Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christina
Späti
Institution
Seminar für Zeitgeschichte
Lieu
Fribourg
Année
2019/2020
Abstract
Entworfen im bürgerlichen Milieu des 19. Jahrhunderts, entwickelte sich das Ernährer-Hausfrau-Modell zum vorherrschenden, sämtliche Gesellschaftsschichten durchdringenden Familienmodell. Es basierte auf der Idee der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung: Männer sollten einer bezahlten Erwerbsarbeit nachgehen, Frauen sich unentgeltlich um Haushalt und Familie kümmern. Im Kontext der geistigen Landesverteidigung erreichte das Modell seinen Höhepunkt. In den eidgenössischen Volkszählungen bildete es den Rahmen innerhalb dessen die Fragestellungen formuliert sowie die erhobenen Daten ausgewertet und interpretiert wurden. Dies geht aus der Untersuchung der administrativen Akten des Eidgenössischen Statistischen Amts (ESTA) hervor. An den «Fragen an Berufstätige» sowie den 1941 in den Fragebogen aufgenommenen «Fragen an verheiratete Frauen» zeigt sich beispielhaft, wie Geschlechterideologie zu statistischen Verzerrungen und Fehlern führte. Die gewählten statistischen Kategorien hatten erhebliche Datenlücken in Bezug auf weibliche Berufstätigkeit und männliche Fruchtbarkeit zur Folge. Für eine Verbesserung der Erwerbsstatistik setzte sich der Bund Schweizerischer Frauenvereine (BSF) ein. Obwohl er als Anlaufstelle für frauenrelevante Statistiken über eine grosse Expertise verfügte, wurden seine Anregungen von den Volkszählungsverantwortlichen weitgehend ignoriert. Letztere sahen sich erst 1970 – im Zuge der Hochkonjunktur und der strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarkts – dazu veranlasst, die Berufsfragen zu überarbeiten. Die Erfassung der Teilzeitarbeit führte zu einer grösseren Sichtbarkeit weiblicher Berufstätiger. Das ESTA stellte jedoch auch die neuen Zahlen in Konformität zum Ernährer-Hausfrau-Modell dar. Die Hierarchie zwischen den Geschlechtern wurde sichergestellt, indem die weibliche Erwerbsarbeit als bloss subsidiär gedeutet und an die Bedingung der Erfüllung der Familienpflichten geknüpft wurde.