Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Sacha
Zala
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2019/2020
Abstract
Diese Arbeit beleuchtet die Geschehnisse rund um die Westafrikareise von Bundesrat Pierre Aubert. Als Aussenminister begab er sich anfangs 1979 auf eine zweiwöchige Reise, um den westafrikanischen Ländern Nigeria, Kamerun, Obervolta (heutiges Burkina Faso), Elfenbeinküste und Senegal als erster Schweizer Bundesrat einen offiziellen Besuch abzustatten.
Zu Beginn als rein politische «Goodwill-Tour» ohne wirtschaftliche Hintergedanken gedacht, entstand um die Westafrikareise rasch eine Kontroverse über Sinn und Zweck solcher Reisen, woraus sich eine Grundsatzdebatte über die Rolle der Schweiz in der Welt und deren Aussenpolitik entwickelte. Soll die Schweiz über wirtschaftliche Kontakte hinaus Beziehungen zum Ausland pflegen? Die Arbeit rekonstruiert diese Tour durch Afrika, hebt deren zentrale Stellen hervor und bietet Erklärungsansätze, weshalb eine aus heutiger Sicht unspektakuläre Reise für derart viel Wirbel sorgte und die Medien über mehrere Wochen beschäftigte.
Während die Reisediplomatie international schon lange alltäglich war, herrschte in der Schweiz wenig Verständnis für diplomatische Kontaktpflege. Hatte eine Auslandsreise nicht den Abschluss eines Handelsvertrages oder zumindest eine internationale Konferenz zum Ziel, war ein solches Unterfangen der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln. Das alleine reicht zur Erklärung für das grosse Aufsehen und die vehemente Kritik am Besuch fünf afrikanischer Staaten jedoch nicht.
Erklärungen für die Aufregung in der Bevölkerung wie auch in der Politik lassen sich auf der Struktur- und Akteursebene finden: Die offensive Aussenpolitik Auberts aktivierte die bestehende aussenpolitische Konfliktlinie. Diese durchzieht sich bis heute zwischen einem humanitär- kooperativ orientierten Lager und einem isolationistischen Lager. Letzteres zeichnet sich durch eine extensive Neutralitätsvorstellung aus. Hier lassen sich zwei diametral verschiedene Ansichten über die Rolle des neutralen Kleinstaates und dessen geeignete Aussenpolitik feststellen. Während das kooperative Lager die Intensivierung diplomatischer Kontakte grundsätzlich befürwortete, kollidierten derartige aussenpolitische Aktivitäten mit der Neutralitätsvorstellung des isolationistischen Lagers.
Hinzu kam die Problematik um die wirtschaftliche Verflechtung der Schweiz mit dem südafrikanischen Apartheidstaat, die im Rahmen der Westafrikareise virulent wurde. Eine Kombination aus undiplomatischen und teils unglücklichen Äusserungen von Aubert und einer nigerianisch-schweizerischen Erklärung, welche die Apartheid verurteilte, erregte heftigen Widerspruch und brachte viel Ressentiment gegenüber den antikolonialen Bewegungen in Afrika hervor. Die klare Positionierung Auberts gegen die Apartheid wurde zudem als Missachtung der Neutralität gewertet.
Zusätzlich angeheizt wurde die Kontroverse durch Auberts unbekümmerte und direkte Art, die manche Kritiker im Widerspruch zur «helvetischen Nüchternheit» sahen. Der Romand steigerte sich in der Deutschschweiz rasch zur politischen Reizfigur. Tatsächlich beschränkte sich das Lager der Kritiker der Westafrikareise und Auberts Aussenpolitik auf die Deutschschweiz.
Während eine aktivere Aussenpolitik, wie sie Aubert mittels Intensivierung diplomatischer Kontakte sowie der Verurteilung der Apartheid an den Tag legte, in der Romandie durchgehend anerkannt wurde, lehnte in der Deutschschweiz ein gewichtiger Teil des bürgerlichen Lagers diese Politik teils vehement ab. Es kann in diesem Zusammenhang von einem «aussenpolitischen Röstigraben» gesprochen werden.
Unvorsichtige Kommunikation, die klare Stellungnahme gegen das südafrikanische Apartheidregime und die extensive Neutralitätsvorstellung einer Öffentlichkeit, die noch kein Verständnis aufzubringen vermochte für die Reisediplomatie sowie ein Aussenminister, der die Präsenz der Schweiz auf der internationalen Bühne stärken wollte, führten schliesslich zu dieser letzten grossen Debatte über Bundesratsreisen. Die grossangelegte Westafrikareise bildete den entscheidenden und abschliessenden Schritt im Normalisierungsprozess der schweizerischen Reisediplomatie. Die Öffentlichkeit hat sich seither an reisende Bundesräte und die diplomatische Kontaktpflege gewöhnt, die über die blosse Funktion eines Bundesrates als «Handelsreisender» hinausgeht.
Die Quellen wurden grösstenteils im Bundesarchiv recherchiert. Hinzu kam das amtliche Bulletin der Bundesversammlung. Audio- und Bildmaterial zur Westafrikareise lieferte das SRG-Archiv FARO Web.
Library ID
alma991043196399705501