Open Science steht für das Paradigma, Wissenschaft und damit die Grundlagen und Resultate der wissenschaftlichen Forschung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Thomas Leibundgut, Co-Koordinator Open Science bei Swissuniversities, beschreibt in seinem Beitrag das Programm Open Science und die Bestrebungen von swissuniversities, einen offenen Zugang zu Wissenschaft und Forschung zu ermöglichen. Der Beitrag ist Teil einer Reihe zu aktuellen Themen rund um Open Data in den Geistes- und Sozialwissenschaften in der Schweiz, die anlässlich des infoclio.ch-Kolloquiums 2025 «Open Science historizieren» produziert wurde.
Open Science steht für das Paradigma, Wissenschaft und damit die Grundlagen und Resultate der wissenschaftlichen Forschung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gemäss der UNESCO Recommendation on Open Science ist Open Science «ein umfassendes Konstrukt, das verschiedene Bewegungen und Praktiken vereint, die darauf abzielen, mehrsprachiges wissenschaftliches Wissen für alle offen verfügbar, zugänglich und wiederverwendbar zu machen.» Der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, die offene Verbreitung von Forschungsdaten sowie der Einbezug anderer Bereiche von Open Science sind wesentlich für die Förderung von Transparenz und Reproduzierbarkeit in der Forschung und tragen zur Qualität der wissenschaftlichen Arbeit bei. Open Science bringt als Treiber der Vernetzung und Demokratisierung von Wissen einen Mehrwert für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.
[URL: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000379949 ]
swissuniversities unterstützt im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation verschiedene Bestrebungen, die einen offenen Zugang zu Wissenschaft und Forschung ermöglichen:
- der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen (Open Access),
- die gemeinsame Nutzung von Forschungsdaten (Open Research Data),
- und weitere innovative Open-Science-Praktiken an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.
Die Hochschulen und nationalen Partnerorganisationen aus Bildung, Forschung und Innovation (BFI) haben in den vergangenen Jahren eine enge Zusammenarbeit zu Förderung von Open Science etabliert. Durch eine gemeinsame und von der Delegation Open Science koordinierte Herangehensweise fördern sie den kulturellen Wandel in der Wissenschaft hin zu Open Science.
Open Access: Freier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen
Die Nationale Schweizer Strategie Open Access (OA) zielt seit 2017 darauf ab, alle öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen frei zugänglich zu machen. Die 2024 revidierte Strategie fokussiert darauf, wissenschaftliches Wissen sofort, maschinenlesbar und kostenlos bereitzustellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung und Koordination von Infrastrukturen und Dienstleistungen (insbesondere für Diamond und Green OA), der Schaffung eines unterstützenden rechtlichen Rahmens, Verhandlungen mit Verlagen sowie die Förderung einer OA-Kultur innerhalb der Forschungsgemeinschaften.
[URL: https://www.swissuniversities.ch/fileadmin/swissuniversities/Dokumente/Hochschulpolitik/Open_Access/Grafik_OpenAccess-Vorteile_web.png ]
Die Vision einer vollständigen Öffnung des wissenschaftlichen Outputs hat die Transformation hin zu OA erheblich vorangetrieben und der Anteil von OA-Publikationen ist gestiegen: Der Anteil Artikel von Forschenden an Schweizer Hochschulen, die hinter einer Paywall publiziert werden, ist von 70% im Jahr 2016 auf 28% im Jahr 2023 gesunken. Im Rahmen des Programms Open Science I konnten von 2021–2024 im Bereich OA über 40 Projekte der Hochschulen mit rund 7 Millionen Franken unterstützt werden. OA konnte so als Idee etabliert und an den Schweizer Hochschulen eingeführt werden – OA ist zur Norm geworden.
Open Research Data: Gemeinsame Nutzung von Forschungsdaten
Die Nationale Schweizer Strategie für Open Research Data (ORD) formuliert den Grundsatz, dass der Umgang mit Forschungsdaten so offen wie möglich sein sollte. Weitere Grundsätze bei der Umsetzung und Förderung von ORD sind die Berücksichtigung der disziplinären Vielfalt, Interoperabilität, internationale Vernetzung und die nachhaltige Finanzierung. Im Zentrum der ORD-Strategie stehen die Forschenden und die vielfältigen Forschungsgemeinschaften.
Ziele der ORD-Strategie sind die gezielte Entwicklung und Unterstützung von ORD basierend auf den Praktiken aus den jeweiligen Forschungsgemeinschaften. Infrastrukturen und Dienstleistungen sollen strategisch entwickelt und konsolidiert werden – auf Grundlage einer abgestimmten Governance und unter Wahrung der Autonomie der Institutionen. Weitere Ziele sind die Kompetenzentwicklung und der Austausch von Best Practices sowie der Aufbau von systemischen und unterstützenden Rahmenbedingungen für Institutionen und Forschungsgemeinschaften.
[URL: https://www.swissuniversities.ch/fileadmin/user_upload/Focusing_by_Marcel_Stefko__ETH_Zurich.png Image credit: Focusing by Marcel Stefko, ETH Zurich]
Im Rahmen des Programms Open Science I konnten von 2022–2024 im Bereich ORD fast 100 Projekte der Hochschulen mit rund 25 Millionen Franken unterstützt werden. Damit konnten insbesondere Data-Stewardship-Programme an den Hochschulen aufgebaut und etabliert werden, die die Forschenden dabei unterstützen, ihre Forschungsdaten offen zu teilen. Ebenfalls konnte mithilfe von verschiedenen Projekten in diversen Disziplinen ORD-Praktiken aufgebaut oder gefestigt werden, darunter auch in und um die Geschichtswissenschaften:
- LOD4HSS zur Etablierung von Linked Open Data in den Geistes- und Sozialwissenschaften durch Bereitstellung von benutzerfreundlichen Werkzeugen und Austauschmitteln,
- Semantic TEI zur Veröffentlichung von digitalen Editionen im Kontext des Semantic Web,
- Proto4DigiEd zur Entwicklung prototypischer Arbeitsabläufe der digitalen Aufarbeitung von Quellen als strukturierte Daten am Beispiel der Korrespondenz des französischen Philologen Gaston Paris (1839-1903),
- VORD zur Annotation und Abfrage grosser kunsthistorischer Datensätze der Kunstgeschichte zur computergestützten Analyse von Bildern mithilfe von künstlicher Intelligenz,
- OBELIS zur Entwicklung einer nachhaltigen, datenschutzsensiblen und quelloffenen Verwaltung von Statistiken über die Schweizer Eliten.
Schliesslich konnten strategisch bedeutsame Infrastrukturen von nationaler Relevanz gefördert werden. ORD-Praktiken haben sich dadurch in der Forschung breiter etabliert und der Austausch zwischen Forschungsgemeinschaften wurde gefördert.
Das Programm Open Science II
Das Programm setzt ab 2025 die Arbeiten des Vorgängerprogramms Open Science I (2021–2024) fort und hat eine nachhaltige Konsolidierung und strategische Weiterentwicklung von Open Science in den Schweizer Hochschulen und Forschungsgemeinschaften zum Ziel. Das Programm basiert auf den beiden nationalen Strategien und ist entlang der Dimensionen OA, ORD und innovative Bereiche von Open Science strukturiert.
Basierend auf diesen strategischen Grundlagen werden – wie im Implementationsplan beschrieben – im Rahmen von Aktionslinien Ausschreibungen durchgeführt, auf die sich die beitragsberechtigten Hochschulen mit Projekten bewerben können. In einer kompetitiven Evaluation beurteilt ein international und interdisziplinär zusammengesetzter Reviewers’ Pool die Projektanträge und gibt eine Empfehlung zuhanden der Delegation Open Science ab, die über eine finanzielle Förderung der Projekte entscheidet. Aufgrund der Sparmassnahmen des Bundes ist das Programm Open Science II vorerst bis Ende 2026 befristet.
In der Dimension OA liegt ein Schwerpunkt des Programms Open Science II insbesondere auf dem Aufbau von nachhaltig finanzierten und attraktiven Möglichkeiten, in Diamond OA zu publizieren. Weiter soll OA auch für Nicht-Artikel-Publikationen wie z.B. Monographien zur Norm werden: Dieser Schwerpunkt betrifft insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften – und damit auch die Geschichtswissenschaften –, da die Monographie in diesen Disziplinen eine häufige Form der wissenschaftlichen Kommunikation ist. Zudem soll mithilfe einer kontinuierlichen Koordination auf nationaler Ebene Green OA weiter gestärkt werden: Dabei stehen insbesondere die Rights Retention Strategy sowie die beabsichtigte Einführung des Zweitveröffentlichungsrechts für wissenschaftliche Publikationen im Zentrum.
In der Dimension ORD sollen die Karrierewege und die Berufsbilder im Bereich Data Stewardship weiterentwickelt werden. Weiter sollen ORD-Praktiken auch in Disziplinen weiter verankert werden, die in diesem Bereich noch nicht oder nur wenig aktiv sind – insbesondere auch in denjenigen, die vor allem mit qualitativen Daten arbeiten. Dies umfasst beispielsweise die Entwicklung von Standards, Guidelines und Schulungsmaterialien für spezifische Disziplinen oder konzeptionelle Übersetzungen von Good Practices für Disziplinen, die auch qualitativ arbeiten.
In der Dimension der innovativen Bereiche liegt der Fokus einerseits auf der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, um ihren Datenschatz zu öffnen und findable, accessible, interoperable und reusable (FAIR) zu machen. Andererseits soll im Rahmen der besseren Vereinbarkeit von Open Science und Knowledge Security die Maxime «so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig» besser operationalisiert werden, damit die Öffnung der Wissenschaft nicht nationale Sicherheitsinteressen oder strategische Investitionen gefährdet.
Durch diese Schwerpunkte sollen die Hochschulen und ihre Forschenden in der Transformation hin zu Open Science unterstützt werden, um so die transformative Kraft von Wissen für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nutzbar zu machen. Das Programm Open Science trägt so zur Stärkung des Wissenschafts- und Innovationsplatzes Schweiz bei.