Die Selbstversenkung der kaiserlichen Hochseeflotte in Scapa Flow. Ludwig von Reuter zwischen Meuterei und Solidarität

AutorIn Name
Andreas
Muff
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2013/2014
Abstract
Ausgangspunkt dieser Masterarbeit ist die Revolution nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland, die ihren Ursprung bei meuternden Matrosen der Hochseeflotte hatte. Die Mannschaften, die aufgrund des Waffenstillstandvertrages vom 11. November 1918 in der zu den schottischen Orkney-Inseln gehörigen Bucht Scapa Flow interniert wurden und somit abgeschieden vom Geschehen in ihrem Heimatland lebten, waren durch die Ereignisse der Novemberrevolution geprägt. Es bildete sich ein Mikrokosmos, in dem Soldatenräte und Offiziere gegeneinander agierten. Dazwischen stand der Chef des Internierungsverbandes, Konteradmiral Ludwig von Reuter. Er lavierte zwischen den verschiedenen Standpunkten der Mannschaften, den Soldatenräten, der deutschen Regierung, dem Reichsmarineamt und der britischen Admiralität in London. Letztere wurde vor Ort durch das Wachgeschwader repräsentiert. Reuter war ein Marionettenspieler, der in den jeweiligen Situationen an jenen Fäden zog, die ihm und seinem Kommando den grösstmöglichen V orteil versprachen. Er selbst nannte es „das Spiel mit den sieben Kugeln“. Differenzen prägten das alltägliche Leben der Internierten. Das Vertrauen der Soldatenräte zum Offizierskorps war schwer erschüttert. Um ihren Anliegen Gehör zu verschaffen, hatten die Matrosen nach dem Ersten Weltkrieg gemeutert. Sie wollten mit Reformen ihre Stellung in der Marine verbessern. In Scapa Flow war die Unterdrückung der Matrosen durch die Offiziere ein alltägliches Problem. Beim Schreiben der Arbeit wurde folgenden Fragen nachgegangen: Wie war es möglich, dass die Angehörigen dieses Mikrokosmos in den Stunden der Versenkung einig und loyal zusammenarbeiteten? Wie gestalteten sich die Strukturen, die zu einer friedlichen Zusammenarbeit führten? War der Internierungsverband überhaupt noch länger lebensfähig oder war die Versenkung die logische Konsequenz? Durch die Analyse von Quellen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg im Breisgau konnte ein lebhaftes Bild davon gewonnen werden, wie die Besatzung abgeschieden in Scapa Flow lebte. Ab dem 26. November 1918 befanden sich 70, ab Januar 1919 gar 74 Schiffe in der schottischen Bucht. Diese wurde von einem britischen Wachgeschwader bewacht. Landgänge und das Besuchen der anderen Boote waren nicht erlaubt. Die deutschen und britischen Zeitungen wurden mit viertägiger Verspätung geliefert. Briefe und Telegramme mussten einer britischen Zensurstelle in London vorgelegt werden, was deren Ankunft um fast zehn Tage verlängerte. Aus diesem Grund war es schwer, mit dem Heimathafen in Kontakt zu bleiben. Im Internierungsverband entwickelten sich deshalb eigene Strukturen. Dabei übernahm vor allem das britische Wachgeschwader eine zentrale Funktion. Wenn die Zeichen auf Meuterei standen, drohte Reuter sofort mit einer britischen Intervention, d.h. der Aufstellung von britischen Wachen auf den Schiffen. Trotz der täglichen Probleme mit dem Aufrechterhalten der militärischen Disziplin wurde die kaiserliche Flotte am 21. Juni 1919 ohne Zwischenfälle versenkt. Von den 74 internierten Schiffen waren 52 auf Grund gegangen. Die restlichen 22 Boote waren nicht mehr fahrtüchtig, da sie zu sehr vom Wasser beschädigt worden waren. Die Besatzungen wurden als Kriegsgefangene in Gewahrsam genommen. Erst am 29. Januar 1920 betrat der Internierungsverband wieder deutschen Boden, da er bis dahin als Pfand für die Unterzeichnung des Friedensvertrages herhalten musste. Die Gründe für die reibungslose Selbstversenkung der Flotte sind in den Strukturen zu suchen. Diese machten den Internierungsverband auf längere Sicht nicht überlebensfähig, weil sie auf der antagonistischen Beziehung zwischen Offizieren und Matrosen gegründet waren. Der Verband brauchte eine neue Gemeinsamkeit, mit der sich potentiell alle identifizieren konnten. Reuters Befehl zur Versenkung kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Bis dahin hatte der revolutionäre Mikrokosmos zu Spannungen geführt. Nun fanden die Mannschaften einen gemeinsamen Punkt und führten den Befehl solidarisch aus.

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