Im 19. Jahrhundert interpretierten viele westeuropäische Zeitgenossinnen und Zeitgenossen den allmählichen Zusammenbruch des Osmanischen Reiches als kulturellen
Kampf um die eigentliche Vormachtstellung in Europa. Ähnlich wie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende des 20. Jahrhunderts, schien das Osmanische Reich im Begriff zu sein, nicht nur in einem politischen, sondern auch in einem universalistischen Sinne zu verlieren. Die damit in Zusammenhang stehende Diskussion rund um die Orientalische Frage bestimmte immer wieder die Medienberichterstattung, vor allem wenn es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich kam.
Dieser Masterarbeit lag die Leitfrage zugrunde, inwiefern sich das Türkenbild in zwei repräsentativen Schweizer Zeitungsorganen aufgrund von geänderten politischen und kulturell-religiösen Kontexten verändert hat. Zwei Kriege, in denen die europäischen Westmächte und das Osmanische Reich involviert waren, dienten als Eingrenzung des Untersuchungszeitraumes. Zu Zeiten der Griechischen Aufstände (1821 – 1830) wirkten die Türken als Feindbild zum Imaginationsraum „Europa“. Die „europäische“ Kultur wurde in der schweizerischen Berichterstattung ex negativo über die Türken definiert. Zu Zeiten des Krimkrieges (1853 – 1856) wichen „bedrohliche“ Zuschreibungen „exotisierenden“ Charakterisierungen. Die Türkenbilder können im Krimkrieg als Sinnbilder des Fortschritts verstanden werden. Dies aufgrund der Annahme, dass sich die „neue“ Türkei, dank Reformen, „Emanzipation“ der Christen sowie dem Zulassen von Industrialisierung, an europäische „Fortschritts-Standards“ anzupassen schien.
Unter anderem bildeten die Phänomene des Orientalismus und Philhellenismus, die in dieser Masterarbeit als Räume des europäischen „Bewusstseins“ aufgefasst werden, Imaginationsmechanismen, welche einen wichtigen Einfluss auf die Fremdwahrnehmung der Türken ausübten. Die Konzepte der europäischen Orientalismusforschung werden folglich auch für einen Schweizer Kontext anwendbar, obwohl die Schweiz im 19. Jahrhundert keine Kolonialmacht war.