Weibliches Exil. Drei jüdische Frauen aus Wien und die Schweizer Flüchtlingspolitik von 1938 bis 1955

Nom de l'auteur
Joel
Sollberger
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Julia
Richers
Institution
Historisches Seminar
Lieu
Bern
Année
2023/2024
Abstract

Als Österreich im Jahr 1938 vom nationalsozialistischen Deutschland annektiert und dem Dritten Reich „angeschlossen“ wurde, hatte dies fatale Auswirkungen für die jüdische Bevölkerung. Rund eineinhalb Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte diese Annexion zu einer der grössten Fluchtwellen Europas im 20. Jahrhundert. In kürzester Zeit ergriffen über 100'000 jüdische Männer und Frauen aus Österreich die Flucht vor dem NS-Terror. Rund 5'500 bis 6'500 Personen suchten dabei aufgrund der geografischen Lage als Nachbarland Zuflucht in der Schweiz. Dabei trafen sie auf ein fremdenfeindliches Klima in einem Land, in welchem die Gefahr einer vermeintlichen „Überfremdung“ die behördliche Politik bestimmte.

 

Die Schweizer Flüchtlingspolitik und die Rolle der Schweiz im Zeitraum des Zweiten Weltkriegs gilt als eines der meistbeleuchteten Kapitel der jüngeren Schweizer Geschichte. Der Fokus der Forschung lag dabei jedoch lange Zeit auf behördlichen Akteur:innen und weniger auf den von dieser Politik Betroffenen. Dies vermochte sich in jüngerer Zeit zu ändern, aber gerade betroffene Frauen wurden dabei von der Forschung oftmals vernachlässigt. Aus diesem Umstand ergibt sich eine Forschungslücke, der mit dieser Arbeit entgegengewirkt werden soll. Im Zentrum stehen dabei drei Einzelschicksale jüdischer Frauen, die im Jahr 1938 in der Schweiz kamen und vor dem nationalsozialistischen Terror Schutz suchten. Mit einer engen Betrachtung der Quellen in Form von Personendossiers des Schweizerischen Bundesarchivs und des Archivs für Zeitgeschichte der ETH Zürich werden dabei drei weibliche Einzelschicksale rekonstruiert und dahingehend untersucht, wie sich die exemplarisch herausgearbeiteten Merkmale der Schweizer Flüchtlingspolitik auf diese Biografien bemerkbar gemacht und ausgewirkt haben. Mittels „close-reading“ werden die Mikrodynamiken der Schweizer Flüchtlingspolitik mit Blick auf die drei betroffenen Frauen herausgearbeitet. Für die Untersuchung wurden dabei drei Frauen ausgewählt, deren sozio-ökonomische Eigenschaften sich unterscheiden. Damit soll ein möglich breites Spektrum weiblichen Exils in der Schweiz abgedeckt werden. So wurden die Einzelschicksale einer verheirateten, einer verwitweten und einer alleinstehenden Frau hinsichtlich der Schweizer Flüchtlingspolitik untersucht. Nebst der Rekonstruierung der Einzelschicksale soll dadurch das Bild der jüdischen Frau, die in die Schweiz floh, genauer skizziert werden. Aus den drei Einzelschicksalen lassen sich schliesslich generelle wie auch geschlechtsspezifische Tendenzen erkennen. Dabei wird etwa deutlich, dass die Handlungsspielräume der drei Frauen auch von ihrem Geschlecht abhingen. Weiter spielen damals geltende Geschlechterrollen im Rahmen patriarchaler Strukturen eine wichtige Rolle. Schliesslich zeigt sich, wie vielfältig sich die starren, allgemeingültigen Merkmale der Schweizer Flüchtlingspolitik wie etwa das Credo der raschen Weiterwanderung in ein Drittland, Eigeninteressen, die Ambivalenz, Willkür und Intransparenz auf die Leben der drei jüdischen Frauen während ihrer Zeit im Schweizer Exil ausgewirkt haben. Generell wird anhand der Geschichten der drei Frauen deutlich, welche tiefgreifenden Auswirkungen die von einem Staat verfolgte Flüchtlingspolitik auf einzelne Lebensläufe haben kann.

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