Städtische Wasserversorgung und Abwasserentsorgung vom Spätmittelalter bis ins frühe 18. Jahrhundert

Nom de l'auteur
Yves
Keller
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Martin
Körner
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2000/2001
Abstract

Vergleichende wissenschaftliche Untersuchungen zur städtischen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind selten. In dieser Arbeit wurde daher unter Verwendung der historisch-komparativen Methode betrachtet, wie verschiedene Schweizer Städte diesen Problemen vom Spätmittelalter bis ins frühe 18. Jahrhundert begegneten. Als Fallbeispiele dienten die Städte Zürich, Bern, Genf, Luzern und Basel, welche nach den Gesichtspunkten Geographie, Herrschaft und Organisation, Technik, Nutzung sowie Diskurs verglichen wurden.

 

Die fünf Städte besassen bezüglich der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung mehr oder weniger vorteilhafte geographische Voraussetzungen. Während Genf, Luzern und Zürich von ihrer Lage am Seeausfluss profitieren konnten, lagen Basel und Bern an einem Flusslauf. Basel, Luzern und Zürich genossen zusätzlich den Vorteil von natürlichen Wasserläufen, welche das Stadtgebiet durchquerten. In Bern war eine direkte Nutzung der Aare einzig im Mattengebiet möglich. Zum Ausgleich besass die Stadt einen Stadtbach, wel- cher die Siedlung mit Brauch- und Löschwasser versorgte.

 

In allen Städten hatte der Rat die Oberaufsicht über Wasserversorgung und Entsorgung inne. In Zürich, Bern, Luzern und Basel waren seit dem 14. Jahrhundert dem Bauamt unterstellte Brunnenmeister – und in Bern schon seit dem 13. Jahrhundert der Bachmeister – für Bau und Unterhalt der öffentlichen Wasserversorgung zuständig. In Genf existierte bis ins 16. Jahrhundert kein solches Amt, was mit dem späten Ausbau des Quellwasserleitungsnetzes zusammenhängt.

 

Während die Stadt im Normalfall die Wasserversorgungsanlagen finanzierte, ging der Unterhalt der Entsorgungseinrichtungen meist auf Kosten der Privateigentümer. Einzig für die Müllabfuhr wurden in Bern, Luzern, Zürich und vermutlich auch in Basel schon im 14. bzw. 16. Jahrhundert Fuhrleute von der Obrigkeit angestellt. In Genf wurde die Mistabfuhr wegen der mangelnden Finanzkraft der Stadt an Private verpachtet.

 

Allein in Genf findet sich mit der 1699 gegründeten Chambre de la Netteté eine speziell für Entsorgungsfragen zuständige kommunale Institution. Diese Tatsache lässt sich mit der grossen Bevölkerung Genfs erklären, welche wegen des Zustroms von Glaubensflüchtlingen um 1700 nochmals stark anstieg, was das Entsorgungsproblem verschärfte. Basel besass zwar eine ähnlich zahlreiche Bevölkerung, war jedoch wegen des hohen Selbstorganisationsgrads im Bereich der Entsorgung und der günstigen geographischen Entsorgungslage nicht auf eine städtische Organisation angewiesen.

 

Die ersten technischen Einrichtungen zur Wasserversorgung waren allerorts Grundwasserbrunnen oder von Quellen auf dem Stadtgebiet gespeiste Brunnen. Zu den Elementen, welche die Obrigkeit zu Leitungsbauten veranlassen konnten, gehörten Dürreperioden, Seuchenzüge, Stadtbrände sowie demographische und wirtschaftliche Entwicklungen. Die Gewichtung dieser Faktoren war von Fall zu Fall unterschiedlich. Die Hauptursache des Ausbaus der kommunalen Wasserversorgung war die Steigerung des obrigkeitlichen Selbstbewusstseins im 14. Jahrhundert, welche sich in einer Sicherungspolitik auf dem Gebiet der städtischen Versorgung ausdrückte. Die Städte erweiterten ihre Wasserversorgung, um Bevölkerung und Wirtschaft besonders in gewässerfernen Gebieten mit Wasser zu beliefern.

 

Basel mit seiner grossen Einwohnerzahl erstand schon im frühen 14. Jahrhundert erste Quellwasserleitungen. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts folgten Zürich, Bern und Luzern mit dem Ausbau ihrer kommunalen Wasserversorgung. In Zürich entstanden zuerst die Limmatschöpfräder. Danach wurde, wie in Bern und Luzern, mittels aus Holz bestehender Röhren – der Holzdünkel – Quellwasser in die Stadt eingeleitet. Genf verzichtete aufgrund der militärischen Bedrohung durch Savoyen und der knappen Staatsfinanzen bis ins 16. Jahrhundert auf den Leitungsbau.

 

Auf dem Gebiet der Entsorgung bedienten sich alle fünf Städte ähnlicher Techniken. ‹berall existierten Ehgrabensysteme. Der Stadtbach, mit welchem die Ehgräben durchgespült wurden, machte in Bern die andernorts verwendeten Ehgruben überflüssig. In allen Städten begann man mit der systematischen Pflasterung von Strassen und Plätzen um das Jahr 1400. Die planmässige Anlage unterirdischer Kanäle fand einzig in Genf ab dem 18. Jahrhundert unter der Obhut der Chambre de la Netteté statt, was wiederum an der vergleichsweise grossen Bevölkerung und der dichten Besiedlung lag.

 

Die Nutzung des Wassers – als Trink-, Brauch- und Löschwasser – und der Entsorgungseinrichtungen war in allen Städten ähnlich, und daher glichen sich auch die Nutzungskonflikte. ‹bermässige Brunnennutzung durch Einzelne, Wasserverschmutzung durch das Gewerbe, Wassermangel wegen der Vielzahl der Privatbrunnen und undichte Ehgruben führten zu Klagen. ‹berall versuchte der Rat durch Regelungen und städteplanerische Massnahmen Konflikte im Voraus zu verhindern. Die verschmutzenden Gewerbe wurden an für die Entsorgung günstigen Lagen konzentriert, Mandate zur Sauberhaltung der Brunnen erlassen, Privatbrunnen bei Wassermangel abgeschaltet und Vorschriften zur Entsorgung aufgestellt. Hintergrund dieser Politik waren einerseits die obrigkeitliche Legitimation, welche unter anderem auf der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung und der Sicherung des Stadtfriedens durch Konfliktvermeidung beruhte, anderseits hygienische Überlegungen.

 

Die Analyse der Diskurse lässt Ansätze eines Konsenses bei der Argumentation auf den Gebieten Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erkennen. Der Ausbau der Wasserversorgung wurde mit deren Bedeutung im Brandfall sowie ihrer positiven Auswirkungen auf den Ruf der Stadt gerechtfertigt. Regelungen zur Sauberkeit begründete man mit der gesundheitsgefährdenden Wirkung verschmutzten Wassers und mit der Prestigesteigerung, die sie bewirken würden. Bei Verteilungsproblemen und Wassermangel argumentierte man mit dem Allgemeinwohl, das durch eine ungerechte Wasserverteilung bedroht sei.

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