Der Einfluss der europäisch-tunesischen Migrationsabwehr auf den Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ in Tunesien: Eine doppelte Wirkungsweise?

Nom de l'auteur
Michael
Schmocker
Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Christian
Gerlach
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2017/2018
Abstract
In der Abhandlung stand der Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ in Tunesien und die tunesisch-europäische Migrationsabwehr im Zentrum der Betrachtung. Die forschungsleitende Fragestellung der Untersuchung lautete: Gibt es Narrative, welche auf einen Zusammenhang zwischen der europäisch-tunesischen Migrationsabwehr und dem Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ in Tunesien hindeuten? In Anlehnung an die Exit-Voice-Loyalty-Theorie von Hirschman wurde hierbei folgende These aufgestellt: Die europäisch-tunesische Migrationsabwehr beeinusste den Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ in Tunesien, indem sie die Protestbereitschaft – die Voice-Option – der tunesischen Bevölkerung förderte. Der zentrale Ansatz der Analyse war die Narratologie. Als Quellen für die Analyse wurden zwei tunesische Medien verwendet: La Presse de Tunesie und Nawaat, eine kollektive Internetplattform. Als dritte Quelle fungierte die Jeune Afrique. Der Untersuchungszeitraum der Analyse reichte von 2008 bis 2013. Aufgrund der dargestellten Resultate muss in Bezug auf die zentrale These dieser Arbeit festgehalten werden, dass die Migrationsabwehr die Protestbereitschaft der tunesischen Bevölkerung eher nicht beeinflusst hat. So konnten Narrative gefunden werden, welche der zentralen These widersprachen: Es wurde aufgezeigt, dass die illegalen Emigranten durch das Verlassen des Landes die wirtschaftlichen Verhältnisse in Tunesien denunzierten, was darauf hindeutet, dass Exit und Voice parallel verliefen. Durch die Migrationsverhinderung konnte die tunesische Regierung somit verhindern, dass diese Denunziationen anhielten. Die Ergebnisse deuten ausserdem darauf hin, dass die Entwürdigung, welche durch die illegale Emigration vor dem „Arabischen Frühling“ entstand, sich einzig auf die illegalen Emigranten selbst beschränkte. Dadurch muss gefolgert werden, dass die Migrationsabwehr für einen Grossteil der tunesischen Bevölkerung nicht Teil der „Hogra“, der Würdelosigkeit, war, welche den Protesten im Dezember 2010 und Januar 2011 entscheidenden Antrieb verlieh. Diverse Hinweise sprechen jedoch dafür, dass die Entwürdigung der illegalen Emigranten mit dem Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ in einem Zusammenhang steht. Hervorzuheben ist, dass Rückführungen in der regimenahen LPT vor dem Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ nicht thematisiert wurden. Damit blendete das Regime denjenigen Aspekt der illegalen Emigration aus, welcher für die jungen Auswanderer einen tiefen Einschnitt in ihren Stolz bedeutete. Es konnte ausserdem dargelegt werden, dass die illegalen Emigranten, welche im Frühling 2009 aus Italien rückgeführt wurden, tendenziell aus den erstenAufstandsregionenstammten. Zudem wurde aufgezeigt, dass ein erheblicher Teil der illegalen Emigranten, welche Tunesien zwischen Januar und April 2011 verliessen, aus den ersten Aufstandsregionen stammten. Wie wichtig die Entwürdigung der illegalen Emigranten möglicherweise war, zeigte sich daran, dass spätestens im Frühling 2013 ein Narrativ entstand, welches die illegalen Emigranten auf dieselbe Ebene stellte wie die jungen Tunesier, welche seit dem Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ aus Protest Selbstmord begingen oder dies versuchten. Ihr Martyrium war gewissermassen vergleichbar. Ein wichtiger Hinweis wurde zudem in der bisherigen Forschung weitgehend ausgeblendet: Mohammed Bouazizi, der tunesische Gemüseverkäufer, welcher durch seinen Selbstmordversuch den „Arabischen Frühling“ auslöste, hatte zweimal die Absicht gehabt, auszuwandern. Die Ergebnisse der Arbeit deuten somit auf eine doppelte Wirkungsweise der tunesisch-europäischen Migrationsabwehr hin.

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