Falschmünzerei im Berner Oberland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1803 – 1848)

Nom de l'auteur
Marco
Stirnemann
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2022/2023
Abstract

Am 9. Juli 1810 fällte das Oberste Appellationsgericht des Kantons Bern sein Urteil gegen 18 Männer aus der Umgebung von Meiringen. Ihr Vergehen: Falschmünzerei. Gemessen an der Anzahl beteiligter Personen handelt sich dabei um den grössten Fall von Falschmünzerei, der zwischen 1803 und 1848 im Berner Oberland entdeckt werden konnte. In den anderen Fällen desselben Zeitraumes waren stets deutlich weniger Personen involviert gewesen. Allerdings zeigt sich auch hier, dass an der Herstellung und Ausgabe falscher Geldstücke fast immer mehrere Personen beteiligt waren. Einzeltäterinnen und Einzeltäter gab es nur wenige. Stattdessen waren es meist Gruppen von zwei bis drei Personen gewesen, welche gemeinsam falsche Münzen verfertigten und in Umlauf setzten. Eine Beobachtung, welche auch den Ausgangspunkt für die hier vorliegende Forschungsarbeit darstellte. In dieser wurde der Frage nachgegangen, weshalb es sich bei Falschmünzerei oft um ein Gruppendelikt handelte und wie man sich die gemeinsame Vorgehensweise der Falschmünzer:innen genau vorstellen kann.

 

Um dies zu beantworten, wurden verschiedene Gerichtsakten zu insgesamt 30 Fällen von Falschmünzerei untersucht. Darunter Verhörprotokolle, Urteilsverkündungen sowie diverse Korrespondenzschriften. Konkret wurden dabei jene 30 Fälle betrachtet, welche zwischen 1803 und 1848 von einem der sieben Amtsgerichte des Berner Oberlandes beurteilt wurden und bei welchen die Falschmünzer:innen zuvor wenigstens einen Teil der falschen Münzen ebenfalls im Oberland hergestellt hatten. Im Zuge dieser Fälle wurden insgesamt 114 Personen wegen Falschmünzerei verurteilt. Ihre protokollierten Aussagen geben dabei Aufschluss über ein Delikt, zu dessen Erscheinungsformen im 19. Jahrhundert bislang nur wenige Forschungsarbeiten erschienen sind.

 

Anhand der besagten Quellen konnte schliesslich herausgefunden werden, dass Falschmünzer:innen oftmals wegen fehlender Ressourcen zu einem gemeinsamen Vorgehen gezwungen waren. Entweder fehlte es ihnen am notwendigen handwerklichen Fachwissen, um Münzen herzustellen oder sie verfügten nicht über das erforderliche Material und Werkzeug dazu. Wer wusste, wie man falsche Geldstücke anfertigen würde, tat sich deshalb mit jemandem zusammen, der über Zugang zum benötigten Material verfügte und umgekehrt. Abgesehen von einem solchen Mangel an Ressourcen, lässt sich die Zusammenarbeit von Falschmünzer:innen aber auch durch die gemeinsame Wohn- oder Arbeitssituation erklären. So gab es Menschen, welche mit dem Giessen oder Prägen von Geldstücken das Interesse ihres näheren Umfeldes weckten und welche ihr Vorhaben daraufhin mit den Mitgliedern ihres Haushaltes oder ihrer Werkstätte in die Tat umsetzten.

 

Gemessen an der Qualität der falschen Geldstücke waren die im Berner Oberland aktiv gewesenen Falschmünzer:innen in der Regel nicht sehr erfolgreich. Die meisten von ihnen wurden bereits kurz nach der ersten Ausgabe ihrer Münzen angezeigt und verhaftet. In jenen Fällen, in welchen die Beteiligten für mehrere Monate oder gar Jahre einer Anzeige entgehen konnten, zeigt sich aber, dass Falschmünzerei nie eine längere Zeit am Stück betrieben wurde. Die Menschen gingen nur während weniger Stunden, Tagen oder Wochen der Herstellung falscher Geldstücke nach, bevor sie das Vorhaben für unbestimmte Zeit wieder ruhen liessen. Auch zeigt sich, dass sich die Falschmünzer:innen im Laufe der Zeit immer wieder mit anderen Personen zusammentaten, um dem Giessen oder Prägen von Münzen nachzugehen. Es waren längerfristig also nie die gleichen Personen gewesen, welche miteinander Falschmünzerei betrieben hatten. Aus diesem Grund mag es auch etwas befremdlich erscheinen, wenn gewisse Gruppen von Falschmünzer:innen in den Quellen als Banden, Gesellschaften oder Societäten bezeichnet werden. Schliesslich handelte es sich bei denselben nicht etwa um eingeschworene Gemeinschaften mit einem ausgeprägten Gruppenzusammenhalt, sondern eher um lose und zeitlich begrenzte Zusammenschlüsse. Allerdings wird damit auch gleich ein Sachverhalt aufgezeigt, der bislang vor allem im Zusammenhang mit historischen Räuberbanden festgestellt werden konnte. Nämlich, dass die Verwendung von Begrifflichkeiten wie Banden oder Gesellschaften primär der Vereinfachung von komplexen Beziehungsmustern diente und nicht zwingend auf kriminelle Vereinigungen mit klaren Organisationsstrukturen hinweisen musste. Auch die als Bande oder Societät bezeichneten 18 Männer aus Meiringen gaben sich nicht alle gleichzeitig und gemeinschaftlich mit dem Giessen falscher Münzen ab. Stattdessen handelte es sich bei ihnen um Falschmünzer, die in wechselnden Zusammensetzungen von jeweils zwei bis sechs Personen der Verfertigung von Geldstücken nachgingen.

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