Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Gerlach
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2013/2014
Abstract
Mit dem Good Friday Agreement (GFA) wurde im Frühling 1998 der Bürgerkrieg in Nordirland, euphemistisch Troubles genannt, nach fast 30 Jahren beendet. Der blutige Konflikt hatte über 3'500 Todesopfer gefordert, die den Kämpfen zwischen verschiedenen katholischen und protestantischen paramilitärischen Gruppen, der britischen Armee und der nordirischen Polizei, der Royal Ulster Constabulary (RUC), zum Opfer gefallen sind. Die Zivilbevölkerung war vom Konflikt in vielerlei Hinsicht betroffen. Die Troubles verstärkten die Trennung der Gesellschaft in eine katholische und eine protestantische Gemeinschaft. Bis heute sind die politischen und sozialen Einstellungen vieler Menschen durch den Konflikt geprägt und viele Ereignisse und Folgen des Konfliktes noch nicht vollständig verarbeitet.
Die Arbeit versucht mit Hilfe des Ansatzes der Geschichte von unten Aussagen über den V erlauf und die Auswirkungen des Friedensprozesses zu machen. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Alltagsgeschichte der Bewohner von Derry. Die Arbeit beleuchtet konkret den von den Troubles beeinflussten Alltag der einfachen Bevölkerung in den katholischen Arbeitervierteln des Stadtteils South Ward. Es wird dargestellt, wie die Sicht von Mitgliedern der Arbeiterklasse auf die Geschehnisse und V eränderungen ihres Alltages ist. Dank dem Zugang über die Oral History soll ein anderer Blickwinkel auf die Alltagsgeschichte der Bevölkerung der South Ward eingenommen werden. Mit Hilfe der von den Einwohnern erzählten Geschichten soll ein Bild der Vergangenheit, der Veränderung und der aktuellen Situation dargestellt werden. Als Quellen dienen 25 Interviews, welche in Derry geführt wurden.
Die Arbeit fördert zu Tage, dass die Einschränkungen durch die Präsenz der Sicherheitskräfte für die befragten Personen das grösste Problem im Alltag während den Troubles war. Dank dem GFA wurde die britische Armee abgezogen. Gleichzeitig hat bei der Polizei der Wandel hin zu einer neutralen Ordnungsmacht begonnen. In Derry hatte sich die Situation dank einem lokalen informellen Friedensprozess zwischen den Sicherheitskräften und der IRA auf den Strassen bereits ab Anfang der 1990er Jahren zu entspannen begonnen. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass von den Gesprächspartnern mehr kritische Voten zum GFA geäussert wurden als dies das deutliche Resultat des GFAReferendums vermuten lässt. Das Resultat des Bloody Sunday Inquiry, einer 2010 abgeschlossenen zweiten Untersuchung der blutigen V orfälle vom 30. Januar 1972, war für die Bevölkerung eine grosse Erleichterung und half mit, die schwerste historische Wunde Derrys zu heilen. Dies wird als ein wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Gesellschaft gewertet. In vielen Bereichen des alltäglichen Lebens sind Fortschritte zu beobachten. So wurden die Entwicklungen bei der Bewegungsfreiheit, der Aufwertung des Stadtzentrums, dem Ausmerzen der Diskriminierungen und der offeneren Grenze zwischen den Gemeinschaften mehrheitlich positiv gewertet. Der Weg der Normalisierung ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Etliche Probleme sind nach wie vor ungelöst, wie die Segregation der Wohnquartiere, die schwierige wirtschaftliche Lage und die Gefahr, die von extremistischen, gewaltbereiten GFA-Gegnern ausgeht. Daneben beklagen die Befragten auch Probleme, die seit dem GFA neu aufgetaucht sind, wie die gestiegene „normale“ Kriminalität und die Selbstjustiz von paramilitärischen Gruppen sowie die Unzulänglichkeiten des politischen Systems.