Die schweizerisch-afghanischen Beziehungen von 1922 – 1960. Eine empirische Untersuchung der wirtschaftlichen und politisch-diplomatischen Verbindungen zwischen der Schweiz und Afghanistan im 20. Jahrhundert

Nom de l'auteur
Robin
Soltermann
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Dr. habil.
Carmen
Scheide
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2017/2018
Abstract
Die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Afghanistan, welche in dieser Arbeit untersucht wurden, begannen in den 1920er Jahren zu entstehen, als der afghanische Thronfolger Amanullah im März 1922 als König und von Grossbritannien unabhängiger Souverän vom schweizerischen Bundesrat offiziell anerkannt wurde. Auf Quellen aus dem Bundesarchiv in Bern basierend, wurde erstmalig eine Beziehungsgeschichte zwischen der industrialisierten und wissenschaftlich sowie wirtschaftlich weiter fortgeschrittenen Schweiz und dem in Europa noch grösstenteils unbekannten Afghanistan geschrieben. Sie deckt den Zeitraum von 1922 (der Anerkennung Amanullahs) bis 1960 (der erfolgreichen Aushandlung zweier bilateraler Verträge) ab. Dazu wurden um die 1’000 Seiten Quellenmaterial der Schweizer Behörden (insbesondere des Politischen und Volkswirtschaftlichen Departements) und Organisationen ausgewertet, verglichen und inhaltlich wiedergegeben. Drei Leitfragen wurden dabei untersucht: Wie sich die Beziehungen auf den verschiedenen Ebenen (politisch, diplomatisch und wirtschaftlich) in der untersuchten Zeit entwickelten, welche Akteure dabei eine zentrale Rolle spielten und welche Interessen verfolgt wurden. Mit der Beantwortung dieser Fragen konnte erstmals die Beziehungsgeschichte zu diesem Thema erarbeitet werden. Während die erste Interaktion beider Länder im März 1922 noch in der formalen Anerkennung des neuen afghanischen Regimes bestanden hatte, fand 1928 ein zweiter, „persönlicherer“ Kontakt statt. König Amanullah, der eine modernisierende Politik in Kabul anstrebte, war zu dieser Zeit auf Europareise und wurde am 28. Februar 1928 auch in Bern offiziell empfangen. Im Zuge erster diplomatischer Bemühungen entstand ein Freundschaftsvertrag, der als Fundament für weitere Entwicklungen und als erster „Meilenstein“ in der Beziehung zwischen der Schweiz und Afghanistan gedeutet werden konnte. Auch der Sturz Amanullahs 1929 und dessen Ersetzung durch Nader Shah änderte, trotz anfänglicher Skepsis von Schweizer Seite, diese freundschaftliche Richtung nicht. Es folgte eine Zeit, in welcher die Schweizer Behörden von der afghanischen Regierung vielfach für Arbeitskräfte angefragt wurden – dies mit dem Ziel, die Modernisierung und Wirtschaft im eigenen Land anzustossen. In der Folge wurde die Oberkrankenschwester Nelly Naef als erste Schweizerin im Zuge der neuen Beziehungen nach Afghanistan vermittelt. Ihr folgten weitere Fachkräfte auf verschiedenen Gebieten. Da die Schweiz in Kabul keinerlei (diplomatische) Vertretungen stationiert hatte, wurden die Erfahrungen, welche die zunehmende „Schweizerkolonie“ vor Ort machen konnte, zu massgeblichen Informationen, damit die Schweizer Behörden künftig fundiertere Entscheidungen treffen konnten. Bald stellte sich heraus, dass die Widrigkeiten vor Ort sehr gross waren und die mühevoll ausgehandelten Arbeitsverträge von den afghanischen Behörden oftmals nicht eingehalten wurden. Die kulturellen Unterschiede, die nun vor allem in der Arbeitswelt zutage traten, liessen die Skepsis und das Misstrauen gegenüber dem Freundschaftspartner Afghanistan in der Folge kontinuierlich ansteigen und hemmten die weitere Entwicklung der Beziehungen. Auch auf wirtschaftlicher Seite stagnierte der Austausch seit Längerem. Während die Schweiz seit Beginn der Kontaktaufnahme rund zehn Mal mehr Waren aus Afghanistan importierte, war es den schweizerischen Handelsvertretern vor Ort nicht gelungen, die Absatzmärkte für den Schweizer Export zu öffnen. So lieferte die Schweiz Ende der 1950er Jahre immer noch gleich viele Waren (wie beispielsweise Uhren oder Präzisionswerkzeuge) nach Afghanistan wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Zumindest auf politisch-diplomatischer Ebene gelangen aber in der untersuchten Zeit einige Fortschritte: So konnten nach dem anfänglichen Freundschaftsvertrag auch ein Luftverkehrsabkommen und ein Vergleichsvertrag für die bilateralen Gerichtsbestimmungen ausgehandelt werden. Ausserdem wurde (nach strittigen politischen Debatten im Nationalrat) der schweizerische Minister in Teheran Ende 1953 auch für Afghanistan akkreditiert und in Kabul konnte ein Konsulat eingerichtet werden, womit die Schweiz nun stationär über eine feste diplomatische Verbindung zum Freundschaftspartner verfügte. Ausgehend von den aufgeworfenen Fragestellungen konnten damit folgende Erkenntnisse aus der Arbeit gewonnen werden. Erstens: Die Akteure auf schweizerischer Seite waren äusserst vielfältig. Nicht nur einzelne Politiker, sondern vor allem die Schweizer Departemente und Behörden – hierzu gehörten insbesondere die schweizerische Handelsförderung oder das Politische Departement – sowie Privatpersonen und Diplomaten waren massgeblich beteiligt beim Ausbau der Beziehungen. Entscheidend für die Zusammenarbeit wurden auch die SchweizerInnen vor Ort und deren Einsichten, die sie nach Hause vermitteln konnten. Zweitens: Auch die schweizerischen Interessen waren (zwecks der unterschiedlichen Zielsetzungen der Departemente und Organisationen für den Staat) sehr heterogen. Trotzdem dominierten die wirtschaftlichen Motive fast ausschliesslich, wenn es um das Abwägen neuer Sachverhalte ging. Drittens: Nach einer Phase der „Aufbruchstimmung“ zwischen den beiden Ländern unter König Amanullah wuchs die Skepsis und das Misstrauen von schweizerischer Seite infolge der Kritik der vor Ort lebenden SchweizerInnen zunehmend und auch die wirtschaftlichen Beziehungen stagnierten bis in die frühen 1960er Jahre. Afghanistan blieb damit für die Schweiz während des untersuchten Zeitraumes ein bilateraler Freundschaftspartner unter vielen mit marginaler politischer und wirtschaftlicher Bedeutung.

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