Argumentationsstrategien der Pflanzenschutzmittelindustrie in Zeiten des wachsenden Umweltbewusstseins. Die Kommunikation der Dr. R. Maag AG und der Geigy AG, 1950er bis 1980er Jahre

AutorIn Name
Anina
Zulauf
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2019/2020
Abstract
Anfang des 20. Jahrhunderts bewirkte die systematische Verwendung von synthetischen Pestiziden zusammen mit der Entdeckung neuer Zuchtverfahren und einer intensivierten Mechanisierung tiefgreifende Veränderungen in der Agrarproduktion. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse führten zu einer starken Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion sowie dem Glauben, dass durch die neuen chemischen Methoden ein Mittel zur Kontrolle über die Natur gefunden worden war. In der Schweiz stellte das Unternehmen von Rudolf Maag die erste Firma dar, welche sich ab 1919 komplett auf die Produktion von chemischen Pestiziden spezialisierte und dazu beitrug, dass die angewandte Entomologie wissenschaftlich institutionalisiert wurde. Erst gegen Ende der 1930er Jahre begannen auch andere Unternehmen die Herstellung von chemischen Pflanzenschutzmitteln aufzunehmen. Dazu gehörte die 1758 gegründete Handelsfirma J. R. Geigy, welche ab 1935 in den Markt der chemischen Schädlingsbekämpfung einstieg. Das Unternehmen erlangte international Aufmerksamkeit, als der Industriechemiker Paul Müller die insektizide Wirkung des Wirkstoffs DDT entdeckte, welcher ab 1942 unter anderem in der Landwirtschaft zum Einsatz kam. Die Masterarbeit, die von Dr. Juri Auderset im Rahmen seines Habilitationsprojekts zu Semantiken landwirtschaftlich-industrieller Arbeit im 20. Jahrhundert mitbetreut wurde, widmet sich der Untersuchung der (Werbe-) Kommunikation dieser Firmen, die beide eine marktführende Position einnahmen. Darin wird ein Überblick über die nur stückweise aufgearbeitete Geschichte der schweizerischen Pflanzenschutzmittelindustrie gegeben. Der Untersuchungszeitraum beginnt in der Mitte des 20. Jahrhunderts, als sich der Gebrauch der Pestizide etabliert hatte, und endet in den 1980er Jahren, als die Präparate zunehmend den Ruf eines notwendigen Übels erhielten. Aufgrund von Meldungen über unerwartete Nebenwirkungen und einem zunehmenden gesellschaftlichen Risikobewusstsein vermehrte sich die Kritik an chemischen Pestiziden im Verlauf der Jahrzehnte; der Druck auf die Branche, ihre Produkte zu legitimieren stieg konstant. Die Arbeit versucht den Einfluss dieses zunehmenden Umweltbewusstseins auf die Kommunikation und die Legitimationsargumente von Maag und Geigy darzulegen. Die Analyse erfolgt dabei in zwei Schritten: Einerseits wird im ersten Teil der Arbeit aufgezeigt, welche Kommunikationswege und unterschiedlichen Werbemedien, aber auch welche individuellen Beratungsangebote eingesetzt wurden, um mit den verschiedenen Zielgruppen zu kommunizieren. Andererseits werden in einem zweiten Teil die verwendeten Argumentationsstrategien inhaltsanalytisch untersucht. Dabei werden diskursive Elemente berücksichtigt, um aufzuzeigen, wie die Legitimationsstrategien an die sich verändernden umweltpolitischen und gesellschaftlichen Diskurse angepasst wurden. Die Entwicklungen lassen sich dabei in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase bis Anfang der 1960er Jahre begann die euphorische Haltung gegenüber den Pestiziden langsam zu bröckeln, jedoch versuchte die Branche, die Kritik weitgehend auszublenden und führte Komplikationen auf Fehler in der Anwendung zurück. Da aber eine Intensivierung der Bekämpfung, mit dem Ziel der Ausrottung von schädlichen Organismen, nicht den gewünschten Effekt hatte, folgte eine zweite Phase der Unsicherheit. Die chemische Industrie versuchte durch neue, selektiv wirkende Mittel auf die Bedenken zu reagieren und das Vertrauen in die eigenen Präparate zu stärken. Aber erst in der dritten Phase folgte eine (scheinbare) Integration des Umweltschutzgedankens und es lässt sich ab den 1970er Jahren ein Paradigmenwechsel festmachen. Die Gefahren der Pestizide für das Ökosystem wurden anerkannt, der Integrierte Pflanzenschutz als neue Lösungsstrategie beworben. Das zunehmende Sicherheitsbedürfnis und der gesellschaftliche Druck führten dazu, dass die Chemiebranche ihre Argumentation anpassen musste. Die Untersuchung zeigt, dass die Unternehmen auf die Kritik aber nur zögerlich reagierten und sich in jeder Phase auf die Rentabilität des Pestizideinsatzes beriefen. Ökologische Risiken wurden dabei den wirtschaftlichen Interessen untergeordnet. Es stellte sich heraus, dass eine gut organisierte Kommunikation massgebend für den wirtschaftlichen Erfolg von Maag und Geigy war. Neben wirksamen Produkten spielte vor allem das Vertrauen gegenüber der Herstellungsfirma eine entscheidende Rolle bei der Akzeptanz der chemischen Präparate. Im Gegensatz zu Konsumprodukten waren die AnwenderInnen der chemischen Pestizide auf eine umfassende, aber auch individuelle Beratung angewiesen, da der Einsatz der Mittel an die spezifischen regionalen und saisonalen Gegebenheiten angepasst werden musste. Diese hohen Anforderungen führten dazu, dass die Werbe- und Kommunikationsabteilungen in den Firmen einen bedeutenden Stellenwert einnahmen.
Library ID
alma991170742692105501

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