Das Mediävistische Institut der Universität Freiburg (Schweiz) organisiert alle zwei Jahre ein interdisziplinäres Kolloquium, bei dem Forscher:innen und Spezialist:innen zusammen gebracht werden, um sich mit einem speziellen mediävistischen Forschungsthema zu beschäftigen.
Das Freiburger Colloquium 2023, von den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen mediävistischen Literaturwissenschaften der Universität Freiburg organisiert, thematisiert und diskutiert das Thema der politischen Lyrik im europäischen Mittelalter und findet Anfang September 2023 statt.
Zu Beginn des zweiten Buches von ,De vulgari eloquentia‘ behandelt Dante die Frage, welche Themen es verdienen, von den besten Dichtern in der ehrwürdigen Volkssprache behandelt zu werden, und nennt als die drei wichtigsten (magnalia): salus videlicet, venus et virtus (II ii 8), was meint: Waffentauglichkeit (armorum probitas), Leidenschaft der Liebe (amoris accensio) und Rechtschaffenheit des Willens (directio voluntatis). Diese Themenaufzählung – Waffenkampf-, Liebes- sowie moralisch-didaktische Dichtung – schliesst also unter anderem die Gattung der politischen Lyrik aus, obgleich diese in Dantes Heimatland Italien durchaus sehr verbreitet war und gepflegt wurde. Der Grund für diese Aussparung mag wohl darin liegen, dass in den Augen des florentinischen Poeten politische Dichtung eine hybride Gattung darstellt, sei es, weil in ihr sowohl moralische als auch gesellschaftliche sowie militärische Themen zusammenfliessen, sei es, weil politische Lyrik zuweilen in der Form fiktiver oder allegorisch verbrämter Liebeslieder daherkommt und damit als eine Variante oder Untergattung der erotischen Lyrik zu klassifizieren ist. Für Dante müssen die magnalia von den besten Dichtern jeweils in ihrer reinen Form oder aber anhand von Themen behandelt werden, die sich direkt und unmittelbar aus ihnen ableiten (Dve II iv 9); in die politische Dichtung hingegen bricht eine Dimension des Unvorhersehbaren und Zufälligen ein. Insofern sich letztere zumeist auf bestimmte historische Ereignisse bezieht, ist sie parteiisch und verfolgt – indem sie ermahnend, persuasiv, propagierend oder diffamierend ist – pragmatische Ziele.
Obwohl die in ,De vulgari eloquentia‘ angestellten Reflexionen zu den magnalia sich nur bedingt anderen literarischen Traditionen als der italienischen Lyrik zuordnen lassen, vermögen sie dennoch, das Feld der politischen Dichtung insgesamt einzugrenzen und zu charakterisieren. Auf dieser Grundlage und um komparatistische Diskussionen anzustossen, will das Freiburger Colloquium europäische Traditionen politischer Dichtung erforschen und lädt Expertinnen und Experten ein, die sich mit lyrischen Traditionen verschiedener mittelalterlicher Literaturen und geographischer Räume (zwischen Island und dem Kaukasus) befassen. Im Fokus steht der Zeitraum zwischen dem 12. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Neben den Volkssprachen werden auch die ,heiligen‘ und/oder ,imperialen‘ Sprachen berücksichtigt (Latein, Griechisch, Arabisch, Hebräisch).
Das Mediävistische Institut der Universität Freiburg nimmt das Freiburger Kolloquium 2021 zum Anlass, die Aufmerksamkeit auf diverse europäische Traditionen politischer Lyrik zu lenken und lädt Expert:innen verschiedener mediävistischer Disziplinen ein, sich über Produktion, Rezeption und Überlieferung politischer Lyrik zwischen Island und dem Kaukasus auszutauschen.
Die Ergebnisse der Tagung werden wie bei den Freiburger Colloquien gewohnt, in der institutseigenen Reihe "Scrinium Friburgense" beim Reichert Verlag veröffentlicht.
Programm
Mittwoch, 06. September 2023
09.15–09.30
Einführung durch Paolo Borsa
Sektion 1 Moderation: Elisabeth Dutton, Karin Schlapbach
09.30–10.15
Wim Verbaal (Universiteit Gent, Latin Language and Literature): (De)Forming the Present: Politics of “renaissance” in Medieval Latin Poetry
10.45–11.30 Uhr
Marie-Agnès Lucas-Avenel (Université de Caen, Langue et littérature latines): Le poète, les armes et le roi, dans le „Corde fero tristi“ de Serlon de Bayeux
11.30–12.15 Uhr
Mikael Males (University of Oslo, Scandinavian Studies): “The Strenuous Joys of Old Norse Panegyrics”
14.00–14.45 Uhr
Nikolaos Zagklas (Universität Wien, Byzantinistik und Neogräzistik): In Praise of the Emperor: Political Poetry in Medieval Greek Tradition
14.45–15.30 Uhr
Sandro Nikolaishvili (University of Southern Denmark, Odense, Medieval History): Political Poetry in the Service of a Female Ruler: Court Rhetoric in the Age of Queen Tamar (r. 1184–1212)
16.00–16.45 Uhr
Ophir Münz-Manor (The Open University of Israel, Jewish liturgy and liturgical poetry): Hebrew Laments of the Crusades as Political Poetry
Donnerstag, 07. September 2023
Sektion 2 Moderation: Paolo Borsa, Martin Rohde
09.00–09.45 Uhr
Andrea Scala (Università degli Studi di Milano, Glottologia e Linguistica): Temi politici e sociali nella lirica armena del XIII secolo: il caso del canzoniere di Frik
10.15–11.00 Uhr
Stefano Asperti (Sapienza Università di Roma, Filologia e linguistica romanza): Testi e temi politici nella lirica provenzale
11.00–11.45 Uhr
Matteo Cambi (Firenze, Opera del Vocabolario italiano – CNR, Filologia e linguistica romanza): Rimatori guelfi (e ghibellini) nel X fascicolo del Canzoniere palatino
13.30–14.15 Uhr
Alessandro Pilosu (Sapienza Università di Roma, Italianistica): di valor dimembrata‘ l’allegoria del corpo politico da Guittone al Saviozzo
14.15–15.00 Uhr
Marco Grimaldi (Sapienza Università di Roma, Filologia della letteratura italiana): La poesia politica dai trovatori a Dante
15.30–16.15 Uhr
Ricarda Bauschke-Hartung (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Germanistische Mediävistik): Die politische Lyrik Walthers von der Vogelweide im Kontext der altokzitanischen Sirventes
16.15–17.00 Uhr
Daniel Eder (Universität Kiel, Ältere deutsche Literatur): Repräsentationen des Politischen in der Minnekanzone (bei Ulrich von Winterstetten und Hug von Werbenwag)
Freitag, 08. September 2023
Sektion 3 Moderation: Cornelia Herberichs, Marion Uhlig
09.00–09.45 Uhr
Klaus Amann (Universität Innsbruck, Germanistische Mediävistik): Hybride Form und die (Un-)Möglichkeit epistemischer Deutung: Das Wappengedicht „Der Fürsten Warnung“
10.15–11.00 Uhr
Jean-Claude Mühlethaler (Université de Lausanne, Littérature française du Moyen Âge): D’Alain Chartier à George Chastelain: Le lyrisme, vecteur de la pensée politique au temps de Charles VII
11.00–11.45 Uhr
Philippe Frieden (Université de Genève, Littérature française médiévale): Politique courtoise et poétique du recueil: le manuscrit BL Harley 4431 de Christine de Pizan
13.30–14.15 Uhr
Aude Mairey (CNRS, Laboratoire de Médiévistique occidentale de Paris, Histoire médiévale): Les poésies politiques anglaises à la fin du Moyen Âge
14.45–15.30 Uhr
Ludovica Sasso (Universität Münster i.W., Lateinische Philologie des Mittelalters): Hostis fidei in propinquo est: il „Türkendiskurs“ in versi nella poesia neolatina del XV secolo italiano
15.30–16.00 Uhr
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