Der Bergsturz von Elm am 11. September 1881. Ursache und gesellschaftliche Bewältigung einer menschgemachten Naturkatastrophe

Nom de l'auteur
Hans Peter
Bläuer
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Pfister
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
1998/1999
Abstract

Am Abend des 11. September 1881 lösten sich in der Glarner Gemeinde Elm während drei kurz aufeinander folgenden Einzelstürzen etwa 10 Mio m³ Fels vom Tschingelberg, wo seit mehreren Jahren qualitativ hochwertiger Schiefer im Tagbau abgebaut worden war. Nachdem die privaten Konzessionen Ende 1878 abgelaufen waren, wurde das Bergwerk seit 1879 unter Gemeinderegie betrieben und bildete einen willkommenen Nebenerwerb für die lokale Bevölkerung. Obwohl schon lange Vorzeichen für einen bevorstehenden Felssturz bestanden hatten, erwartete bis auf wenige, ungehört gebliebene Warner niemand ein Ereignis derartigen Ausmasses. Dieser und andere unglückliche Umstände - wie etwa die durch die Geländebeschaffenheit erfolgte Ablenkung der Schuttmasse in Richtung des unteren Dorfteils - waren dafür verantwortlich, dass 114 Personen bei dieser Katastrophe ums Leben kamen und ein Schaden von etwa 1,53 Mio Franken enstand.

 

Der Bergsturz von Elm wurde schon von seinen Zeitgenossen in auch noch heute gültiger Weise ausführlich analysiert und beschrieben. In der vorliegenden Arbeit wurde nun aber versucht, dieses Ereignis in seiner ganzen gesellschaftlichen Dimension aufzuarbeiten, in der Einsicht, dass Naturkatastrophen sowohl in ihrer historischen Einmaligkeit wie auch eingebettet in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden müssen. Der örtlich und zeitlich eng begrenzte Rahmen des Ereignisses „Bergsturz“ wurde deshalb zugunsten einer ganzheitlicheren Betrachtungsweise ausgedehnt. Dafür wurde auf zeitgenössische Publikationen und Illustrationen zurückgegriffen, ergänzt durch Aktenbestände des Landesarchivs Glarus und die Berichterstattung mehrerer schweizerischer Tageszeitungen, welche nach regionalen und politischen Kriterien ausgewählt worden sind.

 

Einen ersten Teil der Arbeit bildet die Ursache des Bergsturzes. Es handelte sich ja eigentlich um eine menschgemachte Naturkatastrophe, verschuldet durch einen unsachgemässen Schieferabbau und menschliches Fehlverhalten. Zwar waren diese Zusammenhänge nach dem Ereignis allen Beteiligten bekannt und wurden auch vom ETH-Geologieprofessor Albert Heim, der den Elmern nach dem Ereignis auch als Experte behilflich war, klar aufgezeigt. Gesellschaftlich wurden sie jedoch nicht weiterkommuniziert, vielmehr wurde die Katastrophe in den Massenmedien und Publikationen als ein verheerendes Naturereignis beschrieben. Man thematisierte die Ursache bestenfalls nur kurz und widmete sich dafür in ausführlichen Schilderungen dem vor Ort herrschenden Leid. All dies geschah in der Absicht, die unmittelbar nach dem Ereignis angelaufene gesamtschweizerische Spendensammlung nicht zu gefährden.

 

Der zweite Teil der Arbeit schildert die Art und Weise der Katastrophenbewältigung nach dem Ereignis. Sie war hauptsächlich vom Willen geprägt, so schnell wie möglich wieder Normalität zu schaffen und zu den Verhältnissen, wie sie vor dem Bergsturz geherrscht hatten, zurückzukehren. Innerhalb weniger Jahre wurden dann auch fast alle seine Spuren erfolgreich beseitigt. Dies war nur möglich, indem die verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereiche das Ereignis jeweils in ihrem Kontext und mit ihren spezifischen Mitteln bewältigten. Besonders wichtig war dabei auch das finanzielle Solidaritätsnetz, das in der sofort nach dem Bergsturz organisierten Spendensammlung seinen Ausdruck fand. So wurden in weniger als sechs Monaten bis Ende Februar 1882 insgesamt 1,006 Mio Fr. gesammelt. Diese Summe war ausreichend, um 74% der Schadenssumme zu decken.

 

Diese in Geld ausgedrückte gesellschaftliche Solidarität thematisiert der dritte Teil der Arbeit. Sie verlief grösstenteils entlang nationaler Linien, wobei der grossen Zahl von Auslandschweizern eine nicht zu vernachlässigende Rolle zukam. Aus allen Erdteilen, wo sich ausgewanderte Schweizer niedergelassen hatten, trafen Spenden ein, allen voran aus Amerika. Insgesamt stammte mehr als ein Viertel der Spendensumme aus dem Ausland. Aber auch in der Schweiz war das Echo - vor allem im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Spendensammlungen - sehr gross, und es beteiligten sich 

schätzungsweise gegen hunderttausend Menschen daran.

 

Die Arbeit versucht, einen Beitrag zur Geschichte von Spendensammlungen anlässlich von Katastrophen zu leisten, da in diesem Bereich bisher erst sehr wenig Forschung betrieben worden ist.

 

Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass Formen einer solchen Solidarität eine lange Tradition aufweisen und dass die Spendensammlungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf standardisierte Weise abgelaufen sind, indem ein ad hoc gebildetes Hilfskomitee einen Spendenaufruf erliess und die Verteilung der Spendengelder übernahm.

 

Einen letzten Schwerpunkt bilden die Dokumente und Bilder zum Bergsturz. So wurde das Ereignis bereits mit modernen wissenschaftlichen Methoden dargestellt und erklärt, aber auch in populären Publikationen thematisiert. Bei den Bildern existiert ebenfalls eine breite Palette: von Fotografien über exakte Lithographien bis hin zu eher etwas phantastischen Bildern.

 

Insgesamt behandelt meine Arbeit einerseits den Bergsturz von Elm als einmaliges, konkretes Ereignis, andererseits macht sie auch Aussagen über die damalige Gesellschaft und zwar über die Art und Weise, wie sie mit dieser Katastrophe umgegangen ist.

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