Panelbericht: Materieller Reichtum in christlichen Frauenklöstern und -stiften im mittelalterlichen Europa

Auteur du rapport
Sandra
von Euw
Universität Zürich
Citation: von Euw Sandra: « Panelbericht: Materieller Reichtum in christlichen Frauenklöstern und -stiften im mittelalterlichen Europa », infoclio.ch Tagungsberichte, 12.08.2019. En ligne: <https://www.doi.org/10.13098/infoclio.ch-tb-0217>, consulté le 05.12.2024

Verantwortung: Claudia Sutter / Stefan Sonderegger
Referierende: Referierende: Yvonne Arras / Anne Diekjobst (abgesagt) / Claudia Sutter



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Klöster, die von aussen betrachtet vor allem als Ort des Rückzugs, der Stille und des Gebets wahrgenommen werden, gleichen eigentlich eher Grosshaushalten, die sich genauso wie weltliche irgendwie finanzieren müssen. Mit diesem Vergleich eröffnete STEFAN SONDEREGGER (St. Gallen) das Panel, das sich mit dem materiellen Reichtum in christlichen Frauenklöstern und -stiften im mittelalterlichen Europa beschäftigte. Es mag zu einem gewissen Grad erstaunen, dass in einer Zeit, in der Frauen nur über eine eingeschränkte Selbstständigkeit in Rechtsgeschäften verfügten, auch Frauenklöster eigenständig zu wirtschaften wussten und dies erfolgreich taten. Insofern war Reichtum in Frauenklöstern – entgegen vielen Klischees – sehr wohl vorhanden und manifestierte sich unter anderem in Grundbesitz, in Archiven, in Bauwerken und in Bargeld. Durch ihn gelang es den Klöstern eine gewisse Machtposition einzunehmen, die auch gegen aussen hin sichtbar war. Auf welche Weise dieser Reichtum generiert und anschliessend verwaltet wurde, erläuterten die beiden Referentinnen in ihren Beiträgen.

Im ersten Beitrag behandelte YVONNE ARRAS (Balingen/Deutschland) die Relevanz der klösterlichen Archive und machte auf die Bedeutung der darin aufbewahrten Urkunden für die Erforschung des materiellen Wohlstands der Nonnenkonvente aufmerksam. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit dem äusserst wohlhabenden süddeutschen Dominikanerinnenkloster Kirchberg, das 1237 von Graf Burkhard II. von Hohenberg errichtet und in der Folge der Säkularisierung 1806 aufgehoben wurde. Arras diskutierte in ihrem Beitrag die These, ob sich der materielle Reichtum jenes Klosters auch in der bemerkenswert soliden, umsichtigen und vorausschauenden Archivführung begründet. Vieles, wie etwa die territoriale Ausbreitung innerhalb von zweieinhalb Jahrhunderten und die gewinnbringende Verwaltung des Eigentums, spricht dafür. Ein wichtiger Grundstein wurde 1516 gelegt, als mit der Einführung einer neuen Hausordnung die Archivierung von Rechnungen und Urkunden festgelegt wurde. Diese Neuerung widersprach grundlegend den traditionellen klösterlichen Regeln des Dominikanerordens, die statt einer Modernisierung der Archivierung eigentlich eine Rückbesinnung auf die Auslegung der Regel im Sinne des Ordensgründers Dominikus anstrebten. Für das Kloster Kirchberg besass eine stringente Archivverwaltung einen sehr hohen Stellenwert, weshalb das ganze Klosterarchiv wenig später in den ersten Jahren der Reformation ausserhalb des Klosters in Sicherheit gebracht wurde. Wichtige Besitzurkunden, die für den materiellen Reichtum des Klosters existenziell waren, blieben so trotz mehrerer schwerer Raubzüge und Klosterstürme erhalten. Die Auslagerung des Archivs ermöglichte nach dem Bauernkrieg 1524/25 einen beachtlichen Wiederaufbau des Klosters. Yvonne Arras sieht das als Beleg, der ihre These bestätigt: Das Kloster Kirchberg konnte bei Streitigkeiten immer seine Original-Urkunden vorlegen und damit seine Besitzansprüche legitimieren. Insofern lag der Schlüssel zu seinem wirtschaftlichen Erfolg durchaus auch in der umsichtigen Führung des Klosterarchivs.

Im zweiten Beitrag erläuterte CLAUDIA SUTTER (Zürich) die Frage, inwiefern der Weinbau grundlegend zum materiellen Reichtum eines Klosters beitragen konnte. Am Beispiel des Dominikanerinnenklosters St. Katharinen in St. Gallen zeigte sie auf, wie die Nonnen dort ab dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts versuchten, mit gezielten Ankäufen von Rebbergen und Zubehör ihren Reichtum zu vergrössern und ihre Machtposition vor Ort zu festigen. Das Kloster war seit seiner Gründung 1228 eng mit der Stadt verbunden und nahm durch seine Lage in deren Zentrum eine prominente Rolle im städtischen Leben ein. Mit seiner Aufnahme ins Bürgerrecht der Stadt St. Gallen 1376 wurde das Kloster steuerpflichtig und sah sich nun mit finanziellen Forderungen konfrontiert. Inwiefern dieser Umstand mit dem Rebbau in Verbindung zu bringen ist, untersuchte Claudia Sutter anhand zweier Quellen: zum einen anhand des Konventsbuch, in dem zu 90 % besitzrelevante Jahresrechnungen festgehalten wurden. Diese enthielten sämtliche Einnahmen, Ausgaben und Investitionen und wurde von der Schaffnerin erstellt. Sie hatte innerhalb des Klosters die Aufgabe, das gesamte Vermögen zu verwalten. Neben der Priorin und der Subpriorin wird sie in den Quellen am häufigsten erwähnt. Zum anderen untersuchte Claudia Sutter das Urbar, das den Nonnen als Besitzverzeichnis diente. Drei Hauptthesen leiteten die Analyse: Erstens habe es ab 1420 eine Konzentration auf den Kauf und die Bewirtschaftung von Rebbergen gegeben. Des Weiteren nimmt Claudia Sutter an, dass die Erlöse aus dem Weinverkauf in die Bautätigkeit investiert wurden. Darüber hinaus sei der Weinbau selbsttragend gewesen, so die dritte These der Referentin. Eine detailliert Quellenanalyse des Konventsbuch mit den Jahresrechnungen und des Urbars zeigten jedoch, dass sich keine der drei Thesen belegen lässt. Es konnte keine spezifische Zunahme der Käufe festgestellt werden, genauso wenig eine Investition der Erlöse in die Bautätigkeit. Obschon zwischen 1483–1528 insgesamt 70’000 Liter Wein verkauft wurden, waren die Ausgaben im Weinbau immer höher als die Einnahmen daraus, was ihn für das Kloster grundsätzlich zu einem Verlustgeschäft machte. Trotzdem musste sich der Weinbau für die Nonnen und das Kloster gelohnt haben – in welcher Form jedoch musste offenbleiben.

In der abschliessenden Diskussion lag der Fokus auf der Frage, ob die Nonnen über ein Bewusstsein ihres Reichtums verfügten. Die Nachfrage, ob es auch im Alltag der Nonnen gewisse Berührungspunkte mit wirtschaftlichen Aspekten, wie beispielsweise die Vergrösserung des Besitzes, gab, konnten beide Referentinnen bejahen. Im Fall des Klosters Kirchberg war die territoriale Vergrösserung des Besitzes die einzige Einnahmequelle für die Dominikanerinnen. Novizinnen wurden hier nur aufgenommen, wenn sie über Besitz verfügten. Auch die Nonnen des Klosters St. Katharina in St. Gallen wiesen ein ausgeprägtes Bewusstsein von Reichtum auf. Viele Klosterfrauen kamen aus der St. Galler Oberschicht und verfügten über Vermögen, das sie bei ihrem Eintritt ans Kloster abgeben mussten. Sowohl Yvonne Arras als auch Claudia Sutter betonten jedoch, dass vor allem das „Wir“ der Klostergemeinschaft im Vordergrund stand und nicht die einzelne Nonne. Die Panelbeiträge zeigte mit seinen interessanten Fragestellungen und seinen innovativen Ansätzen bis anhin noch unbekannte Facetten von materiellem Reichtum in christlichen Frauenklöstern und -stiften auf. Die Ausführungen beider Referentinnen liessen erkennen, welches Potential in der Erforschung von Klosterarchivalien noch vorhanden ist.

 

Panelübersicht:

Arras, Yvonne: Klosterarchive als Wohlstandsgaranten. Wie die historische Überlieferung Nonnenkonventen materiellen Reichtum bescheren konnte

Diekjobst, Anna: Reichtum als gesellschaftliches Integrationsmedium. Oder: Wenn Nonnen wirtschaften (abgesagt)

Sutter, Claudia: In vino divitiae ac potestas? Nonnen und ihre Rebberge



Dieser Panelbericht ist Teil der infoclio.ch-Dokumentation zu den 5. Schweizerischen Geschichtstagen

Evènement
5. Schweizerische Geschichtstage
Organisé par
Schweizerische Gesellschaft für Geschichte und Universität Zürich
Date de l'événement
Lieu
Zürich
Report type
Conference