Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
André
Holenstein
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2014/2015
Abstract
In der kurzen Zeit von 1653 bis 1658 traten die englische Republik unter der Führung Oliver Cromwells und die eidgenössischen Orte Zürich und Bern in eine intensive diplomatische Verbindung zueinander. Diese engen Beziehungen begannen mit der Sendung Johann Jakob Stokars nach London zur Vermittlung im Englisch- Holländischen Krieg und endeten mit der Rückberufung des seit 1654 in Zürich residierenden englischen Gesandten John Pell. Im Rahmen der Arbeit wird untersucht, welche Bedeutung dem Faktor Konfession dabei zukam, und wie sich dieser in Bezug auf Akteure, Ereignisse und Strategien auswirkte. Zudem wird danach gefragt, welches Interesse England einerseits und die re formierten Orte Zürich und Bern andererseits an engeren Beziehungen hatten, und wie sich eine Annäherung von sowohl der englischen Republik wie auch der beiden eidgenössischen Orte an Frankreich auf die englisch-eidgenössischen Verbindungen auswirkte.
Da die englisch-eidgenössischen Beziehungen der 1650er Jahre seit knapp hundert Jahren nicht mehr Thema einer spezifischen Untersuchung waren, wird in der vorliegenden Masterarbeit mit neuen historiographischen Ansätzen gearbeitet, u.a. mit Konzepten einer „Kulturgeschichte des Politischen“, der Diskursgeschichte, der akteurszentrierten Diplomatiegeschichte und mit Untersuchungen zum internationalen Protestantismus. Generell wird eine transnationale Perspektive eingenommen. Neben mehreren Editionen dienen primär die bis anhin teilweise unbearbeiteten Quellenbestände aus den Staatsarchiven Zürich und Bern sowie Konvolute aus der Abschriftensammlung im Bundesarchiv als Quellenkorpus. Den zeitlichen Rahmen der Untersuchung geben zwei Ereignisse – die Waldenser- verfolgung im Piemont 1655 und der Erste Villmergerkrieg 1655/1656 – vor.
Die gemeinsame Konfession wirkte in den untersuchten englisch-eidgenössischen Beziehungen als zentrales Verbindungselement, das die diplomatische Annäherung massgeblich gestaltete. Sowohl auf englischer wie auch auf eidgenössischer Seite waren die politischen Akteure eng mit der Geistlichkeit verflochten und die Geistlichen mit der Sphäre der Politik. Neben den Exponenten aus England und den reformierten Orten wirkten geistliche und politische Akteure aus weiteren protestantischen Gebieten – aus Genf, dem Dauphiné, den protestantischen Teilen des Piemonts und aus den Niederlanden – auf die englisch-eidgenössischen Beziehungen ein, weshalb diese nicht als rein bilaterale Verbindungen gesehen werden können. Die beiden untersuchten Ereignisse – die Verfolgung der piemontesischen Waldenser durch den Herzog von Savoyen und der Erste Villmergerkrieg zwischen Zürich und Bern einerseits, und den katholischen Inneren Orten andererseits – waren eng miteinander verflochten und durch Erwartungen an den jeweils anderen Partner geprägt. Während England ein dezidiertes und wenn möglich militärisches Vorgehen der reformierten Orte zugunsten der verfolgten Waldenser verlangte, wünschten sich Zürich und Bern eine finanzielle Unterstützung Englands für den Krieg gegen die katholischen Orte. Im Zuge dieser beiden Ereignisse kamen unterschiedliche Strategien zum Einsatz: Einerseits waren dies handfeste Strategien protestantischer Solidarität (von Bet- und Fastentagen über finanziellen und diplomatischen Beistand bis zur militärischen Intervention), die auf einen konfessionellen Schulterschluss abzielten und zudem eine spezifisch evangelische Identität betonten. Andererseits kamen rhetorische Strategien zur Anwendung, wobei den beiden Begriffen „Gemeines evangelisches Wesen“ und „Protestant Cause“ eine zentrale Funktion zukam. Diese diskursive Ebene stabilisierte einerseits die englisch- eidgenössischen Beziehungen, da sie überaus schnell eine Nähe zwischen England und den reformierten Orten generierte, doch wirkte sie sich gleichzeitig auch destabilisierend aus, weil durch eine religiöse Argumentation Erwartungen und Forderungen kommuniziert wurden, die im vorliegenden Fall mehrheitlich enttäuscht wurden.
Die englisch-eidgenössischen Beziehungen der 1650er Jahre können als „Spezialfall“ gewertet werden, da sie nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zum vorliegenden Grad an Intensität voranschreiten konnten. Sowohl England als auch die reformierten Orte hatten in der Anfangsphase der Beziehungen eine kritische Distanz zu Frankreich gewahrt, die allmählich aufgegeben wurde und im Verlauf der 1650er Jahre zu englisch-französischen, respektive eidgenössisch-französischen Verbindungen führen sollte. In England und den reformierten Orten sollte das religiös aufgeladene Klima, welches das Potential einer politischen Einigung aufgrund konfessioneller Gemeinsamkeiten gegen innen und gegen aussen hatte und damit eine englisch- eidgenössische Verbindung interessant machte, nicht von Dauer sein. Insgesamt hat sich die Konfession als starker transnationaler Faktor erwiesen, dessen umfassende Untersuchung in der Forschung hinsichtlich seiner zwischenstaatlichen und grenzüberschreitenden Wirkungsweise noch aussteht.