Die Katastrophe managen. Der Einfluss des Brandes in Schweizerhalle auf die Systematisierung der Katastrophenvorsorge in der Schweiz zwischen 1945 und 1995.

Nom de l'auteur
Nick
Wenger
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Pfister
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2006/2007
Abstract

Obwohl im Zusammenhang mit grossen Katastrophen immer wieder Krisenstäbe medial in Erscheinung treten und gewissen Politikern, die sich als vermeintlich gute „Katastrophenmanager“ einen Namen gemacht haben, ein beinahe mythischer Nimbus anhaftet, ist die Entwicklung des Konzeptes des Katastrophenmanagements aus historischer Perspektive noch kaum erforscht worden. Aus diesem Grund ist es vorrangiges Ziel der Lizentiatsarbeit, einen Überblick über die wichtigsten Eckpfeiler dieses Themas zu bieten und zentrale Gesetze, Berichte und Organe näher zu erläutern.

 

Da das Katastrophenmanagement als systematisches Konzept definiert wird, das im Rahmen der sogenannten Katastrophenvorsorge vor Eintritt einer Katastrophe etabliert wird und dazu dienen soll, die Auswirkungen von Katastrophen möglichst zu minimieren, stellt sich in der Untersuchung generell die Frage, was von staatlicher Seite aus unternommen wurde, um der Bevölke- rung im Katastrophenfall eine effiziente Nothilfe gewährleisten zu können. Anhand theoretischer Ausführungen wurden drei konkrete Teilbereiche identifiziert, deren vorgängigen Regelung und Koordination entscheidende Bedeutung zukommt: Die Führung im Katastrophenfall, die Einsatzmittel der Katastrophenhilfe und die Alarmierung der Bevölkerung.

 

Die Untersuchung zeigt in der Folge auf, dass bereits Mitte der 1960er-Jahre von Seiten der Öffentlichkeit und aus dem Parlament Vorstösse erfolgten, den Bund zu einem aktiveren Vorgehen im Bereich der Katastrophenvorsorge zu bewegen. Im Zuge dieser Debatte wurden innerhalb der Bundesverwaltung zwei Studien angefertigt, die schonungslos offen legten, dass die diesbezüglichen Vorkehrungen in der Schweiz den Anforderungen nicht genügten. Zudem unterbreiteten die Autoren der Studie mehrere konkrete Vorschläge, welche Massnahmen getroffen werden sollten, um die Mängel zu beheben. Versuche, diese Vorschläge mit konkreten Reformen umzusetzen, scheiterten jedoch zu einem grossen Teil im Rahmen des verwaltungsinternen Vernehmlassungsverfahrens, wobei vielfach finanzielle Gründe ausschlaggebend gemacht wurden. Als Kompromisslösung liess sich einzig die Einrichtung einer Zentralstelle für Katastrophenhilfe im Bundesamt für Zivilschutz durchsetzen. Nachdem zu Beginn der 1970er-Jahre jedoch im Zuge der Gesamtverteidigungskonzeption der Schwerpunkt des Zivilschutzes auf den Bau von Schutzräumen gerichtet wurde, wurde das Pflichtenheft dieser Zentralstelle massiv beschnitten, womit sie bald darauf in der Bedeutungslosigkeit versank und die Katastrophenvorsorge auf Bundesebene gänzlich vernachlässigt wurde. Dies manifestierte sich darin, dass die genannten Teilbereiche in erster Linie im Hinblick auf einen möglichen Kriegsfall ausgerichtet wurden. So dienten etwa die im Rahmen der Gesamtverteidigungskonzeption geschaffenen kantonalen Führungsstäbe nur dazu, die Zusammenarbeit mit den militärischen Territorialorganisation zu gewährleisten. Obwohl diesen Stäben eigentlich auch die Führung im Katastrophenfall oblag, spielten entsprechende Übungen ausschliesslich vor dem Hintergrund kriegerischer Auseinandersetzungen. Auch die Alarmierung der Bevölkerung war lediglich bezüglich kriegerischer Ereignisse oder Einzelfällen geregelt, in denen der Bund die Verantwortung übernommen hatte. Bestimmungen über die Alarmierung der Bevölkerung vor überraschend eintretenden Katastrophen existierten dagegen keine.

 

Die Folgen dieser Vernachlässigung der Katastrophenvorsorge wurden anlässlich des Chemiebrandes in Schweizerhalle im Jahr 1986 deutlich, wo sich zum Teil dramatische Pannen bei der Aktivierung des Katastrophendispositivs ereigneten. Im Nachgang dieser Katastrophe wurden in allen untersuchten Teilbereichen Reformen eingeleitet, um die Mängel zu beheben. Zudem erkannten die Bundesbehörden, dass die Massnahmen im Rahmen der Katastrophenvorsorge ausgebaut werden müssten und dass es zwingend eine Koordination des Vorgehens auf Bundesebene brauchte. Unter anderem weil zu Beginn der 1990er-Jahre mit einem neuen Sicherheitsbericht ausgegeben wurde, dass die Sicherheitspolitik nach wie vor hauptsächlich auf die Kriegsbedrohung auszurichten sei, liessen sich viele der angestossenen Reformen vorerst nicht wie gewünscht umsetzen. Dies gelang aber wenig später, nach der Publikation des Sicherheitsberichtes 2000 und der damit einhergehenden Etablierung des Verbundssystems „Bevölkerungsschutz“. Somit konnte festgestellt werden, dass die Systematisierung der Katastrophenvorsorge und die Etablierung des Konzept des Katastrophenmanagement massgeblich auf einen Lernprozess zurückzuführen ist, der durch „Schweizerhalle“ ausgelöst worden war.

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