Die Erinnerung an die spätantiken Märtyrer Urs und Viktor aus der Thebäischen Legion sind für die Erinnerungskultur und Geschichtspolitik der Stadt Solothurn über die Jahrhunderte hinweg von zentraler Bedeutung gewesen. Die glaubensfesten Männer trotzten, folgt man der späteren Überlieferung, dem römischen Statthalter, der sie köpfen und in die Aare werfen liess. Dort nahmen sie ihre abgeschlagenen Köpfe unter den Arm und schwammen ans Ufer. Der Kult um Urs und Viktor dürfte auf das 5. Jahrhundert zurückgehen, als im Castrum Salodorum das Christentum heimisch wurde. Traditionsstiftende Viten datieren aus dem frühen Mittelalter, und 1473 verlieh die Auffindung der Reliquien dem Kult einen neuen Aufschwung. Durch die ganze Neuzeit hindurch wurde die Erinnerung an die Stadtpatrone Urs und Viktor wachgehalten, und sie prägt auch heute noch das Bild der Stadt mit ihrer mächtigen St. Ursenkathedrale.
Die erinnerungs- und rezeptionsgeschichtliche Untersuchung stellt zwei Wunderbücher aus dem 17. Jahrhundert in den Mittelpunkt. Eines dieser Mirakelbücher, in dem drei verschiedene Schreiber zwischen 1642 und 1689 insgesamt 54 Wunder zusammentrugen, ist bisher noch nicht ediert und folglich auch noch nicht systematisch ausgewertet worden. Die Masterarbeit gibt den Text heraus und unterzieht ihn einer ersten historischen Auswertung. Dazu wird das Zeugnis mit einem weiteren Wunderbericht aus dem sog. Solothurner Magnificat verglichen, das aus dem Jahr 1644 datiert. Der Text beschreibt das wundersame Eingreifen des heiligen Ursus im Jahre 1530 und illustriert den engen Zusammenhang zwischen Wunderbericht und Wallfahrtsort.