La patria perdida. Von der territorialen Frage zum Krieg um die Malvinas. Die nationalistische Rechte in der argentinischen Militärdiktatur 1976-83

AutorIn Name
Beat
Gerber
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2003/2004
Abstract

Der Falkland-Krieg ist bereits kurz nach seinem Ende im Juni 1982 in der politikwissenschaftlichen Konfliktforschung eingehend diskutiert worden. Dem Gedankengut der nationalistischen Rechten wurde dabei meist ein beträchtlicher Einfluss auf die expansionistische Aussenpolitik der argentinischen „Junta“ zugewiesen. Die Studie stellt diese Annahme in Frage und untersucht die Rolle der Nationalisten in der ideologischen Kriegsvorbereitung genauer. Fokussiert werden dabei insbesondere die Jahre der Diktatur des „Proceso de Reorganización Nacional“, 1976–1983. Anhand nationalistischer Zeitschriften und Monographien wird der Diskurs der intellektuellen Rechten vergleichend mit der Entwicklung der Diktatur analysiert und es wird nach der Wirkung der Schriften auf Regime und Gesellschaft gefragt.

 

Die Arbeit zeichnet in zwei ersten Kapiteln die Entwicklung der „territorialen Frage“ zu einem Mythos und zu einer Ideologie der Rechten nach. Der Irredentismus um Gebiete in Patagonien sowie im Südatlantik hatte seinen Ursprung zu Beginn der 1930er Jahre in der Bewegung katholisch-integralistischer Nationalisten, die ideologisch in der Nähe des spanischen Klerikalismus und der französischen „Action Française“ anzusiedeln sind. Die so genannten „nacionalistas“ warfen der herrschenden „liberal-konservativen Oligarchie“ vor, unzählige territoriale Verluste verschuldet zu haben. Im Folgenden wird gezeigt, wie rechts-nationalistische Konzepte auch von anderen, teilweise fundamental gegensätzlichen politischen Bewegungen – so Teilen der peronistischen Bewegung und der revolutionären Linken – absorbiert wurden. Insbesondere die Malvinasfrage drang tief ins Nationalbewusstsein ein und wurde zu einem antiimperialistischen Mythos der verhinderten Grösse und mangelnden Selbständigkeit Argentiniens. In den 1960er Jahren verbanden sich territoriale Forderungen mit Konzepten der „nationalen Sicherheit“ und der argentinischen Geopolitik. Das Bild einer vormals riesigen und nunmehr „mutilierten“ Nation setzte sich nicht nur an militärischen Bildungsinstitutionen und an staatlichen Grund- und Mittelschulen durch, sondern wurde auch von der argentinischen Geschichtswissenschaft intensiv kultiviert.

 

In der Detailuntersuchung zur jüngsten Diktatur werden in drei Kapiteln Auseinandersetzungen zwischen nationalistisch-reaktionären und liberalen Strömungen innerhalb des Regimes erörtert. Begünstigt durch die Repression gegen die Linke konnten sich zahlreiche Nationalisten an Universitäten, Militärschulen und in leitenden staatlichen Stellen halten. Es können Interdependenzen zwischen nationalistischen „Territorial-Vereinen“ und führenden Offizieren der Streitkräfte nachgewiesen werden. Einige Verfechter der territorialen Frage, wie der Militärstratege General Osiris G. Villegas oder der Geopolitiker Admiral Isaac Francisco Rojas, hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Militarisierung des Konfliktes mit Chile 1978. Im Territorialdisput um den Beaglekanal sahen die Hardliner des Regimes, so der Kommandant der Marine Massera, zudem eine Möglichkeit, die Militärregierung unter Videla und Viola zu diskreditieren. Sie bedienten sich für ihre Kritik verschiedentlich der Konzepte der Ultrarechten.

 

Von einer graduellen Steigerung nationalistischen Einflusses hin zum Falklandkrieg kann dagegen nicht ausgegangen werden. Die reaktionäre Rechte verlor nach dem Ende des „antisubversiven Konsenses“ der ersten zwei Jahre der Diktatur sowie der Deeskalation des Beaglekonfliktes Ende Dezember 1978 an Einfluss und war fortan politisch marginalisiert. Insbesondere die „nacionalistas“ bei der ultrarechten Zeitschrift „Cabildo“ reagierten auf die Durchsetzung wirtschaftsliberaler Interessen und die ersten Schritte hin zu einer demokratischen Liberalisierung mit scharfen, aber weitgehend wirkungslosen Attacken auf die Militärregierung, der sie vorwarfen, die argentinische „Souveränität“ preiszugeben. Auch der Kampf um das so genannte „territoriale Bewusstsein“ der argentinischen Bevölkerung war ein aussichtsloses Unterfangen. Die Schriften der Rechten wurden zu stark mit dem Diskurs des zunehmend unpopulären Regimes in Verbindung gebracht und fanden ausserhalb nationalistischer Kreise kaum Beachtung.

 

Die militärische Invasion der Malvinas im April 1982 entsprang weder einer langjährigen Planung der Streitkräfte noch der Agitation der Nationalisten. Es handelte sich vielmehr um eine Fluchthandlung eines diskreditierten Regimes, welches den Einfluss und die „Ehre“ der Streitkräfte in der anstehenden demokratischen Transition zu sichern hoffte. Bei der äusseren Rechten kam nach anfänglicher Begeisterung über die „Rückeroberung“ des Archipels bald wieder Skepsis über die Politik der Militärregierung auf, die schliesslich in der Kriegsniederlage eine traumatische Bestätigung fand.

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