Strukturanpassung als Entwicklungsstrategie. Eine explorative Studie am Beispiel Ghanas 1983-1993

Nom de l'auteur
Stefan
Indermühle
Nom du professeur
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Lieu
Basel
Année
1999/2000
Abstract

Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Ghana zeichnete sich in den zwei Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit von 1957 durch einen relativen Rückschritt aus. Der Höhepunkt der Krise im Jahre 1982/83 wurde durch die klimatischen Bedingungen akzentuiert. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war ungenügend und die industrielle Produktion lag darnieder. Die Regierung hatte weder Zugang zu Devisen noch war sie angesichts der weit verbreiteten Korruption in der Lage, Steuern in angemessener Weise einzufordern. In dieser Situation sah sich die selbsternannte Führungsclique um den Fliegerleutnant Jerry J. Rawlings gezwungen, mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) den Aussenhandel auf eine tragbare Basis zu stellen. Mit dem Memorandum vom 18. Februar 1983 war der Grundstein gelegt für eine sogenannte Strukturanpassung, welche in der Folge bis 1993 in mehreren Etappen konsequent durchgeführt wurde.

 

Die gegenwärtige Krise in Indonesien zeigt, welch schwerwiegende Konsequenzen die Sanierungskonzepte von Weltbank und IWF haben können. Es ist deshalb von grossem Interesse, die Wirkungsweise einer auf Liberalisierung und Exportförderung ausgerichteten Reformpolitik anhand der jüngsten Geschichte zu prüfen. Für die Ökonomen Kappel und Landmann (Die Schweiz im globalen Wandel, 1997:89) kann „niemand mit ernstzunehmenden Argumenten“ die Strukturanpassung in Frage stellen. Entgegen dieser Einschätzung äussert beispielsweise Amin (Die Zukunft des Weltsystems, 1997:83) Zweifel daran: „Dieses Management schafft längst nicht die Bedingungen einer Erholung, sondern rückt sie in weite Ferne.“ Bereits 1983 gestartet und in umfassender Weise durchgesetzt, bildet das Economic Recovery Programme des oft zitierten „Musterschülers“ Ghana günstige Voraussetzungen für eine Überprüfung dieser Entwicklungsstrategie im Kontext Afrikas südlich der Sahara.

 

Die eigentliche Herausforderung dieser Studie bestand nun darin, eine Darstellungsform der historischen Ereignisse zu finden, welche Aussagen zulassen über die Zusammenhänge zwischen so unterschiedlichen Aspekten wie der Zahlungsbilanz oder der Geldmenge (makroökonomische Steuerung) und der landwirtschaftlichen Produktion oder der Armutssituation (gesellschaftliche Entwicklung). Aufgrund der unter den Entwicklungsökonomen breiten Akzeptanz der Ziele und Mittel der Strukturanpassung wurde dieses Konzept als ein erstes Beurteilungsraster beigezogen. Danach sollte dank der Strukturanpassung ein Wirtschaftswachstum eingeleitet werden, welches als Voraussetzung für eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung verstanden wird. Die Umsetzung erfolgt durch ein Reformpaket, das auf den zwei Pfeilern Stabilitätspolitik und Anpassungspolitik beruht. Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Ziele und Mittel der Programme der 1980er und 1990er Jahre kaum von den ersten Modellen der Entwicklungsökonomie in der Nachkriegszeit. Die ergriffenen Massnahmen der Strukturanpassungspolitik in Ghana wurden entsprechend dieser theoretischen Vorgaben in einen Funktionszusammenhang gestellt und beurteilt. Um dem Anspruch einer gesamtgesellschaftlichen Sicht auf die Entwicklung Ghanas gerecht zu werden, wurden in einem zweiten Beurteilungsraster die strukturellen, historischen Kriterien erarbeitet. Bei der Beurteilung anhand der zwei Raster wurde auf einen breiten Fundus an gedruckten Quellen zurückgegriffen. Weil aus arbeitsökonomischen Gründen auf eine Gewichtung der einzelnen Befunde verzichtet wurde, trägt die Studie einen explorativen Charakter. Im Widerspruch zu dem unter Ökonomen weit verbreiteten Optimismus über die Funktionsweise der Strukturanpassung erbrachte diese historische Analyse wesentliche Vorbehalte bezüglich der Wirksamkeit der makroökonomischen Steuerung. Die Misserfolge bei einer der Zielgrössen, der Inflationsbekämpfung, galt dabei als besonders bedenklich. Ausserdem beruhten gewisse Erfolge auf nicht selbsttragenden, nicht nachhaltig wirkenden Effekten (z.B. gewisse Wachstumseffekte).

 

Sobald nun diese Resultate mit den Ergebnissen aus dem zweiten Beurteilungsraster konfrontiert werden, lassen sich daraus interessante Bezüge herstellen. Eines der Hauptresultate liegt darin, dass der informelle Sektor und die Subsistenzwirtschaft einen wesentlichen Anteil an den Anpassungskosten zu verarbeiten hatten und dass dort ausserdem ein wesentlicher Beitrag zum Wachstum erbracht wurde, während gleichzeitig – entgegen der Zielsetzung – der formelle Sektor (gemessen an den Arbeitsplätzen) weiter schrumpfte. Das scheinbar erfolgreiche Wirtschaftswachstum stützte sich weder auf die Expansion von Produktionskapazitäten noch auf Produktivitätsfortschritte. Diesbezügliche Ausnahmen bildeten die mit hohen Aussenkrediten versorgten Exportindustrien, allen voran der Goldsektor. Abgesehen davon wurde der Kapitalstock nicht ausgebaut und die Basis der Kapitalverwertung kaum verbessert. Die strukturellen Probleme (Aussenabhängigkeit, Fragilität, Exportstruktur) wurden nicht überwunden. Der relative Erfolg der neoliberalen Reformen brachte nicht eine erstarkte Wirtschaft sondern lag - wenn schon - in der Rehabilitierung und Erneuerung staatlicher Strukturen.

 

Auf der theoretischen Ebene wurde der zentrale Schwachpunkt der Strukturanpassung in der nicht adäquaten Vorstellung des Verhältnisses zwischen Wirtschaft und Gesellschaft erkannt. Die angestrebten ökonomischen Gleichgewichte werden kurzfristig destabilisiert und gleichzeitig wird die langfristige Wirkung der Massnahmen untergraben. Weil die Mobilisierung der Produktivkräfte nicht gelingt, wird die Perspektive auf nachhaltiges, endogenes Wachstum und auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung insgesamt in Frage gestellt. Um das bestehende theoretische Defizit zur Erklärung gesellschaftlicher Entwicklung zu beheben, ist die Geschichte gefordert, die Zusammenhänge der gesellschaftlichen Entwicklung und der monetären und makroökonomischen Grössen aufzuzeigen.