Mission und Wissenstransfer. Der Beitrag katholischer Missionare zur veränderten Fremdwahrnehmung in Europa um 1700 am Beispiel P. Angelus a Sancto Iosephs, OCD

Nom de l'auteur
Carine
Neuenschwander
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Windler
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2008/2009
Abstract


Das späte 17. und frühe 18. Jahrhundert war eine Zeit der grundsätzlichen Umdeutung und Veränderung der europäischen Weltsicht und muss als Achsenzeit der europäischen Geschichte gesehen werden. So lautet die These, welche Paul Hazard in seinem 1935 erstmals erschienen Werk über die „Crise de la conscience européenne“ formulierte. In der jüngeren Geschichtsforschung hat diese These wieder mehr Aufmerksamkeit erhalten, so etwa bei Joachim Eibach, der für die Zeit um 1700 von einer Sattelzeit der Fremdwahrnehmung spricht. Die Wahrnehmung des Fremden in Europa sei einem grundsätzlichen Wandel unterworfen worden, wobei die Auseinandersetzung mit dem Fremden nicht ohne Folgen für das Selbstbild Europas blieb.

Eine bedeutende Rolle im Austausch Europas mit fremden Kulturen nahmen dabei die katholischen Missionare ein. Sie waren gewissermassen Knotenpunkte des interkulturellen Kontakts, denn sie trugen nicht nur die christliche Lehre in ferne Welten, sondern vermittelten gleichzeitig in Europa das Wissen, welches sie sich im Verlauf ihres Missionsaufenthalts über diese Welten angeeignet hatten.
Die Arbeit untersucht deshalb den Einfluss katholischer Missionare auf die veränderte Fremdwahrnehmung und damit auch deren Rolle in der europäischen Sinnkrise um 1700. Als Fallbeispiel für diese Untersuchung diente der französische Karmelitenpater Angelus a Sancto Ioseph, der zwischen 1664 und 1679 als Missionar in Persien tätig war. Nach seiner Rückkehr in die europäische Heimat publizierte Pater Angelus zum einen eine persische Arzneimittellehre und zum anderen das Gazophylacium linguae Persarum. Besonders das letzte Werk liefert Antworten nicht nur auf die Frage, wie der Karmelit die persische Kultur wahrgenommen und seinem europäischen Publikum vermittelt hat, sondern auch darauf, wie er seine Aufgabe als Missionar verstanden hat.

In der Arbeit findet sich deshalb zunächst ein Überblick über die katholische Mission des 17. Jahrhunderts, wobei der in der Zeit weit verbreiteten, aber auch stark umstrittenen jesuitischen Akkomodationsstrategie ein besonderes Augenmerk gilt. Die frühneuzeitlichen Missionare können dabei als Übersetzer in zweierlei Hinsicht verstanden werden. Zum einen vermittelten sie sprachliche Kenntnisse an nachfolgende Missionare und übersetzten Werke aus fremden Sprachen, um sie der europäischen Gelehrtenwelt zugänglich zu machen. Zum anderen bemühten sie ich um das Übersetzen der christlichen Lehre in fremde Kontexte, wie auch die Deutung der fremden Sitten im Sinne des katholischen Glaubens.

So betonte auch Pater Angelus die Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum und veranschaulichte in zahlreichen Beispielen die Kompatibilität der beiden Religionen. Er vertrat dabei den Glauben an die baldige Vereinigung aller Glaubensrichtungen unter dem Dach der Katholischen Kirche. In Europa nährten solche Äusserungen die Idee der einen, allen Menschen gleichsam zugänglichen Vernunftreligion, welche in Zukunft die traditionellen Religionsformen ablösen würde. Die Rezeption der von Missionaren verfassten Werke unterschied sich damit deutlich von der Intention solcher Publikationen. Diese sollten nämlich Unterstützung der Missionen in Europa bewirken und die Katholische Kirche stärken.

Die missionarische Publizistik orientierte sich oftmals an der weit verbreiteten Reiseliteratur, welcher für die Fremdwahrnehmung eine besondere Bedeutung zukam. So hatten etwa Autoren wie Jean Chardin und Jean-Baptiste Tavernier das europäische Bild Persiens nachhaltig geprägt. In Reisebeschreibungen bemühte man sich dabei vermehrt um eine empirisch-ethnographische Erfassung der Welt; ein Anspruch, welchen auch die Missionare aufnahmen. Dieser science de l‘homme ist denn auch ein Kapitel gewidmet, denn die neue „Objektivität“ der Fremdwahrnehmung liess das Eigenbild nicht unberührt. Indem man sich die Vielfalt menschlicher Lebensformen vor Augen führte, wurde die eigene europäische Kultur zu einer beliebigen Spielart degradiert. Ausserdem hatten besonders die Aufzeichnungen über asiatische Gesellschaften – insbesondere China, aber eben auch das Perserreich der Safawiden – gezeigt, dass diese auch ohne den christlichen Glauben zu höchster Blüte reifen konnten. Die Einzigartigkeit der europäisch-christlichen Lebenswelt wurde damit ausdrücklich in Frage gestellt.

Nicht nur die Fremdwahrnehmung, sondern auch die Merkmale der eigenen Identität verloren damit allmählich ihre bisherige religiöse Prägung. Zur Verdrängung der christlichen Elemente aus diesen Diskursen hatten die Missionare – und an Angelus a Sancto Ioseph konnte dies gezeigt werden – durch den von ihnen geleisteten Wissenstransfer einen wesentlichen Teil beigetragen.

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