Schweizer, steh zu deinen Bahnen! Die Sanierung der Schweizerischen Bundesbahnen (1920-1945)

Nom de l'auteur
Felix
Buchli
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Pfister
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2002/2003
Abstract

Obwohl die Schweiz verkehrspolitisch einen eigentlichen Sonderfall darstellt, hat die hiesige Geschichtsforschung für die Entstehung und Entwicklung des schweizerischen Eisenbahnwesens bislang verhältnismässig wenig Interesse gezeigt. Während Jahrzehnten dominierten hauptsächlich technikgeschichtliche Studien, die soziale, wirtschaftliche und ordnungspolitische Fragestellungen weitgehend ignorierten. Wenig Beachtung fanden dabei insbesondere finanzwirtschaftliche Aspekte, die sowohl im 19. als auch im 20. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung waren. Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten, mit denen sich der öffentliche Verkehr derzeit konfrontiert sieht, kommt der finanzgeschichtlichen Aufarbeitung der schweizerischen Eisenbahngeschichte deswegen gerade heute eine grosse Aktualität zu. Die Studie über die Sanierung der Schweizerischen Bundesbahnen (1920–1945) verfolgt das Ziel, der hierzulande noch wenig entwickelten Verkehrsgeschichtsforschung einen bisher unbekannten Teil der Unternehmensgeschichte der SBB zu erschliessen.

 

Am Ausgangspunkt der Untersuchung steht dabei ein Überblick über die frühe Geschichte der Bundesbahnen (1852–1918), der insbesondere den wachsenden Interventionismus des Bundes fokussiert. Letzterer gipfelte 1898 in einer Verstaatlichung der fünf wichtigsten Privatbahnen, mittels derer die seit langem bestehenden Strukturprobleme des schweizerischen Eisenbahnwesens ein für alle Mal beseitigt werden sollten. Die anfänglich beinahe schon euphorisch gefeierte Verstaatlichung verwandelte sich jedoch schon bald in ein finanzpolitisches Problem, das schliesslich selbst die Kreditwürdigkeit des Bundes in Mitleidenschaft zu ziehen drohte. Bereits Mitte der 1920er Jahre wurde deshalb deutlich, dass eine grundlegende Sanierung der Bundesbahnen unumgänglich war. Die ökonomischen Ursachen, die zu dieser Entwicklung führten, sind dabei allerdings nur schwer quantifizierbar. So lässt es sich etwa nur grob abschätzen, wie 18

weit die strukturelle Schieflage der Bundesbahnfinanzen auf die immer stärker werdende Automobilkonkurrenz zurückzuführen war. Mehr als eine detailgetreue Rekonstruktion der Finanzlage zu verstehen, versucht der zweite Hauptteil deshalb allgemein, auf die strukturelle Bedingtheit der Bundesbahndefizite hinzuweisen.

 

Das daran anschliessende Kapitel legt das Gewicht seinerseits mehr auf die zeitgenössische Perzeption der Finanzkrise. Hier ist insbesondere die Frage zu beantworten, worin die Unternehmensleitung die Finanzschwäche der SBB begründet sah und mit welchen Mitteln sie dieser zu begegnen suchte.

 

Als angesichts des ungebremst weiter wachsenden Schuldenberges das Scheitern der betriebsinternen Rationalisierungsmassnahmen anfangs der 30er Jahre deutlich wurde, sah sich der Bund zu einer finanziellen Intervention gezwungen. Die Politik hatte dabei zu entscheiden, unter welchen finanzund ordnungspolitischen Vorzeichen sich der unausweichlich gewordene Staatseingriff vollziehen sollte. Die grundver- schiedenen Vorstellungen, die dabei aufeinander prallten, werden im vierten Hauptteil dargestellt. Orteten die bürgerlichen Anhänger einer finanz- politischen Austeritätspolitik die Hauptursache der finanziellen Probleme der SBB primär in der Überregulierung des Bahnsektors, so versuchte die politische Linke der Notlage der Bundesbahnen mit einem verstärkten Engagement des Bundes zu begegnen. Ihre Fundamentalopposition gegen jeglichen Abbau des „Service public” war dabei primär von der Sorge um die Erhaltung des sozialpolitischen Status quo geprägt.

 

In der Folge entbrannte zwischen den beiden grossen politischen Blöcken ein heftiger Kampf, der 1938 zu einer Blockade und der vorläufigen Rückweisung der Sanierungsvorlage führte. Erst als die besonderen Umstände des Zweiten Weltkrieges die Überwindung der sozialpolitischen Gräben möglich machten, fand die auf Wahrung der innenpolitischen Stabilität bedachte bürgerliche Mitte zu einem Kompromiss mit der Linken. Das Nachsehen hatte dabei der Wirtschaftsfreisinn, dessen Forderung nach einer zurückhaltenden, an ökonomischen Kriterien orientierten Ordnungspolitik des Staates ungehört verhallte. Mit Blick auf die verkehrs- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen der Nachkriegszeit schien einer breiten Mehrheit der Bundespolitiker die Strukturerhaltung im Eisenbahnwesen wichtiger als die wirtschaftliche Rentabilität der Bundes- und Privatbahnen. In diesem Sinne markierte die Bundesbahnsanierung von 1944/45 eine entscheidende Etappe auf dem Weg in Richtung einer zunehmend institutionalisierten Subventionierung der schweizerischen Bahnunternehmen durch den Bund.

 

Die Arbeit wird in der Reihe „Berner Forschungen zur Regionalgeschichte“ vom Verlag Traugott Bautz publiziert (www.bautz.de).

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