Bürger und Nicht-Bürger in den Bündner Gemeinden. Eine Trennungsgeschichte 1874-1974 

Nom de l'auteur
Simon
Bundi
Type de travail
Thèse
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Philipp
Sarasin
Institution
Neuzeit
Lieu
Zürich
Année
2013/2014
Abstract
Seit dem kantonalen Bündner Niederlassungsgesetz von 1874 sind die niedergelassenen Einwohner einer Gemeinde bis auf wenige Ausnahmen den Ortsbürgern rechtlich gleichgestellt. Die Frage, welche Exklusivrechte wie etwa der Verkauf von Gemeindeland den Bürgern vorbehalten waren oder ob überhaupt eine eigentlichen Bürgergemeinde neben der politischen Gemeinde bestand, war aber in Graubünden bis zum Gemeindegesetz von 1974 Gegenstand juristischer Streitigkeiten und Rekurse. Hier setzt die Studie an und versucht zunächst, die Genealogie dieses juristischen (Streit-)Diskurses zu analysieren. Einer der Ausgangspunkte dieses Wissens ist fraglos die universitäre Wissenschaft, denn die gesetzgebenden Grossräte waren (meist) Juristen und das Thema immer wieder Gegenstand von Doktoranden. Gleichzeitig waren die verschiedenen Gesetzesentwürfe und Fachmeinungen immer politisch affiziert, auch wenn sie bisweilen im Gewand der Wissenschaft daherkamen. Der hybride Charakter dieses juristischen Diskurses ist ebenso durch die mediale Logik seiner Träger bestimmt, da dieser Diskurs in der Fachliteratur, in Gesetzestexten und Rekursen genauso erschien wie in Zeitungsartikeln, Referaten oder Flugblättern. Je nach medialer Formatierung vermischte sich dieser juristische Diskurs mehr oder weniger stark mit einem historisch-protektionistischen Diskurs. Dieser nichtwissenschaftliche Diskurs verteidigte die Bürgergemeinde als Hüterin alter Rechte und die Bürger als bodenständige Garanten einer gesunden Entwicklung. Es zeigt sich zudem, dass gerade die Ortsbürger (als Bildungsbürger), überproportional in historische-antiquarischen Vereinen oder heimatschützerischen Organisationen aktiv waren. Darüber hinaus untersucht die Studie, wie sich die Ortsbürger in der Institution der Bürgergemeinde Diskursen bemächtigten, die stärker auf eine soziale Trennung abzielten. In Frage kom-men hier etwa medizinische oder antisemitische Diskurse, denn die körperliche und geistige Gesundheit eines Einbürgerungskandidaten spielte in Chur, wo man im Zweiten Weltkrieg «Ariernachweise» ausstellte, bis in die 1980er-Jahre eine Rolle. Genauso wichtig waren Diskurse, die weder wissenschaftlich noch medial «popularisiert» wurden und nur bedingt sprachlichen Niederschlag in den Quellen fanden. Dazu gehörte der Ausschluss der Niedergelassenen von repräsentativen Funktionen in Vereinen, z. B. vom Amt des Hauptmanns der Knabenschaft in den Prozessionen an katholischen Hochfesten. All diese Wissensfelder stabilisieren die Kategorie der Gemeindebürger und damit einen Grossteil jener, die zwischen 1874 und 1974 als (bildungs-)bürgerliche Gesellschaft Graubündens wahrgenommen wurden.

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