Im Jahre 1984 gab die Swissair offiziell grünes Licht für die Anstellung von Frauen in den Cockpits ihrer Verkehrsflugzeuge. 1985, ein Jahr später, wurde Gabrielle Musy-Lüthy als erste Copilotin eingestellt und war 1999 gleichzeitig auch die erste Frau, die bei der Swissair als Captain arbeitete. Doch die Swissair war bezüglich dieser späten Zulassung von Frauen in den Cockpits ihrer Verkehrsflugzeuge kein Sonderfall. Die Lufthansa liess ihre erste Pilotenanwärterin zum Beispiel sogar erst 1986 zur Ausbildung zu. Diese Arbeit konzentriert sich primär auf die Frage, warum Frauen der Zugang zur Verkehrsfliegerei so lange verwehrt blieb und insbesondere, wie die einzelnen Fluggesellschaften diese ablehnende Haltung Frauen gegenüber begründeten. In diesem Zusammenhang wurde einerseits untersucht, wie Frauen in rechtlicher Hinsicht, durch bestimmte Gesetzgebungen, sowie strukturell gesehen, durch Nichtzulassung zu den Pilotenausbildungsstätten, den jeweiligen Fluggesellschaften oder den Pilotenverbänden, bis in die 1980er Jahre hinein diskriminiert wurden. Das erste Kapitel der Arbeit geht auf die Entstehung und die Entwicklung des Verkehrspilotenberufes ein. Die Strukturen der Verkehrsfliegerei waren seit dem Beginn der kommerziell zivilen Luftfahrt derart eng mit der militärischen Luftfahrt verknüpft, dass Frauen zunächst keinen Einstieg in die Verkehrsfliegerei finden konnten. Bis 1959 gab es in der Schweiz zum Beispiel keine zivile Verkehrspilotenschule. Die Swissair rekrutierte damals all ihre Piloten aus dem Armeekorps. Ein weiterer Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf den Veränderungen seit der Einführung der Grossraumflugzeuge. Immerhin brachten die Jumbojets, der Bordcomputer und nicht zuletzt auch der aufkommende Massentourismus ab den 1970er Jahren eine erhebliche Veränderung des Berufes und somit auch des gesamten Pilotenimages mit sich, so dass heute sogar von einer „Entzauberung“ des Mythos „Traumberuf Pilot“ gesprochen werden kann.
Im zweiten Kapitel wird aufgezeigt, dass Frauen bereits in den Anfängen der Aviatik ebenso Weltrekorde aufstellten, alle Arten von Flugzeugtypen steuerten und gleichzeitig mit den Männern um die Wette flogen. Vor allem in den USA und in Deutschland betrieben einzelne Frauen in der Zwischenkriegszeit sogar eigene Flugschulen, arbeiteten als Testpilotinnen bei Flugzeugfirmen oder veranstalteten kommerzielle Flugschauen. Es ist daher heute unumstritten, dass einige dieser ersten Pilotinnen auch massgeblich am Aufbau der Luftfahrt beteiligt waren. Trotzdem wurden sie von keiner Fluggesellschaft dieser Welt als Verkehrspilotinnen eingestellt.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich eingehend mit der Zulassung von Frauen in die Cockpits von Verkehrsflugzeugen. Seit den 1960er Jahren hatten sich Frauen verstärkt darum bemüht, als Pilotinnen bei Fluggesellschaften zugelassen zu werden. Vor allem in der Schweiz und in Deutschland wurden ihre Forderungen jedoch nicht erfüllt. Besser organisiert als ihre europäischen Kolleginnen und tatkräftig von der amerikanischen Frauenbewegung unterstützt, wurden in den USA in den 1970er Jahren dagegen die ersten Verkehrspilotinnen eingestellt, wodurch die europäischen Fluggesellschaften zunehmend unter Druck gerieten, ebenfalls Frauen einzustellen. Sowohl die Swissair als auch die Lufthansa versuchten jedoch bis in die 1980er Jahre den Frauen den Zugang ins Cockpit weiterhin zu verwehren. Die Lufthansa zum Beispiel rechtfertigte ihren Entscheid vor allem mit dem „Schwangerschaftsrisiko“. Sie betonte die hohen Investitionskosten in eine Pilotenanwärterin und strich die damit verbundene Unwirtschaftlichkeit für die Fluggesellschaft heraus, falls sich eine Frau nach der Geburt des Kindes aus dem Pilotenberuf zurückziehen würde. Jedoch haben einzelne Frauen inzwischen aufgezeigt, dass die Rückkehr in den Beruf nach einer Schwangerschaft durchaus möglich ist – auch wenn die geschlechterspezifische Arbeitsteilung und die Zuständigkeit der Frau für Haushaltsund Familienaufgaben nach wie vor unangefochten bleiben und die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie weiterhin symptomatisch ein typisches „Frauenthema“ ist, das in den geschlechtlich gemischten Berufsverbänden, wie zum Beispiel der Aeropers, kaum thematisiert wird.
Fliegende Frauen sind auch heute noch in der Minderheit, rechtliche Einschränkungen bestehen im Vergleich zu früher jedoch keine mehr. Sie werden in ihrer Funktion als Pilotinnen wahrgenommen und als gleichberechtigte Crewmitglieder respektiert, was durchaus als Erfolgsgeschichte gewertet werden kann – auch wenn Verkehrspilotinnen erst mit dem Bröckeln des heldenhaften Pilotenimages seit der Einführung der Grossraumflugzeuge und dem aufkommenden Massentourismus eingestellt wurden.
Verkehrspilotinnen - Die Geschichte eines Aufstiegs?
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christoph Maria
Merki
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2008/2009
Abstract