Wie könnte ich euch vergessen, euch, die ihr mir alles seyd! Die Entstehung eines neuen Typus von Freundschaft in der Sattelzeit und dessen Bedeutung für Franz Schubert

AutorIn Name
Andreas
Wydler
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2018/2019
Abstract
In der umfangreichen Forschung zum Wiener Komponisten Franz Schubert (1797 – 1828) wurde immer wieder auf die besondere Bedeutung von dessen Freundschaftsbeziehungen hingewiesen. Eine vertiefte Reflexion über die zeitgenössischen Vorstellungen und Ausprägungen der Sozialbeziehung Freundschaft hat in den vorwiegend musikwissenschaftlichen Untersuchungen jedoch kaum stattgefunden. Auch innerhalb der Soziologie wurde die persönliche Beziehung Freundschaft als Forschungsfeld lange Zeit kaum beachtet, und die Freundschaftssoziologie konnte sich erst Ende des 20. Jahrhunderts als neue Bindestrich-Soziologie im akademischen Diskurs etablieren. Gerade die Sattelzeit – als Übergangsphase zur Moderne – ist dabei von besonderem Interesse, da sich in diesem Zeitraum der tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüche ein neuer, moderner Typus von Freundschaft herausgebildet hat, der massgeblich das heutige Verständnis von Freundschaft prägt. Die Sattelzeit, in die auch die Lebenszeit Schuberts fällt, wird deshalb von Seiten der Soziologie gelegentlich als Jahrhundert der Freundschaft bezeichnet, und gerade im Hinblick auf das intellektuell-künstlerische Milieu wird ein emphatischer Freundschaftskult konstatiert. In dieser Masterarbeit werden die Erkenntnisse der Freundschaftssoziologie aufgegriffen und mit dem Leben und Wirken Franz Schuberts in Verbindung gebracht. Anhand eines sozialgeschichtlichen Ansatzes werden zum einen auf der Makroebene die Entstehung der besonderen Struktur dieser historischen Beziehungsform sowie ihre sozialpsychologischen und gesellschaftlichen Funktionen aufgezeigt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Differenzierung von anderen Sozialbeziehungen und den schichten- und geschlechterspezifischen Ausformungen von Freundschaft. Zum anderen werden auf der Mikroebene anhand einer Quellenuntersuchung die Ergebnisse der so- ziologischen Forschung mit der individuellen Ausformung der Freundschaft im Umfeld von Franz Schubert abgeglichen. Im Zentrum einer qualitativen Quellenanalyse stehen die beiden monumentalen Quellensammlungen Franz Schubert. Die Dokumente seines Lebens und Franz Schubert. Die Erinnerungen seiner Freunde, die vom Musikwissenschaftler Otto Erich Deutsch als Dokumentarbiographien konzipiert wurden. Die darin enthaltenen Dokumente (die von Schubert selbst oder von Personen aus dem sogenannten Schubert-Kreis stammen und von denen hauptsächlich die persönlichen Briefe und Dokumente von Interesse sind) wurden auf Kongruenzen und Differenzen mit den Ausführungen der Freundschaftssoziologie untersucht. Die untersuchten Quellen können des Weiteren Auskunft über die gelebten Praktiken der Freundschaft und der eng damit verbundenen Geselligkeitskultur geben. In der Masterarbeit wird die These vertreten, dass Franz Schuberts Freundschaften idealtypisch für die Ausprägung dieser Form von persönlichen Beziehungen im Milieu des aufstrebenden Bürgertums während der Sattelzeit waren. Ausserdem erhärtet die geleistete Untersuchung die Annahme, dass Schuberts künstlerisches Wirken stark von seinen Freunden beeinflusst wurde und seine Existenz in Wien als einer der ersten freischaffenden Komponisten – losgelöst vom traditionellen Mäzenatentum – erst durch Freundschaftsbeziehungen ermöglicht wurde.
Library ID
alma991170742687805501

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