Schweizer Opfer japanischer Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg. Die erlittenen "Körperschäden" und ihre Entschädigungen

Nom de l'auteur
Sandro
Rudin
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Brigitte
Studer
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2003/2004
Abstract

Nach einer dreihundertjährigen Isolation und einer einhundertjährigen unglaublichen wirtschaftlichen und militärischen Expansion begann Japan 1941 mit der Errichtung eines asiatischen Grossreichs und drängte die ehemaligen europäischen und amerikanischen Kolonialmächte innert einem Jahr bis nach Indien und Neuguinea zurück. Die vierjährige Gegenoffensive der nun alliierten ehemaligen Kolonialmächte unterband zwar einen Grossteil der japanischen Nachschubtransporte, führte aber wegen der sich aufgrund von instrumentalisierten Traditionen selbstmörderisch verteidigenden Japaner nur zur Rückeroberung von einem knappen Drittel der ursprünglich verlorenen Gebiete. Erst die beiden Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki vermochten den japanischen Kriegswillen zu brechen.

 

Bei der Eroberung und während der Besetzung der Gebiete verübten die Japaner eine Reihe von Handlungen, die aufgrund des internationalen Völkerrechts als Kriegsverbrechen eingeordnet werden müssen und damit entschädigungspflichtig waren. Diese Verbrechen betrafen auch zahlreiche Auslandschweizer. Weil die Japaner jedoch viele Schweizer Vertretungen geschlossen und die Kommunikation mit der an deren Stelle für zuständig erklärten Gesandtschaft in Tokyo unterbrochen hatten, erhielt das Eidgenössische Politische Departement (EPD) erst gegen Ende des Krieges Berichte über Schweizer Opfer von so genannten Körperschäden. Noch im August 1945 überwies Japan für diese Opfer oder deren Angehörige die „Philippinenmillion“, musste die diplomatischen Beziehungen mit der Schweiz aber nach der Kapitulation abbrechen; im Gegenzug beschloss der Bundesrat die Sperrung der japanischen Guthaben auf Schweizer Banken. Aufgrund der vom EPD nach dem Vorbild der alliierten Kommissionen zusammengestellten Forderungen beschlagnahmte der Bundesrat im Frühjahr 1946 2‘426‘693.- Franken dieser gesperrten Guthaben für die Entschädigungen der Opfer von Körperschäden; im Dezember 1949 wurde diese Summe vergütet. Die nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen im Juni 1952 begonnenen Entschädigungsverhandlungen führten im Januar 1955 zu einer Vereinbarung, in der die Japaner diese Beschlagnahmung akzeptierten und der Überweisung weiterer 12‘250‘000.- Franken für die Entschädigungen der Opfer von Sachschäden zustimmten; erst nach der Überweisung wurden die restlichen japanischen Guthaben auf Schweizer Banken wieder freigegeben. Im Mai 1955 beschloss der Bundesrat für die Bewertungen der Sachschäden die Bildung einer speziellen Kommission.

 

Die Lizentiatsarbeit untersucht die entsprechenden im Bundesarchiv aufbewahrten Akten und befasst sich neben einer ausführlichen Aufarbeitung der soeben zusammengefassten Geschichte der Entschädigungsaktionen insbesondere mit einer detaillierten Auswertung der durch das EPD bewerteten Körperschäden. Diese Auswertung zeigt, dass an Auslandschweizern ausserhalb von Anstalten vorwiegend leichte bis mittlere Verbrechen verübt wurden, für die den Japanern meist bloss eine passive Schuld übertragen werden konnte; bei den innerhalb von Anstalten verübten mittleren bis schweren Verbrechen lag hingegen vorwiegend eine aktive Schuld vor, hier wurden mittels schlechter Lebensbedingungen und Folterungen auch die meisten dauernden Gesundheitsschäden hervorgerufen – in der Tat waren die Lebensbedingungen in den Anstalten Sandro Rudin, derart schlecht und die Folterungen derart brutal, dass die dauernde Schädigung der Gesundheit oder der Tod der Verhafteten als eigentliches Ziel der Japaner betrachtet werden muss. Weiter wird festgestellt, dass die Verbrechen an Auslandschweizern im Gegensatz zu den allgemein verübten Verbrechen nicht verstärkt gegen Kriegsende, sondern gleichmässig während der gesamten Besatzungszeit erfolgten und damit meist keinen direkten Zusammenhang mit den Versorgungsengpässen, den verbitterten Verteidigungskämpfen oder anderen Folgen des Kriegsverlaufs aufwiesen. Ausserdem ergibt ein Blick auf die Opfergruppen, dass vorwiegend Männer in einflussreichen Positionen wie beispielsweise Diplomaten Opfer von Verhaftungen und damit schweren Verbrechen wurden.

 

Angesichts der Tatsache, dass Angehörige neutraler Staaten im Gegensatz zu Angehörigen Krieg führender Staaten gemäss Völkerrecht nicht nur aufgrund ihrer Nationalität interniert werden durften (womit die Auslandschweizer nach dem Einmarsch der Japaner zu den wenigen Weissen gehörten, die sich im asiatischen Grossreich frei bewegen konnten), liegt die Vermutung nahe, dass in den Anstalten (unter anderem) gezielt eine Ausschaltung Weisser in einflussreichen Positionen erfolgte. Diese Erkenntnisse und Überlegungen führen also zur These, dass die völkerrechtlich geschützten, aber unerwünschten Weissen besonders in wichtigen Positionen mittels pseudo-rechtsstaatlicher Verhaftungen „aus dem Verkehr gezogen“ und in den Anstalten längerfristig geschwächt oder gar eliminiert werden sollten. Auslandschweizer wurden deshalb nicht wie der Grossteil der Weissen interniert, sondern unter wesentlich schlechteren Bedingungen inhaftiert und waren meist Folterungen ausgesetzt.

 

Insgesamt wurden 197 Sch weizer und damit mindestens jeder zehnte Schweizer im asiatischen Raum Opfer von Körperschäden.

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