Verdienen nicht dienen! Vom Opferideal zum Lohnkampf. Legitimation von Ungleichheit von Männern und Frauen im historischen Wandel am Beispiel der Krankenpflege. 1980er-90er Jahre

Nom de l'auteur
Thea
Rytz
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Brigitte
Studer
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
1998/1999
Abstract

Der SBK-Vorstand der Berner Sektion beschloss im Frühjahr 1997, „eine historische Aufarbaitung des Lohnkampfes des Berner Pflegepersonals“ in Auftrag zu geben. Er versprach sich von einer „geschichtlichen Dokumentation“ eine „Grundlage zur Ableitung von Sensibilisierungs- und Informationsmassnahmen für die Öffentlichkeit und das Personal“. Die Lizentiatsarbeit ist in diesem Zusammenhang im Auftrag des SBK/BE entstanden.

 

Seit 1987 hat sich die Berner Sektion des SBK grundlegend politisiert. Diese These ist Ausgangslage meiner historischen Aufarbeitung des Lohnkampfes des Berner Pflegepersonals. Unter Politisierung verstehe ich, bezogen auf diesen frauendominierten Berufsverband, dass sich dieser als Kollektiv definiert und dass er die spezifischen Interessen seiner Mitglieder – die sich aus deren Arbeitssituation, deren beruflichen Anforderungen und deren Diskriminierung als Angehörige eines typischen Frauenberufes ergeben – wirkungsvoll gegenüber ArbeitgeberInnen und Staat zu vertreten sucht. Politische Einflussnahme, Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Forderungen des Pflegepersonals, sowie die Bereitschaft, politischen Druck auszuüben (beispielsweise durch Proteste, Demonstrationen, Petitionen, Lohnklagen), deute ich als Ausdruck der Politisierung.

 

Politische Aktionen der Berner Sektion des SBK lösten nicht nur Konflikte mit anderen Interessengruppen aus, sondern stiessen auch unter den Pflegenden selbst und innerhalb des Verbandes auf Widerstand. So behaupteten und befürchteten Pflegende, ihr Berufsethos lasse ein politisches Selbstverständnis nicht zu. Eine historische Darstellung über die Berufskonstruktion der Krankenpflege im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gibt im ersten Kapitel Aufschluss darüber, wie eine eigentliche Interessenvertretung der Pflegenden als ArbeitnehmerInnen damals verhindert wurde. Der medizinische Hilfsberuf stand in direkter Abhängigkeit von der Medizin und diente der Professionalisierung der ÄrztInnenschaft. Der Berufsverband des Pflegepersonals war ebenfalls auf die Interessen Berufsfremder ausgerichtet und hat daher eine gewerkschaftspolitische Einflussnahme der Pflegenden lange aktiv verhindert. Aus dem zweiten Kapitel geht hervor, wie sich die berufsfremde Dominanz auf die Interessenvertretung der Pflegenden ausgewirkt und wie sie sich bis in die späten 80er Jahre entwickelt hat.

 

Die spezifischen Abhängigkeiten und Hierarchien, sie sich aus dieser Berufskonstruktion ergaben und die stark im beruflichen Selbstverständnis der Pflegenden verankert waren (und zum Teil nach wie vor sind), konnten nur durchbrochen werden, so meine These, weil ein gewerkschafts- und gleichstellungspolitischer Professionalisierungsprozess innerhalb der Berner Sektion des SBK und vom Pflegepersonal selbst aktiv vorangetrieben worden ist. Ich unterteilte dabei zwei Phasen:

 

Die erste gewerkschaftliche Politisierung, die ich im dritten Kapitel erörterte, begann mit Protesten des Pflegepersonals gegen die Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen. Die Berner Sektion des „Verbandes des Personals öffentlicher Dienste“ unterstützte diese Proteste massgeblich und initiierte im Frühjahr 1987 die gewerkschaftspolitische Zusammenarbeit mit der Berner Sektion des SBK und anderen kleineren Berufsverbänden. Im Rahmen der „Berner Spitalbewegung: zäme geit’s“ setzte sich die Berner Sektion des SBK ab 1987 wirkungsvoll für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. 

 

Gleichstellungspolitische Strategien gewannen allerdings erst ab Mitte der 90er Jahre innerhalb des SBK/BE deutlich an Gewicht: die offensive Lohngleichstellungspolitik als Antwort auf die sparpolitischen Entscheide im Zusammenhang mit der neuen Besoldungsrevision und die Proteste gegen die Finanzpolitik des Kantons Bern deute ich als zweiten Politisierungsschub. In dieser zweiten Phase setzte sich die Berner Sektion des SBK nicht nur gewerkschaftspolitisch für die Interessen des Pflegepersonals ein, sondern kämpfte vor allem auch gegen die Lohndiskriminierung der Krankenpflege als typischen Frauenberuf. Dieses verstärkte gleichstellungspolitische Engagement des SBK/BE ist im vierten Kapitel der Lizentiatsarbeit dargestellt. Beide Phasen der Politisierung waren von einem Wandel des beruflichen Selbstverständnisses begleitet und sind nur vor dem Hintergrund einer - 56 - gesamtschweizerischen Gleichstellungspolitik, insbesondere auch innerhalb der Gewerkschaften zu verstehen.

 

Meine theoretischen und methodischen Überlegungen richten sich auf die Frage nach der Verknüpfung der politischen Handlungsebene mit der Ebene der beruflichen Selbstdefinition. Mit einer Argumentationsanalyse decke ich auf, wie einzelne AkteurInnen und Handlungskollektive durch diskursive Deutungen Wirklichkeit konstruieren und wie ihr jeweiliges Selbstverständnis je nach Deutung differierte. Gleichzeitig untersuche ich dabei, welche spezifischen Interessen sich hinter unterschiedlichen Problemdeutungen verbergen und wer sich aufgrund von welchen Machtverhältnissen mit seiner oder ihrer Deutung durchsetzen kann. Aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive untersuche ich, wie die Kategorie Geschlecht in diesen Deutungsprozessen gesellschaftsstrukturierend wirkt.

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