Die heutige Berner DC Bank mit ihren 45 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von 882 Millionen Franken (2011) kann auf eine bereits längere Geschäftstätigkeit zurückblicken: 1825 wurde sie als Deposito-Cassa von der damaligen Stadtverwaltung in der Absicht gegründet, die Überschüsse der verschiedenen Stadtkassen zinsbringend anzulegen. Während der knapp zweihundertjährigen Unternehmensgeschichte hat die burgerliche Bank zwar ihr Geschäftsfeld laufend erweitert; speziell in ihrer Ausrichtung und Werte-Orientierung weist sie jedoch noch immer erstaunliche Konstanten zu ihren Anfängen auf. Dieser Umstand bildet den Ausgangspunkt der Masterarbeit, die sich mit der Deposito-Cassa im Zeitraum zwischen ihrer Gründung und einer Neuorientierung um 1892 aufgrund eines bankinternen Betrugsfalles befasst. Die Studie entstand im Rahmen des Forschungsprojektes Geschichte der Burgergemeinde Bern im 19. und 20. Jahrhundert unter der Leitung von Dr. Martin Stuber.
Hinsichtlich ihrer Fragestellung verfolgt die Arbeit das Ziel, die Bank im 19. Jahrhundert anhand mehrerer Leitlinien und einer Unterteilung in Form und Inhalt historisch zu verorten. Damit verbunden ist keine Aufarbeitung der Bankgeschichte im Sinne einer Gesamtdarstellung, sondern eine Untersuchung ihrer Organisation und ihres Geschäftsganges. Methodologisch stützt sie sich auf die Ergebnisse der Forschung zur Hermeneutik, Diskursanalyse sowie auf Hayden Whites Konzept der Metahistory. Dabei wird insbesondere die Bedeutung von Ort, Zeitpunkt und Zusammenhang der Aussagen im Quellenmaterial besprochen. Ferner wird die Wichtigkeit der Periodisierung des Untersuchungsgegenstandes wie auch die Wahl einer kontextualistischen Methode begründet. Die Studie greift drei Quellentypen aus burgerlichen Beständen auf: Es handelt sich um die Berichte des Burgerrates der Stadt Bern über die burgerliche Gemeindverwaltung von 1864 bis 1894, die Protokolle der Finanzkommission für die Deposito-Cassa zwischen 1825 und 1896 sowie die Deposito-Cassa Rechnungen, abgelegt durch den jeweiligen Kassenverwalter im Zeitraum von 1825 bis 1892.
Schliesslich folgen nun die wichtigsten Ergebnisse der Studie. Betreff der Frage nach der Rolle der Deposito-Cassa als Hausbank der Burgergemeinde konnte aufgezeigt werden, dass diese bis zur Güterausscheidung von 1852 als Kommunalbank die gewinnbringende Anlage der städtischen Gelder besorgte. Später galt dies zumindest noch für die Überschüsse der Burgergemeinde. Sie war zwar ihrem Namen und Selbstverständnis nach in ihrer Gründungszeit keine Bank, betrieb jedoch bereits in den Anfangsjahren auch Handel mit ausländischen Wertschriften. Ab 1883 fiel zudem die Beschränkung des Geschäftskreises auf Mitglieder der Burgergemeinde weg. Ebenso zeigte eine Rundschau des bernischen Bankenplatzes, dass wesentliche Innovationen im Unternehmen von der lokalen Konkurrenz angestossen wurden, wobei die Deposito-Cassa immer auch von ihrer speziellen Haftungssituation (Deckung durch das städtische Vermögen, respektive durch die Burgergemeinde) profitierten konnte. Im Weiteren thematisiert die Arbeit das Argument der Gemeinnützigkeit, welches die Finanzkommission insbesondere in krisenhaften Situationen als legitimierend für den Weiterbestand der Bank verwendete.
Der zweite Hauptteil der Studie widmet sich dem Geschäftsgang der Deposito-Cassa. In quantitativer und qualitativer Weise stellt dieser Teil erstens die Zusammensetzung der Aktivenund Passivengelder im Untersuchungszeitraum dar. Darauf folgt eine Berechnung von Bilanzsumme und Erfolgsrechnung, welche auch die Einschnitte im Geschäftsverlauf durch innere und äussere Faktoren – etwa Kriege, Wirtschaftskrisen sowie die Bundesstaats-Gründung – mit einbezieht. Drittens diskutiert die Arbeit den Sachverhalt, dass die Sprache der Quellen sowie die Angaben des burgerlichen Schriftstellers Rudolf von Tavel die Probleme zu grossen Teilen vertuschen, welche die Ausdehnung des Geschäftsfeldes mit sich brachte: Genauer beleuchtet werden hier die Beteiligung der Deposito-Cassa am Bau der Nydeggbrücke, die Investitionen in die Zweite Bernerbaugesellschaft, die Veruntreuung von Geldern durch den Kassenverwalter Rudolf Steck sowie die in der zweiten Jahrhunderthälfte einsetzende Eisenbahnspekulation. Auf dieser Basis konnte auch die Ansicht Tavels, die Deposito-Cassa mit ihrer konservativen Ausrichtung habe stets an ihrem einstigen Gründungszweck festgehalten, kritisiert werden.
Keine „mercantilischen Speculationen“? Die Deposito-Cassa als Hausbank der Burgergemeinde Bern, 1825-1892
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2011/2012
Abstract