Die Schweizerische Filmwochenschau (SFWs) wurde 1940 als Instrument der Geistigen Landesverteidigung und als Gegengewicht zu den Propaganda-Wochenschauen aus den faschistischen Nachbarländern Italien und Deutschland ins Leben gerufen. Angesichts der geistigen und physischen Bedrohung von aussen sollten durch Rückbesinnung auf politische und kulturelle schweizerische „Eigenarten“ der nationale Zusammenhalt gestärkt und fremde Einflüsse abgewehrt werden. Zu diesem Zweck transportierte die Wochenschau viele der für die Geistige Landesverteidigung charakteristischen Symbole und Leitbilder. Als damals einziges audiovisuelles Medium war sie besser als Zeitungen und Radio dafür geeignet, den abstrakten Inhalten eine sinnlich wahrnehmbare Gestalt zu geben. In der Literatur zur Geistigen Landesverteidigung und zum Schweizer Film spielt die SFWs bisher zu Unrecht nur eine relativ untergeordnete Rolle.
Die Beschreibung der SFWs-Inhalte zum Thema „technischer Fortschritt“, welche diese Arbeit leistet, konzentriert sich ganz auf den Zeitraum zwischen 1940 und 1959, bevor die „Tagesschau“ des Fernsehens die Wochenschau als audiovisuelles Leitmedium ablöste. Was die SFWs dieser Zeit gar zu einem historisch einzigartigen Medienphänomen macht, ist der Umstand, dass sie nicht bloss die Veränderungen von Landschaften, Moden und Technik dokumentierte, sondern gleichzeitig bestimmte Vorstellungen der Schweiz allgemeingültig vermittelte, tradierte und konstruierte.
Im ersten Teil der Arbeit wird nach der Geschichte der SFWs, ihrer Funktion innerhalb des Konzeptes „Geistige Landesverteidigung“ und ihren täglichen Arbeitsabläufen gefragt. Dazu wurden auch Oral- History-Interviews mit ehemaligen Mitarbeitern geführt und ausgewertet.
Der zweite Teil der Arbeit versucht, eine „dichte Beschreibung“ der einzelnen Filmbeiträge zum Thema „technischer Fortschritt“ und ihrer „Sub- Genres“ zu leisten. Wie manifestierte sich dieser in einem Medium, das, um seiner politischen Aufgabe gerecht zu werden, seine wichtigsten Symbole und Codes aus der Geschichte bezog? Welche Bilder des technischen Fortschrittes waren evident für die Konstruktion der „Marke Schweiz“? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die 539 zwischen 1940 und 1959 produzierten SFWs-Beiträge zum technischen Fortschritt einer Inhaltsanalyse unterzogen.
Obwohl die Schweizer Filmwochenschau 1943 keinem verbindlich formulierten Auftrag folgte, bestand für die beiden Chefredaktoren Paul Ladame (1940–1944) und Hans Laemmel (1944– 1961) kein Zweifel an ihrer Aufgabe im Dienste der Geistigen Landesverteidigung. Die Fragen nach Legitimation und Auftrag kamen erst nach dem Ende des Krieges auf, als das Feindbild „Nationalsozialismus“ verschwunden war und sich die Mehrzahl der Westschweizer Kinobetreiber plötzlich weigerte, die französischsprachige Ausgabe der SFWs weiterhin zu beziehen. Damals, als praktisch eine neue Redaktion am Werk war, wären die Bedingungen für eine formale und inhaltliche Neuorientierung ideal gewesen. Diese Chance wurde aber auf der ganzen Linie – von der Filmkammer über den Stiftungsrat bis zur Redaktion – klar verpasst. Gegen Ende der 1950er Jahre und unter dem Eindruck des neuen Mediums Fernsehen wurden dann in der Presse und auch innerhalb der Wochenschau neue Konzepte diskutiert. Da man aber innerhalb des Stiftungsrates der SFWs auch zu diesem Zeitpunkt noch keine grosse Konkurrenz im neuen Medium „Fernsehen“ sah, blieb bis Anfang der 1970er Jahre fast alles beim Alten.
Vergleichbar einer kommerziellen Marke reproduzierte die SFWs immer wieder die gleichen Bilderwelten. Darin aktualisierte sie Geschichtsbilder, die seit der „nation-building“-Phase des 19. Jahrhunderts als Kennzeichen der schweizerischen Identität im kollektiven Bewusstsein verankert waren. Zu den wichtigsten nationalen Symbolen, derer sie sich dabei bediente, gehörte etwa die archaische Bergwelt. Die Beiträge orientierten sich journalistisch an den zwei Mustern „Mini- Dokumentarfilm“ ohne tagesaktuelle Bedeutung und „kleiner Aktualitätenbericht“ und dauerten im Durchschnitt etwas mehr als eine Minute. Die Qualität der SFWs-Beiträge hing vor allem von der Bildsprache des jeweiligen Kameramannes ab. Während der Kriegszeit waren die Bildsprache und die ganze Filmdramaturgie der SFWs moderner und weniger stark in Schemen gefangen als nach dem Wechsel des Chefredaktors und der wichtigsten Mitarbeiter.
Die Beiträge über den technischen Fortschritt sind wie alle anderen ziemlich gleichförmig gehalten. Sie lassen sich zu formal und inhaltlich relativ homogenen Unterrubriken wie „Sprengungen“, „Neue Waffen“ oder „Industrielle Produktionsabläufe“ zusammenfassen. Eine Ausnahme bilden die Berichte über die neuen Medien Film und Fernsehen, wo das Publikum immer wieder mit alternativen filmischen Erzählformen überrascht wurde.