Sommerschule des Graduiertenkollegs (GRK2945) „Wissen – Glauben – Behaupten. Wahrheitsproduktion und Wahrheitsdurchsetzung in der Vormoderne“
In der gegenwärtigen Zeit konkurrierender Wahrheitsansprüche und polarisierter Debatten – von wissenschaftlichen Kontroversen über Klimawandel bis hin zu politischen Diskursen über „alternative Fakten“ – stellt sich die Frage nach der Herstellung und Aufrechterhaltung von Wahrheit mit neuer Dringlichkeit. Wie entstehen Wahrheitsansprüche? Welche Akteur:innen, Medien und Praktiken sind an ihrer Etablierung beteiligt? Und warum erweisen sich manche Wahrheiten als stabiler als andere? Diese hochaktuellen Fragen lassen sich gewinnbringend durch einen Blick in die Vormoderne beleuchten, um gerade aus der historischen Distanz bis heute wirksame Strukturen und Dynamiken der Aushandlung, Behauptung und Verteidigung von Wahrheit herauszuarbeiten.
Vor diesem Hintergrund geht das Graduiertenkolleg (GRK) 2945 von der grundlegenden These aus, dass Wahrheit – selbst wenn sie als gegeben, unerreichbar oder ewig konzeptualisiert wird – stets als ‚Gemachtes‘ erscheint, das in konstitutiver Wechselwirkung von menschlichen Akteur:innen, Dingen und räumlichen Anordnungen erzeugt wird. Während Wahrheit in diesem Kontext oft als Ergebnis von Prozessen der Aushandlung, Beanspruchung oder Infragestellung von Geltung verstanden wird, soll die vom GRK veranstaltete Summer School, die zwischen dem 29.6. und dem 3.7.2026 an der Ruhr-Universität Bochum stattfinden wird, nun den Blick auf die Wahrheit als Prozess lenken.
Diese Perspektivverschiebung geht von der grundlegenden Beobachtung aus, dass selbst im Status unumstrittener Geltung von Wahrheit kontinuierlich Arbeit und Energie investiert werden muss, um Wahrheit stabil zu halten. Daher müssen etwa auch und gerade allgemein akzeptierte Glaubenswahrheiten oder etablierte Wissensbestände in unterschiedlichen Medien wiederholt, aktualisiert und in Erinnerung gerufen werden. Wahrheit tritt demzufolge nicht als abgeschlossenes Produkt auf, sondern befindet sich stets im Modus der Hervorbringung – eine Erkenntnis, die auch für das Verständnis gegenwärtiger Wissens- und Meinungsbildungsprozesse von erheblicher Relevanz ist.
Ausgehend von diesen Überlegungen fragt die interdisziplinär angelegte Summer School nicht nur nach den Menschen, Dingen und Räumen sowie deren Interaktionen innerhalb der untersuchten vormodernen Wahrheitsprozesse. Sie fokussiert vor allem die Verläufe, Strukturen und (Performanz-)Effekte jener Prozesse etwa im Kontext des Rechts, der Religion, Kunst oder Naturphilosophie. So soll z.B. gefragt werden nach den Dynamiken von Stabilisierung und Verunsicherung (etwa: Was muss geleistet werden, um die Geltung einer Wahrheit aufrechtzuerhalten? Unter welchen Bedingungen wird diese Geltung instabil?), nach zeitkritischen Momenten der Wahrheit (etwa: Gibt es Wahrheiten, die von vorneherein auf eine bestimmte ‚Gebrauchsdauer‘ angelegt sind?), nach Transformationen selbst vermeintlich stabiler Wahrheiten im Prozess ihrer Hervorbringung (etwa im Sinne der Aktualisierung durch Wiederholung oder der Komplexitätssteigerung bzw. -reduktion) sowie nach Momenten der Emergenz, in denen das Zusammenwirken der beteiligten Menschen, Dinge und Räume mitunter unintendierte Effekte erzeugte.
Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Summer School, die sich an Master-Studierende und Promotionsinteressierte aller am GRK beteiligten Fächer (Englische Philologie, Germanistische Mediävistik, Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Geschlechtergeschichte, Komparatistik, Koreanistik, Kunstgeschichte, Rechtsgeschichte, Romanische Philologie, Sinologie, Wissensgeschichte) richtet, in Vorträgen und Workshops, die von Forschenden des GRK sowie auswärtigen Wissenschaftler:innen geleitet werden. Darüber hinaus wird das Programm durch Führungen, Soft Skill-Seminare und verschiedene Gelegenheiten zum Austausch ergänzt. In diesem Rahmen können sich Teilnehmer:innen, die an der Bewerbung für eine Promotionsstelle in der zweiten Kohorte des GRK (Ausschreibung im Herbst 2026) interessiert sind, auch über das entsprechende Bewerbungsverfahren informieren.
Interessierte Bewerber:innen für die Summer School senden bitte bis zum 15.12.2025 einen Lebenslauf sowie ein kurzes Motivationsschreiben (max. 4.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) an Sabrina Pähler (sabrina.paehler@rub.de). Fahrt- und Übernachtungskosten werden für auswärtige Teilnehmer:innen übernommen.
Weitere Informationen zum GRK finden Sie unter https://grk2945.blogs.ruhr-uni-bochum.de. Fragen und Unklarheiten in Bezug auf die Summer School oder das Bewerbungsverfahren können außerdem bei einem unverbindlichen Info-Termin am 17.11.2025, 17:30-18:00 Uhr, via Zoom besprochen werden (Anmeldung bis 14.11. an mariam.hammami@rub.de). Für Rückfragen können Sie sich gerne an die wissenschaftliche Koordinatorin Dr. Mariam Hammami (mariam.hammami@rub.de) wenden.
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