltern und Gemeindeeliten, in Form der Gemeinderäte und -pfarrer, weist die Arbeit unterschiedliche Einstellungen gegenüber der Schule zu. Während Eltern und die Gemeinderäte eher eine kritische Haltung einnahmen, waren die Ortspfarrer offener. Sie unterstützten die Lehrer und versuchten, durch häufige Besuche die Schulen zu verbessern.

Die Zurückhaltung der Gemeinderäte, die vielfach Lehrern die Lohnzahlung verweigerten, und derjenigen Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schickten, wurde jedoch in einigen Regionen des Kantons Luzern aufgebrochen. Die kritische Haltung wandelte sich in eine von Akzeptanz geprägte Einstellung gegenüber den Primarschulen. Die Folge davon war eine erhöhte Präsenzzahl der Schüler in diesen Regionen. Verstärkt wurde diese Unterstützung durch engagierte und gut ausgebildete Lehrer.

Der Einfluss und die Akzeptanz der Primarschulen durch lokale Akteure waren jedoch nicht flächendeckend. Einige Regionen waren rückständig. Diese Arbeit stützt die These des Bildungslokalismus, denn der Kanton Luzern war 1850 nicht durch einen einheitlichen Bildungsraum geprägt, sondern wurde stark durch lokale Akteure wie Inspektoren, Lehrer und Gemeindeeliten geformt. Damit wird der von anderen Arbeiten postulierte staatliche Einfluss auf die Schule relativiert und gezeigt, dass lokale Kräfte auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts Einfluss auf die Ausgestaltung der Primarschulen nahmen.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

Akademische Arbeiten werden in der Bibliothek der jeweiligen Universität hinterlegt. Suchen Sie die Arbeit im übergreifenden Katalog der Schweizer Bibliotheken