Die tamilischen Schutzsuchenden und die schweizerische Asylpolitik in den Jahren 1983 bis 1985. Vier Tamil:innen erzählen von ihrer Anfangszeit in der Schweiz

Nom de l'auteur
Derya
Bozat
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Dr.
Francesca
Falk
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2022/2023
Abstract

In den ersten zwei Jahren seit dem Kriegsausbruch in Sri Lanka 1983 stellten fast 5000 Menschen aus Sri Lanka ein Asylgesuch in der Schweiz. Die srilankischen Staatsbürger:innen bildeten in diesem Zeitraum nach den Kurd:innen die zweitgrösste Gruppe der Asylgesuchsteller:innen in der Schweiz.

Mit zwei Tamilinnen und zwei Tamilen, die zwischen 1983 bis 1985 ihr Asylgesuch in der Deutschschweiz gestellt hatten, wurden für diese Masterarbeit Oral History-Interviews geführt. Bei allen war ihre Anfangszeit in der Schweiz von der Asylpolitik bestimmt. Das bedeutet, ihr Leben war vom Warten auf den Asylentscheid geprägt, wobei von den vier interviewten Personen lediglich ein Asylentscheid positiv bewertet wurde. Anhand des Konzepts des Asyl- und Migrationsregimes und gestützt auf Quellen des Schweizerischen Bundesarchives wurde das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), als ausführender Akteur in Bezug auf die Prüfung der tamilischen Asylgesuche, untersucht. Dies diente dazu, den asylpolitischen Rahmen, an dem sich die vier Oral History-Interviewpartner:innen orientieren mussten, zu erläutern und ihren Handlungsspielraum in ihrer Anfangszeit in der Schweiz zu analysieren und dabei auch zu vergleichen. Die Kombination dieser Methoden verfolgte das Ziel, die bisher fehlende Perspektive der (ehemaligen) Asylgesuchsteller:innen ins Zentrum der Untersuchung zu stellen und damit ein Forschungsdesiderat in der Schweizer Migrationsgeschichte etwas zu schliessen, respektive eine neue Stossrichtung zu eröffnen.

Die analysierten Quellen aus dem Bundesarchiv haben gezeigt, dass der ausführende Akteur des Asyl- und Migrationsregimes, das EJPD, im ganzen Untersuchungszeitraum bestrebt war, die Schweiz als unattraktives Asylland darzustellen. Das bedeutet, dass zum einen die grosse Mehrheit der Asylentscheide negativ ausfielen und zum anderen auch positiv bewertete Asylgesuche zurückgehalten wurden. Bemerkenswert war die ablehnende Haltung von Seiten des schweizerischen Asyl- und Migrationsregimes. Nachedm der Krieg in Sri Lanka im Sommer 1983 ausbrauch und Organisationen wie Amnesty International, Hilfswerke und engagierte Menschen aus der Zivilbevölkerung das EJPD in verschiedensten Formen auf den Krieg aufmerksam gemacht hatten, stufte dieses die Lage in Sri Lanka dennoch nicht als Krieg ein. Dies zeigte sich insbesondere darin, als auf Druck der genannten Organisationen im Mai 1984 ein Rückschaffungsstopp für Asylgesuchsteller:innen aus Sri Lanka eingeführt worden war. Nur fünf Monate später wurde das Rückschaffungsstopp aufgehoben und im Dezember 1984 auf erneuten Druck wieder eingeführt, wobei dieses nun explizit für tamilische Asylgesuchsteller:innen galt. 1986 wurde das Rückschaffungsstopp definitiv aufgehoben.

Neben den erläuterten Entscheidungen des EJPD im Untersuchungseitraum wurden drei Punkte herausgearbeitet, welche in allen vier Oral History-Interviews die wichtigsten Themen bildeten und den vorgegebenen Rahmen durch das Asyl- und Migrationsregime in ihrer Anfangszeit zusätzlich direkt aufzeigten. Dies waren der (zugeteilte) Wohnort, die Möglichkeit Deutsch zu lernen und die Suche nach einer Arbeitsstelle.

Drei der Interviewpartner:innen wurde nach demStellendesAsylgesucheseinOrtzumWohnen zugewiesen. Einzig eine Interviewpartnerin konnte in die Wohnung ihres Ehemannes ziehen. Die divergierenden Wohnformen bedeuteten verschiedene Kontaktmöglichkeiten mit anderen Geflüchteten und für die beiden interviewten Männer auch die Möglichkeit, einen Deutschunterricht besuchen zu können. Für alle war die Fähigkeit, Deutsch zu sprechen, der ausschlaggebende Faktor, um in der Schweizer Gesellschaft Fuss zu fassen. Trotz der fehlenden Anerkennung der Ausbildungen waren alle bemüht, eine Arbeit zu finden oder die zwei Jahre während des Arbeitsverbotes sinnvoll zu gestalten. Doch auch wenn sich alle vier Handlungsspielräume schaffen konnten, mussten sie sich dem Takt der „bürokratischen Zeit“ unterordnen. Dabei war das mehrjährige Warten auf den Asylentscheid auch von der Hoffnung geprägt, innerhalb von zwei Jahren wieder zurückkehren zu können. Nur eine Interviewpartnerin stellte sich auf eine längere Zeit ein und engagierte sich daher stark für die tamilische Diaspora. Auch war das Warten davon geprägt, Informationen aus Sri Lanka von den Angehörigen im Krieg zu erhalten. Hierbei war es vor allem der Briefkontakt, der dies ermöglichte und später die kostenintensiven Telefonanrufe. Hinzu kam, dass drei der vier Interviewpartner:innen von Rassismuserfahrungen und auch Gewalt durch die Fremdenpolizei und der lokalen Bevölkerung be- richteten.

 

 

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