Hörtipps: Geschichtspodcasts aus der Schweiz

Das Angebot an Podcasts wird immer vielfältiger – das gilt auch für Reihen mit wissenschaftlichen und populären historischen Inhalten. Besonders zahlreich und beliebt sind die History Podcasts im englischsprachigen Raum, hier hören Hunderttausende You’re Dead To Me, Backstory, Revisionist History oder Stuff You Missed in History Class. Inzwischen gibt es für wissenschaftliche Podcasts Metaplattformen wie H-Podcast oder - für deutschsprachige Serien - wisspod, um den Überblick nicht zu verlieren.1 In der Schweiz hingegen sind die Geschichtspodcasts noch so überschaubar, dass sie sich in einem WebRevue-Beitrag zusammenstellen und kommentieren lassen.

Unter wissenschaftlichen Podcasts verstehen wir abonnierbare und über das Internet verfügbare Audio-Serien, deren vorrangiges Ziel die Wissensvermittlung ist. Auch Aufzeichnungen von Vorträgen werden als Podcasts angeboten: Das Zentrum Geschichte des Wissens, das Schweizerische Landesmuseum, die Université de Lausanne oder die Schweizerische Osteuropabibliothek beispielsweise bieten ganze Reihen von Veranstaltungen zum Nachhören an. Von diesen Angeboten soll hier aber nicht die Rede sein. Vorgestellt werden stattdessen eigens für Podcast-Hörerinnen und -Hörer produzierte Serien, die historische Inhalte aufbereiten und vermitteln.


15past15, der Podcast des Historischen Seminars der Universität Zürich, diskutiert, wie und von wem Geschichte gemacht wird. In der ersten und bislang einzigen Staffel interviewen Martin Dusinberre und Birgit Tremml-Werner Historikerinnen und Historiker verschiedener internationaler Universitäten zur Geschichte und zur Geschichtsschreibung Ostasiens, insbesondere Japans und Chinas. Sie gehen dabei auch unterschiedlichen, sich verändernden Geschichtsbildern nach. Die anspruchsvollen, sehr aufschlussreichen Episoden in Englisch finden ihr Publikum vermutlich vorwiegend in der akademischen Welt – hier aber mit Sicherheit auch zahlreiche Fans.

Die 15 Episoden der ersten Staffel sind in die Website des Historischen Seminars eingebettet, mit Shownotes versehen, der Nutzungslizenz ausgewiesen und stehen auch zum Download bereit.


Histoire Vivante est une émission de radio de la RTS qui produit une émission de 30 min. par jour du lundi au vendredi depuis 2002 (!) sur un thème d’histoire générale qui varie chaque semaine. Les thèmes sont choisis en correspondance avec un film documentaire diffusé le dimanche soir sur RTS-2. L’émission est portée par la voix suave de Jean Leclerc et son équipe. Les épisode sont consitués d’entretiens avec des invités - pour la plupart des historiennes et des historiens - entrecoupés de séquences d’archives. Petit bémol: Les épisodes sont seulement disponibles pendant un mois à l’écoute et au téléchargement sur le site de la RTS ainsi que sur iTunes.

Im Podcast Turicana erzählt die Anglistin und Germanistin Robin Bretscher Zürcher Geschichten und Geschichten von Zürcherinnen und Zürchern – in Züritüütsch. In den bisher neun verfügbaren Episoden geht es um vielfältige Themen aus unterschiedlichen Epochen, um Zürichs Seidenindustrie etwa, den Codex Manesse, Emilie Kempin Spyri oder den Geisterglauben und die Reformation. Robin Bretscher lässt in ihren halbstündigen Beiträgen Historikerinnen und Wissenschaftler aus anderen Bereichen ausführlich zu Wort kommen, bettet historische Quellen gekonnt in die Erzählungen ein und hält dank geschickter Führung die Aufmerksamkeit der Hörerinnen und Hörer aufrecht. Die Podcast-Folgen sind sorgfältig und aufwändig produziert, unterhaltsam und in einer unkomplizierten Sprache eingespielt, sodass sie auch ein breiteres Publikum ansprechen. Einziger Störfaktor – so die subjektive Empfindung – ist die oft und selbst während den Ausführungen der Expertinnen und Experten eingespielte Hintergrundmusik.

Die Episoden sind auf einer eigens eingerichteten Website verfügbar. Ausgewiesen sind die Musik innerhalb der Beiträge und (etwas seltener) die Bilder neben den eingebetteten Audiofiles; Angaben zur Nutzungslizenz der Beiträge fehlen hingegen. Der Podcast kann über alle gängigen und selbst weniger bekannte Online-Dienste und Apps gestreamt oder abonniert werden.


Beim Podcast des Historischen Instituts der Universität Bern handelt es sich um eine Serie von Gesprächen mit Historikerinnen und Historikern über aktuelle Themen aus einer geschichts­wissen­schaftlichen Perspektive. In den gut strukturierten und ansprechend produzierten Episoden werden Themen und Felder vorgestellt, die an der Universität Bern erforscht werden, wobei auch methodische Fragen und wissenschaftliche Herausforderungen zur Sprache kommen. Die kleine Serie startete im Frühsommer 2019 mit einer Episode zum Frauenstreik und der Geschichte der Frauenrechte in der Schweiz, gefolgt von zwei Episoden zur Mondlandung 1969 und zur kollektiven Ressourcennutzung seit dem 18. Jahrhundert. Bleibt zu hoffen, dass die Serie fortgeführt wird; vielleicht auch über Forschungsprojekte der Universität Bern hinaus.

Die drei Episoden sind in die Website des Historischen Seminars eingebettet. Weitere Hinweise zum Projekt oder auch zu den Nutzungsrechten sind hier jedoch nicht zu finden.


Podcastsience.fm est un podcast de vulgarisation scientifique généraliste qui produit un épisode de 60 à 90 min. par semaine depuis 2002. Les épisodes sont animés par plusieurs animateurs accompagnés parfois de spécialistes. L’émission se déroule sous la forme d’une conversation informée et informelle entre les participants, rendant compréhensibles et agréable à écouter des thèmes généralement difficiles à saisir pour le grand public. La majorité des épisodes traitent de sujets des sciences naturelles, mais si on choisit les tags histoire et histoire des sciences, on trouvera des sujets comme "l'histoire du sang" ou "la folle histoire de l'électromagnétisme" ainsi que des portraits de Marie Curi et de Lyssenko. La plupart des quelques 400 pocasts - disponibles sur de nombreuses plateformes - sont accompagnés d’un dossier de ressources complémentaires.

Zeitblende läuft nicht nur auf SRF 4 News, sondern ist auch als Podcast verfügbar. Die Radiosendung beleuchtet historische Personen, Entwicklungen und Ereignisse vorwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert und ihre aktuelle Bedeutung. Während rund 30 Minuten unterhalten sich die Sendungsmacherinnen mit Zeitzeugen und Spezialistinnen zum Thema. Die Beiträge überzeugen – für eine Radiosendung nicht erstaunlich – durch ihre professionelle Qualität, nicht nur was die Aufnahme betrifft, sondern auch den Aufbau der Beiträge, die Einleitung in die Themen und die Präsentation auf der Website. Hier stehen die einzelnen Folgen auch zum Download zur Verfügung.

Und schliesslich sei auch Cliocast genannt, eine Podcast-Serie von Gesprächen mit Historikerinnen und Historikern über ihre neuen Bücher. Weil es sich um ein hauseigenes Angebot handelt, sparen wir uns eine kritische Einschätzung. Stattdessen wird an dieser Stelle auf einen Artikel der Zürcher HistorikerInnen-Zeitschrift etü verwiesen, in dem Sophie Probst 11 Podcasts für Historiker*innen (und alle anderen) empfiehlt, darunter – als einzigen Podcast aus der Schweiz – auch Cliocast.

Dieser Überblick ist schon bald nicht mehr aktuell. Er kann aber um neue Angebote und solche, die übersehen wurden, ergänzt werden. Hinweise auf Podcasts von Historikerinnen und Historikern und mit geschichtswissenschaftlichen Inhalten, die frei zugänglich sind, schicken Sie bitte an eliane.kurmann@infoclio.ch

Aktualisierung vom 4. Juni 2020 Interventions – The Intellectual History Podcast, ein Projekt aus England, ist in der kleinen Übersicht der Schweizer Geschichtspodcasts zu ergänzen, da Daniel Allemann (Universität Luzern) Mitbegründer und Produzent der ersten Folgen ist – und weil der Podcast absolut hörenswert ist! Er beschäftigt sich mit aktuellen Forschungsfragen und -gegenständen der Ideengeschichte und fragt nach ihrer Relevanz für die Gegenwart. Doktorierende der University of Cambridge - mehr ist über die Macherinnen und Macher nicht zu erfahren - befragen in rund halbstündigen Gesprächen Historikerinnen und Historikern zu ihrer wissenschaftlichen Biografie, ihrem Erkenntnisinteresse und ihren Arbeitsfeldern. Letztere sind sehr vielfältig, sie drehen sich etwa um Utopien, Freiheit, Anthropozän, Armut oder Feminismus; betreffen Rom, Schottland oder Tansania; und reichen von der Antike über die Aufklärung bis zur Phase der Dekolonisierung – und sie verlieren dabei nie die Gegenwart aus den Augen. Interventions lässt sich über die gängigen Podcast-Plattformen und Apps abonnieren oder streamen.

Aktualisierung vom 1. April 2021

Im Podcast Die Giftmörderin von Suhr erzählt Pascal Nater die Geschichte der Bäuerin und Wahrsagerin Verena Lehner, die 1929 für zwei Morde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. In neun Folgen geht er den historischen Spuren nach, liest aus Zeitungsartikeln und Gerichtsprotokollen, führt Interviews mit Nachkommen, der Theatermacherin Ariane Koch und dem Doku-Fiction-Autor Kurt Badertscher und nimmt schliesslich auch überlieferte Geschichten auf, die in Suhr bis heute über den historischen Fall zirkulieren. So beleuchtet der Podcast nicht nur das Leben der Protagonistin, das Verbrechen und den Gerichtsprozess, sondern thematisiert darüber hinaus Aspekte des Erzählens, Tradierens und Archivierens. Dieser True Crime Podcast ist aufwändig gemacht, äusserst spannend erzählt, unterhaltsam und vermittelt in ansprechender und zugleich verständlicher Weise den historischen Kontext, in dem Verena Lehners Geschichte stattfand – nicht nur für Historikerinnen und Historiker sehr hörenswert!

Der Podcast wurde 2020 auf Kanal K ausgestrahlt und ist auf der Website dieses aargauer Alternativradios sowie über die gängigen Podcastplattformen frei verfügbar.


Wer in den 1980er Jahren in der Alternativszene mitmischte oder sich aus einer historischen Perspektive dafür interessiert, wird die drei Episoden von Zurückgespult lieben! Ausgangspunkt des Podcasts bildet das Archiv des Alternativradios Kanal K: Pascal Nater digitalisiert und erschliesst hier die ersten 30 Jahre des Senders - aufgenommen auf Kassetten, selbstgebrannte CD-Roms und MiniDisc - und stolpert dabei über erstaunliche Geschichten, die zum Gegenstand dieses Podcasts werden. Mit den ehemaligen Sendungsmacherinnen und -machern blickt er zurück und spricht unter anderem über die Entwicklung der radiotechnischen Mittel, eine Sexismusdebatte, die aargauer Punkbewegung und ihr plötzlicher Stillstand, die Hoffnung einer Medienrevolution von Unten und über den weiteren historischen Rahmen, in dem Alternativ- und Lokalradiosender entstanden. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht bei den drei Podcast-Episoden bleibt!

Auch dieser Podcast kann über die Webseite von Kanal K gestreamt werden und steht auf verschiedenen Podcast-Diensten zur Verfügung.


Aktualisierung vom 19. Oktober 2021

Le podcast Si ce monde vous déplaît , produit par La Maison d’Ailleurs en collaboration avec l'Université de Lausanne, est consacré à l'histoire de la science fiction. Chaque épisode d'une quarantaine de minutes propose une discussion avec des chercheuses et des chercheurs à l'Université de Lausanne autour d’une œuvre de science-fiction.


Aktualisierung vom 6. Oktober 2022

Le podcast À l'écoute. Actualité de l'histoire de l'éducation , est une émission préparée par les Archives Institut Jean-Jacques Rousseau de l'Université de Genève. Chaque épisode d'une trentaine de minutes propose une discussion avec des chercheuses et des chercheurs à l'Université de Genève ou des invités externes autour d’un aspect de la recherche sur l'histoire de l'éducation. Le podcast a été lancé en automne 2022.


Aktualisierung vom 7. Dezember 2022

Le podcast Décoloniser la ville, est une émission en six épisodes produite par Chahut média (David Brun-Lambert et Carole Harari), qui discute de la question des monuments et de l'héritage raciste et colonial dans l’espace public. L'initiative part d'une étude mandatée par la Ville de Genève à deux historiens, et inclut une vingtaine d'invités de différents horizons.


Aktualisierung vom 6. Juni 2023

Le podcast Dangereux Millions, est une émission consacrée aux affaires de criminalité en rapport avec la Suisse et ses banques. Le podcast est coproduit par Swissinfo.ch et Europe 1, et réalisé par deux journalistes, Marie Maurisse et François Pilet. Le deuxième épisode retrace les liens de Licio Gelli, commanditaire présumé de l'attentat de la gare de Bologne du 2 août 1980, avec la Suisse, où il est arrêté en 1983 alors qu'il se rend dans une filiale genevoise de l'UBS, avant de s'évader de la prison de Champ-Dollon.


Anmerkungen

1 Einen Überblick über Podcasts aus der Schweiz, allerdings nicht vorrangig mit wissenschaftlichen Inhalten, geben Podcast Club Switzerland und für die Romandie podcastsuisse.