Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2010/2011
Abstract
Die Masterarbeit gliedert sich in drei Untersuchungsabschnitte. Der erste dient als Basis für die weiteren und geht auf die Entwicklung des Schallenhauses Bern zwischen 1614 und 1830 ein. Dabei werden zeitgenössische Strömungen, Konflikte und Ereignisse, die auf das Schallenhaus eingewirkt haben, vorgestellt. Der zweite Abschnitt widmet sich dem Zusammenspiel von theoretischen Vorgaben der Obrigkeit, realer Umsetzung im Schallenhaus und diversen Interaktionen in verschiedenen Lebensbereichen. Im dritten Abschnitt werden die Einträge der Gefangenenkontrollbücher der Jahre 1775-1777, 1795-1797 und 1815-1817 analysiert und mit den beiden vorangehenden Teilen in Verbindung gebracht. Das Schallenhaus Bern wurde 1614 nach Vorbild schon bestehender Zuchthäuser in anderen protestantischen Städten als erstes in der Eidgenossenschaft gegründet. Anlass waren die zahlreich umherstreifenden einheimischen und fremden Armen, die wegen Bevölkerungswachstum, Konflikten und Missernten kein normales Auskommen mehr fanden. In der zeitgenössischen Wahrnehmung aber galten arme Leute – Waisen und Invalide ausgenommen – als arbeitsfaul, genusssüchtig und potentiell kriminell. Die Haftstrafe im Schallenhaus sollte dazu führen, dass diese Leute mittels Arbeit und religiöser Unterweisung gebessert wurden und dann als brave, arbeitsame Mitglieder der Gesellschaft entlassen werden konnten. Diese Art von Haftstrafe war neu. Sie ergänzte den schon existierenden Strafkatalog, der unter anderem Verbannung, Brandmarkung, an den Pranger stellen und Hinrichtung umfasste. Wie diese sollte sie durch die Komponenten Strenge und Arbeit abschreckend wirken und die Leute von kriminellen Taten abhalten. Gleichzeitig kam mit der Absicht, die Häftlinge zu bessern, ein neues Element hinzu. Dass die neue Haftstrafe nicht unumstritten war, zeigt die Tatsache, dass das Schallenhaus bis 1630 zweimal geschlossen und wiedereröffnet worden war. Mittels einzeln erlassener Dekrete in den Ratsmanualen und den Polizeibüchern versuchte die Obrigkeit, den Betrieb im Schallenhaus zu regeln. Meistens wurden sie durch ein bestimmtes Problem verursacht und gaben eine Lösung vor. Ab 1783 existierte eine als modern gelobte Verordnung, die Rechte, Pflichten und Betrieb umfassend regelte. Sowohl die einzelnen Erlasse als auch die Verordnung von 1783 geben, gegen den Strich gelesen, Aufschluss über die tatsächlichen, realen Probleme und Zustände im Schallenhaus und über die Interaktionen zwischen den verschiedenen Beteiligten. Dank ihnen können Unterschiede zwischen Theorie und Realität beispielsweise in den Bereichen Geschlechtertrennung, Separation der Häftlinge nach Schwere ihres Vergehens, Arbeit, Versorgung und Entweichung ausgemacht werden. Dadurch erhält der Leser einen Einblick in verschiedenen Lebensbereiche des ersten Gefängnisses der Schweiz. Ergänzt werden die Erkenntnisse durch die Auswertung der Gefangenenkontrollbücher im dritten Teil. Die Daten umfassen Informationen zur Entwicklung der Gefangenenzahlen, den Deliktarten, der verordneten und effektiv abgesessenen Haftzeit, der Anzahl Entweichungen und des Anteils von Frauen und Wiederholungstätern.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die theoretischen Vorgaben der Obrigkeit in der Realität selten ganz, sondern meistens nur teilweise oder kaum umgesetzt wurden. Dies lag vor allem an den vielfältigen Interaktionen, die die Theorie in der Realität regelmässig untergruben. So entstammten die Aufseher, Zuchtmeister genannt, einer ähnlichen sozialen Schicht wie die Häftlinge und waren nicht gut bezahlt. Dies führte dazu, dass sie ihre Pflicht oft nur mangelhaft versahen oder sich von Häftlingen mit Geld bestechen liessen. So konnte es zu Schwangerschaften, Entweichungen, verbotenen Händeln und verschiedenen Absprachen kommen. Die Obrigkeit versuchte zwar mit zunehmenden Kontrollen und Strafandrohung das Personal zur Umsetzung ihrer Vorgaben zu bringen, doch meistens ohne Erfolg. Dieses zumindest partielle Versagen der Obrigkeit rief immer wieder Kritiker auf den Plan. Im Gegensatz zur mehrheitlich konservativ eingestellten Obrigkeit wollten sie humanistische und aufklärerische Erkenntnisse umsetzen. Sie prangerten die Missstände im Schallenhaus an und forderten Veränderungen. Allen Problemen zum Trotz hatte sich die Haftstrafe im Laufe der Zeit neben den anderen Strafarten etablieren können. Als 1830 ein neues Zuchthaus eingeweiht wurde und die Ära des Schallenhauses zu Ende ging, wurde ihre Existenzberechtigung nicht mehr angezweifelt.