Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Heinrich Richard
Schmidt
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2016/2017
Abstract
Im Zentrum dieser Arbeit steht das niedere Schulwesen der Fürstabtei St. Gallen zum Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Anhand von drei Quellen werden dabei verschiedenste Aspekte der damaligen Schulwirklichkeit untersucht. Wichtig ist hierbei auch die Vorgeschichte, da die Resultate dieser Untersuchung als Ergebnis der schulreformatorischen Wirkung des Fürstabts Beda Angehrn (1767–1796) angesehen werden müssen. Dieser führte nicht nur die Tradition seiner Vorgänger weiter, das Schulwesen konstant zu fördern, sondern liess zudem auf Initiative einiger Rorschacher Bürger die sogenannte Normalschulmethode in Rorschach einführen. In Rorschach überzeugte sich Angehrn von der neuen Lehrmethode persönlich, was ihn dazu bewog, die Normalschulmethode in allen niederen Schulen der Fürstabtei einführen zu wollen. Bis zum Ende seiner Amtszeit sollte ihm die Verbreitung der neuen Lehrmethode aufgrund von Widerständen sowohl in der Bevölkerung als auch innerhalb der eigenen Reihen nur partiell gelingen.
Nichtsdestotrotz dürfen seine Bemühungen rund um die Normalschulmethode im Hinblick auf die Schulwirklichkeit am Ende bzw. nach Ende seiner Amtszeit nicht unterschätzt werden.
Bei den drei erwähnten Quellen, welche zur Untersuchung der Schulwirklichkeit benutzt wurden, handelt es sich um drei verschiedene Umfragen, wobei jene aus dem Winter 1796/97 im Gegensatz zur Stapfer-Enquête von 1799 und der Umfrage des Erziehungsrats des Kanton Säntis von 1800 keine reine Schulumfrage ist. Diese von Angehrns Nachfolger ausgesandte Umfrage ist von den Gemeindepfarrern beantwortet worden, während die Angaben in den beiden anderen Enquêten von den jeweiligen Lehrpersonen der untersuchten Schulen stammen. Trotz teilweise unterschiedlichen Fragestellungen und zum Teil grossen Diskrepanzen zwischen Antworten auf die gleichen Fragen in den Jahren 1796 bis 1800 ist entschieden worden, anhand der drei Quellen zusammen ein Gesamtbild der Schulwirklichkeit zur Jahrhundertwende vom 18. ins 19. Jahrhundert zu erstellen. Die Quellen liefern Daten zu insgesamt 110 niederen Schulen der Fürstabtei St. Gallen.
Bei der Untersuchung des niederen Schulwesens der Fürstabtei St. Gallen handelt es sich in erster Linie um eine quantitative Auswertung. Die Hauptfrage hierzu lautet: Wer unterrichtete wen in welchen Fächern wie lange? Aus diesem Grund sind die Schulbesuchsraten, die Knaben-Mädchen-Verhältnisse der einzelnen Schulen, die Anzahl der Schulkinder pro Lehrperson wie auch die tägliche und wöchentliche Schuldauer ausgewertet worden. Bei den Fächern wurde untersucht, welche Schulen Lesen, Lesen und Schreiben bzw. Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichteten. Bei der Frage nach den Lehrpersonen stehen die Löhne der Lehrkräfte und deren Nebenverdienste im Vordergrund. All diese Untersuchungspunkte wurden zudem nach folgenden möglichen Einflussfaktoren untersucht: Konfession der Gemeinde (paritätisch oder katholisch), Lehrmethode (Normalschule), Schulweg, Ökoräume und Finanzierung der Schule.
Obwohl alle diese Einflussfaktoren zumindest einen der Untersuchungspunkte bis zu einem gewissen Grad beeinflusst haben, scheinen die Normalschulmethode und die Konfession der Gemeinde die beiden wichtigsten Einflussfaktoren gewesen zu sein. So waren z.B. die Schulbesuchsraten, die Löhne der Lehrkräfte und die Mädchenanteile in Normalschulen höher als in den restlichen Schulen. In katholischen Gemeinden verdienten die Lehrpersonen ebenfalls mehr als in paritätischen Gemeinden. Zudem dauerten die Schulen in katholischen Gemeinden jährlich länger und boten zugleich eher Rechnen als Unterrichtsfach an. Ökoräumliche Unterschiede gab es in den Schulbesuchsraten, wo gerade das Rheintal sehr gut abgeschnitten hat. Höhere Mädchenanteile aber zugleich auch eine kürzere Schuldauer wiesen Freischulen gegenüber Schulen auf, in welchen die Eltern oder ein Teil der Eltern den Lohn der Lehrpersonen nanzieren mussten. Der Schulweg der Schulkinder scheint einzig die tägliche Schuldauer minimal beeinflusst zu haben, denn je kürzer der Schulweg war, desto länger schienen die Kinder Unterricht erhalten zu haben.
Im schweizweiten und europäischen Vergleich schneidet das niedere Schulwesen der Fürstabtei St. Gallen recht gut ab. So liegen die Schulen hinsichtlich der jährlichen Schuldauer auf Augenhöhe mit protestantischen Schulen, welche im Normalfall länger gedauert haben als katholische. Relativ gut war zudem die durchschnittliche Schulbesuchsrate. Das Unterrichtsfach Rechnen war ausserdem in der Fürstabtei vergleichsweise äusserst verbreitet. Einzig die Mädchenanteile fielen relativ niedrig aus, was jedoch in erster Linie an den Schulen in den katholischen Gemeinden lag. Dass Schulen in katholischen Gemeinden einen eher tieferen Mädchenanteil aufweisen als Schulen in konfessionell gemischten oder protestantischen Gemeinden, scheint jedoch ein schweizweites bzw. ein europaweites Phänomen gewesen zu sein.