Der Umgang der Behörden mit versteckten Kindern von ArbeitsmigrantInnen in Schweiz (1950er – 1970er Jahre)

AutorIn Name
Muhammad Benyamin
Khan
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Kristina
Schulz
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2019/2020
Abstract
Die Masterarbeit fragt nach dem Umgang der Behörden mit sogenannten versteckten Kindern von ArbeitsmigrantInnen in der Schweiz in den 1950er bis 1970er Jahren. Der Begriff der versteckten Kinder bezeichnet Kinder von ausländischen Arbeitskräften in der Schweiz, die aufgrund des geltenden Verbots des Familiennachzugs kein Bleiberecht hatten und deshalb von ihren Eltern illegal in die Schweiz nachgezogen und vor den Behörden versteckt gehalten wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 10'000 und 30'000 ausländische Kinder versteckt in der Schweiz lebten. Das Thema der versteckten Kinder ist historisch kaum erforscht. Die wenigen historiographischen Beiträge dazu fokussieren vorwiegend auf die Perspektive der Betroffenen, wobei Verwaltungsakten bislang kaum berücksichtigt wurden. Hier setzt die Masterarbeit an. In Abgrenzung zu den wenigen bisherigen Beiträgen interessiert sie sich für das Handeln und die Perspektive der Behörden im Umgang mit versteckten Kindern und versucht, diesen Gegenstand in erster Linie mit Verwaltungsakten zu beleuchten. Die Arbeit versteht sich als explorative Studie. Ziel ist entsprechend nicht nur die inhaltliche Beantwortung der Fragestellung, sondern auch das Erproben methodischer und quellentechnischer Zugänge zum schwer fassbaren und kaum erforschten Phänomen der versteckten Kinder. Die Suche nach geeignetem Quellenmaterial und die Dokumentation der Quellenlage macht demnach einen gewichtigen Teil der Arbeit aus. Das disparate Quellenkorpus integriert letztlich Akten aus dem Bundesarchiv, dem Staatsarchiv Basel-Stadt und dem Schweizerischen Sozialarchiv. Ergänzt wird das Korpus durch zwei Oral History Interviews mit Betroffenen. Bei den Akten aus dem Sozialarchiv handelt es sich um Korrespondenz zwischen ArbeitsmigrantInnen und der Federazione Colonie Libere Italiane in Svizzera, der wichtigsten italienischen MigrantInnenorganisation in der Schweiz im fraglichen Zeitraum. Die verwendeten Quellen aus dem Staatsarchiv Basel-Stadt sind mehrheitlich Personendossiers von AusländerInnen aus den Beständen der kantonalen Fremdenpolizei. Die Akten dokumentieren die Praxis kantonaler Behörden in der Verwaltung und Kontrolle von ArbeitsmigrantInnen. Die Quellen aus dem Bun- desarchiv stammen mehrheitlich aus den Beständen der Eidgenössischen Fremdenpolizei und des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit und vermitteln einen Eindruck für die Sichtweise der Bundesbehörden. Im Sinne eines multiperspektivischen Zugangs werden die verschiedenen Quellenbestände im empirischen Teil der Arbeit auf die gleiche Ausgangsfrage hin nach dem behördlichen Umgang mit den versteckten Kindern befragt. Die Quellenarbeit macht auf kantonaler Ebene den engen Konnex zwischen den hohen Hürden für den Familiennachzug für ArbeitsmigrantInnen, der Trennung von Familien sowie dem Verstecken von Kindern ersichtlich. Selbst wenn in den konsultierten Akten nur vereinzelt versteckte Kinder dokumentiert sind, vermitteln die Quellen doch einen vielfältigen Eindruck für die Richtlinien, Bedingungen und behördlichen Massnahmen, welche den Rahmen für das Verstecken ausländischer Kinder bildeten. Diese reichen vom Verbot der Unterbringung der Kinder in Krippen bis zu Ausweisungsentscheide gegen Kinder ausländischer Arbeitskräfte. Dadurch gewinnt das Phänomen insgesamt an Kontur. Der Umgang der Bundesbehörden mit versteckten Kindern kann insgesamt als eine Strategie der Vermeidung und Verneinung bezeichnet werden. Die Arbeit mit bundesbehördlichen Akten zeigt, dass der Bund spätestens ab den frühen 1960er Jahren kritisch mit der Problematik der versteckten Kinder konfrontiert wurde, allerdings nichts zur Entspannung der Situation unternahm und einer gesellschaftspolitischen Problematisierung sogar aktiv entgegenwirkte. Die Verantwortung für das Schicksal der Kinder schrieben die Behörden allgemein den Eltern zu, welche sich «freiwillig» über die Schweizer Gesetzgebung hinwegsetzten. Diese Masterarbeit vermag der besagten behördlichen Haltung durch die versammelten Fallbeispiele und den Verweis auf die engen Handlungsspielräume der ArbeitsmigrantInnen eine alternative Perspektive entgegensetzen. Die Studie wurde mit dem Jahrespreis 2020 des Schweizerischen Sozialarchivs ausgezeichnet.

Access to the work

Library

Academic works are deposited in the library of the university where they originated. Search for the work in the central catalogue of Swiss libraries