Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
André
Holenstein
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2019/2020
Abstract
Die vorliegende Forschungsarbeit analysiert die Beziehung zwischen Albrecht von Haller (1708 – 1777) und Vinzenz Bernhard Tscharner (1728 – 1778). Ihr Verhältnis erscheint dadurch untersuchenswert, weil sich die beiden Akteure des Briefwechsels mit ihren unterschiedlichen Statuspositionen und Erfahrungen immer wieder in verschiedensten Lebenssituationen begegneten. Albrecht von Haller genoss in der europäischen Gelehrtenrepublik eine hohe Reputation und war auch als Dichter im deutschsprachigen Raum sehr prominent. Der politische Einfluss der Familie Haller blieb in Bern allerdings begrenzt, obwohl diese theoretisch regiments- und auch regierungsfähig war. Bei jeder Wahl in den Grossen Rat drohte der Familie Haller der politische und soziale Abstieg. Vinzenz Bernhard Tscharner stammte hingegen aus einer mächtigeren Patrizierfamilie und besass mehr Einfluss in der Berner Politik.
Die Masterarbeit untersucht, ob es sich bei dem Verhältnis dieser beiden Akteure eher um eine Patron-Klientel-Beziehung oder eher um ein Freundschaftsverhältnis handelte. Die Grundlage für die Untersuchung stellen die insgesamt 66 überlieferten Briefe dar, welche aus Tscharners wie auch aus Hallers Feder stammen. Die Schriftstücke wurden eigens für das Hallereditionsprojekt transkribiert und sind im Anhang der Forschungsarbeit sowie auf der Webseite (hallernet.org) bereitgestellt. Die Untersuchung der Korrespondenz fand auf mehreren Ebenen statt. Die Briefe wurden in einem ersten Teil hinsichtlich ihrer Quantität, Reziprozität, Sprache und ihres Schriftbilds analysiert. In den weiteren Kapiteln wurden die Schriftstücke auf ihren Inhalt untersucht.
Die Korrespondenz lässt sich zeitlich in zwei Phasen (1748 – 1752 und 1758 – 1763) aufteilen. Diese Gliederung erklärt sich dadurch, dass nur in Abwesenheit der Akteure der Brief als Kommunikationsmittel zum Einsatz kam.
Die erste Phase umfasst den Zeitraum von 1748 bis 1752. In dieser Zeit forschte und dozierte Albrecht von Haller als Professor in Göttingen, bevor er im Frühjahr 1753 nach Bern zurückkehrte. In dieser ersten Phase trat der fast zwanzig Jahre jüngere Vinzenz Bernhard Tscharner über Johann Jakob Bodmer (1698 – 1783) aber vor allem über Johann Georg Zimmermann (1728 – 1795) in Kontakt mit Albrecht von Haller. Als Verehrer von Hallers Gedichten übersetzte Tscharner diese in die französische Sprache. In dieser Phase berichtete Tscharner Haller von seiner Grand Tour und der Begegnung mit prominenten französischen und vor allem britischen Gelehrten, Dichtern und einflussreichen Persönlichkeiten, wie beispielsweise Edward Young (1683 – 1765). Als die Verlobung von Albrecht von Hallers Tochter Marianne mit Vinzenz Frisching aufgelöst wurde, versuchte Tscharner, sich zuerst als Mediator zwischen seinem Freund Frisching und der Familie Haller zu betätigen. Als diese Vermittlung erfolglos blieb, ergriff Tscharner die Partei für Haller.
Die zweite Phase der Korrespondenz umfasst die Jahre 1758 – 1763. In dieser Zeit hielt sich Albrecht von Haller in Roche auf, da er dort die lukrative Stelle als Salzdirektor übernehmen konnte. Während dieser Zeit taucht die Typographische Gesellschaft von Bern in den Briefen auf. Diese Sozietät, welche vor allem durch Vinzenz Bernhard Tscharner initiiert und mit einigen anderen Patriziern 1758 gegründet wurde, konzentrierte sich auf die Produktion und Verbreitung von Büchern. Tscharner trat gegenüber Haller als Verleger und Geschäftsmann auf. Die Briefe bieten hierbei Einblick in die Entstehung eines Druckwerkes und die damit verbundenen Aufwände und Komplikationen (Besorgung der Kupferstiche und des Papieres, Druckrechte, Übersetzungen etc.). Daneben dominiert während dieser Korrespondenzphase das Thema der Oekonomischen Gesellschaft von Bern, welche 1759 gegründet wurde. Haller und Tscharner übernahmen beide bedeutende Funktionen in dieser Sozietät.
Auch weitere Themen wie die Henziverschwörung, der Zürcher Gelehrtenstreit etc. tauchen in den Schriftstücken auf. Im Grossen und Ganzen erscheint das Themenspektrum in den untersuchten Briefen von Albrecht von Haller und Vinzenz Bernhard Tscharner sehr heterogen. Gerade dadurch bieten sie einen breiten Einblick in das Leben der beiden bekannten Berner Aufklärer und in ihre Epoche.