Die Arbeit beschäftigt sich mit den Erfahrungen der Teilnehmenden der dritten und vierten Schweizer Ärztemission an die Ostfront. Zwischen Ende 1941 und Anfang 1943 kamen insgesamt vier Schweizer Ärztemissionen an diesen Frontbereich zu Stande. Die Missionen wurden aus neutralitätspolitischen Gründen nicht vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) durchgeführt, sondern von einem neu gegründeten privaten „Komitee für Hilfsaktionen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes“. Im Zuge der dritten Mission reisten die Schweizer:innen in das heutige Lettland und in den russischen Nordwesten. Die vierte Mission führte die Missionsteilnehmenden in die heutige Ukraine und das heutige Russland. Somit wird in dieser Arbeit sowohl eine Missionbeleuchtet, welche die Schweizer:innen nahe an die Front brachte, als auch eine weitere, die eher im ruhigeren Hinterland verortet war. Unabhängig davon war die Teilnahme an einer Schweizer Ärztemission eine einmalige Gelegenheit, Einblick in den Lazarettalltag im Osten Europas zu erhalten. Zudem kamen die Missionsteilnehmenden, welche allesamt in deutschen Lazaretten tätig waren, in Kontakt mit verschiedenen Menschen und Landschaften. Kern der Masterarbeit sind die persönlichen Erfahrungen der Missionsteilnehmenden, wie sie in verschiedenen Missionsberichten und Reisetagebüchern festgehalten wurden. Durch die Analyse von insgesamt 21 solcher Berichte und tagebuchartigen Aufzeichnungen von Missionsteilnehmenden erfolgt eine Untersuchung der Erfahrungen der Schweizer:innen und bringt diese miteinander in Verbindung. Die Masterarbeit fragt danach, inwiefern der humanitäre Charakter der Missionen in den Quellen Thema ist, wie die Missionsteilnehmenden den Raum „Osten“ und die darin lebenden Menschen beschreiben und wie sich die Dichotomie von Krieg (Front) und Frieden (Heimat) in den Aufzeichnungen niederschlägt. Weitere Untersuchungsfelder sind die Gestaltung der Beziehung zum Personal vor Ort, das Wissen der Schweizer:innen über deutsche „Gräueltaten“ in den besetzten Ostgebieten, sowie in den Berichten vorgebrachte Gedanken zu medizinisch-technischen Erfahrungen und deren Nutzen für die Schweiz. Die Untersuchung der Selbstzeugnisse zeigt, dass zwischenmenschliche Erfahrungen – neben den medizinisch-technischen – bei den Missionsteilnehmenden einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Insbesondere mit ihren deutschen Kolleg:innen verstanden sie sich in den meisten Fällen sehr gut, was zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit führte. Die Art und Weise, wie die Beteiligten über die Landschaft und die Menschen des „Ostens“ schrieben, entspricht in vielerlei Hinsicht einem tradierten und auf Stereotypen basierenden Diskurs, der sich auch in anderen west- und mitteleuropäischen Schriften finden lässt. Der Krieg und seine Auswirkungen waren omnipräsent, was sich auch in den Quellen widerspiegelt. Er war auch Gegenstand zahlreicher politischer Diskussionen, die an der Ostfront rege geführt wurden. Dabei kamen vereinzelt auch die deutschen Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten und an sowjetischen Kriegsgefangenen zur Sprache, was zeigt, welch tiefen Einblick die Schweizer:innen in das Kriegsgeschehen erhalten haben.
Von der Schweiz an die Ostfront: Die Erfahrungen der Teilnehmenden der dritten und vierten Ärztemission 1942/43
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
PD Dr. phil
Daniel Marc
Segesser
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2023/2024
Abstract