Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Marina
Cattaruzza
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2013/2014
Abstract
Im Zentrum dieser Arbeit steht das Thema Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten am Ende des Zweiten Weltkriegs, die Art und Weise der Erinnerung daran sowie die sich abzeichnenden Opferdiskurse anhand der Wochenzeitschrift Die Zeit und des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zwischen 1946/7 bis 2003. Dieser lange Zeitraum wurde aufgrund des Umstandes gewählt, dass Veränderungen im Opferdiskurs und in den Erinnerungsphasen erst über einen längeren Beobachtungszeitraum hinweg erkennbar werden. Das Jahr 2003 wurde deshalb als Ende des Beobachtungszeitraums festgesetzt, weil ab dann deutsch-polnische Auseinandersetzungen begannen, deren Aufarbeitung den Rahmen dieser Masterarbeit gesprengt hätte. Die Schwierigkeit der untersuchten Thematik lag darin, dass die eigentliche Täternation durch die Stellungnahmen des Bunds der Vertriebenen (BdV) den Opferstatus für sich in Anspruch nahm. Aufgrund seiner starken öffentlichen Präsenz und der breiten Zeitungsberichterstattung wurde der BdV in die Untersuchung einbezogen, obwohl er eigentlich nur einen Teil der Vertriebenen vertrat. Es ist nicht denkbar, sich an die deutschen Opfer zu erinnern, ohne sich des kontextuellen Bezugs zum Holocaust als singulärem Verbrechen bewusst zu sein.
Folgende Fragestellungen bildeten den Leitfaden der Arbeit: Lassen sich die unterschiedlichen Opferdiskurse nach zum Bund der Vertriebenen (BdV) innerhalb der beiden ausgewählten Medien wiederfinden? Zeigte die Wochenzeitung Die Zeit eine andere Haltung gegenüber dem Thema Flucht und Vertreibung sowie gegenuüber dem BdV als das Nachrichtenmagazin Spiegel? Wie wurde in beiden Medien an das Thema Flucht und Vertreibung erinnert? Wurde innerhalb der gewählten Zeitperiode eine Haltungsveränderung gegenüber der Thematik erkennbar? In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus ausschliesslich auf den beiden Printmedien innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
Die Arbeit ist in fünf Teile gegliedert. Die Debatte über das Thema Flucht und Vertreibung steht im Mittelpunkt der Arbeit. Aus diesem Grund wird nach der Einleitung in einem zweiten Kapitel der historische Kontext kurz dargestellt. Die darauf folgenden Kapitel drei und vier bilden die Hauptteile der Arbeit, in welchen der Zugang zur Thematik ber die Printmedien untersucht wird, chronologisch sowie thematisch abgetrennt. Im letzten und fünften Kapitel werden ein Fazit gezogen und die Ergebnisse zusammengefasst.
Hauptergebnis der Arbeit ist, dass sich während der bearbeiteten Zeitspanne ein Wandel innerhalb der Erinnerung an die Thematik sowie auch im Opferdiskurs erkennen lässt. Während in der Zeit von Anfang an über die Vertreibung berichtet wurde, stand im Spiegel die Flucht und Vertreibung erst ab den achtziger Jahren und dann vor allem ab 2002 durch eine Artikel-Serie zur Thematik im Fokus. Der Spiegel berichtete dagegen ausführlicher über die Vertriebenenverbände sowie über die Oder-Neisse Grenze. Beide Medien waren über den gesamten untersuchten Zeitraum dem BdV gegenüber kritisch eingestellt.
Die Zeit wählte eine Sprache der Einfühlsamkeit- gegenüber den Vertriebenen und setzte sich für eine Wiederherstellung der Beziehungen zu Polen ein. Sie setzte sich auch schon früh für die Erinnerung an alle Opfer des Zweiten Weltkriegs ein. Während in der Zeit zu Beginn der Nachkriegszeit der integrationistische Opferdiskurs erkennbar ist, in welchem der Kontext des Opferwerdens ausgeblendet wurde, konnte der Übergang zum beginnenden partikularistischen Opferdiskurs bereits ab Ende der fünfziger Jahre beobachtet werden, indem die Ziele des Hitlerregimes verdeutlicht wurden und die Täterrhetorik zum Vorschein kam. Dies bestätigte die These Goschlers, dementsprechend beide Diskurse nebeneinander bestanden, aber jeweils einer deutlicher zum Vorschein kam.
Ab Mitte der sechziger Jahre nahm das Interesse der Öffentlichkeit gegenüber dem Vertreibungsthema sowie dem BdV ab, die Verarbeitung des Nationalsozialismus stand jetzt im Mittelpunkt. Während ab den achtziger Jahren durch die Politik Helmut Kohls zunehmend allen Opfern des Zweiten Weltkriegs gedacht wurde, veränderte sich die Art der Erinnerung sowie des Opferdiskurses ab den neunziger Jahren dahingehend, als dass durch die politische Lage (Zerfall der sozialistischen Regime, durchlässige Grenzen, offene Archive und Austausch zwischen Deutschland und Polen) und den Generationenwandel eine offenere Auseinandersetzung auch über die Grenzen möglich wurde. Die Debatte hält bis heute an, mit dem Ziel, die Flucht und Vertreibung kontextuell korrekt ins kulturelle Erinnern einzuordnen, damit allen Opfern des Zweiten Weltkriegs gedacht werden kann.