Aussenpolitik im Minenfeld. Eine Analyse der schweizerischen Personenminenpolitik 1993-1997

Nom de l'auteur
Hansjörg
Niklaus
Type de travail
Mémoire de licence
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Brigitte
Studer
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2004/2005
Abstract

Die Lizentiatsarbeit befasst sich mit der bis anhin kaum untersuchten Rolle der Schweiz bei der Ächtung von Personenminen. Das Erkenntnisinteresse ist, was für eine Personenminenpolitik die Schweiz zwischen 1993 und 1997 verfolgte und welche Rolle dabei das Eidgenössische Militärdepartement EMD, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA und der Dachverband von 40 Nichtregierungsorganisationen, die „Schweizerische Kampagne gegen Personenminen“ (SKP), spielten. Die Arbeit basiert auf ungedruckten Quellen des EMD, EDA, Bundesarchivs sowie der SKP und Interviews mit damaligen Akteuren. Die Einsichtnahme in die Dossiers der Bundesverwaltung, welche noch der 30jährigen Schutzfrist unterliegen, war mit der Auflage verbunden, keine Namen von nicht öffentlich bekannten Personen zu nennen.

 

Als Erstes untersucht die Arbeit den militärischen Stellenwert und die geringe wirtschaftliche Bedeutung von Personenminen für die Schweiz. Der eigentliche Untersuchungszeitraum beginnt im Jahr 1993, als sich die Bundesverwaltung erstmals mit der Minenproblematik befasste, und endet 1997 mit der Unterzeichnung der Ottawa-Konvention durch die Schweiz. Innerhalb des Untersuchungszeitraumes lassen sich drei Phasen unterscheiden: In der ersten Phase setzte sich die Schweiz für die schärfere Reglementierung von Personenminen im Rahmen der bestehenden völkerrechtlichen Verträge ein. Die zweite Phase wurde vom Entscheid von Adolf Ogi eingeleitet, nach Belgien als zweites Land der Welt auf Personenminen zu verzichten. In der dritten Phase beteiligte sich die Schweiz an den internationalen Verhandlungen im Rahmen des Ottawa-Prozesses, welcher 1997 zum Totalverbot von Personenminen führte.

 

Von 1993 bis Ende 1995 war die schweizerische Personenminenpolitik von einem Zielkonflikt zwischen den Interessen der autonomen Landesverteidigung und der humanitären Tradition der Schweiz geprägt. Das EDA beantragte beim EMD den einseitigen Verzicht auf Personenminen, um den Kampf des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz IKRK gegen diese Waffe zu unterstützen. Das EMD lehnte den Antrag mit militärischen Argumenten ab, obwohl der Generalstab de facto bereits den Verzicht auf Personenminen beschlossen und die umfangreichen Bestände aus der Zeit des Kalten Krieges zur Liquidation freigegeben hatte. Das EMD wollte sich die Option für die spätere Beschaffung offen halten und vor allem innenpolitisch keine weiteren Begehrlichkeiten wecken. Diese Politik wurde von der SKP massiv kritisiert, welche über 147’000 Unterschriften für ein Totalverbot von Personenminen sammelte.

 

Kaum drei Wochen im Amt als neuer EMD-Vorsteher beschloss Ogi im November 1995 gegen den Willen des Generalstabs den einseitigen Verzicht auf Personenminen. Diesen Entscheid fällte Ogi nach einem Gespräch mit dem IKRK-Präsidenten Cornelio Sommaruga. Ogi wollte damit einerseits zeigen, dass im EMD das Primat der Politik herrsche, und andererseits dem EDA freie Hand bei den internationalen Verhandlungen geben. Mit dem Entscheid von Ogi etablierten sich das EDA und vor allem die SKP als neue Akteure bei der Definition der Personenminenpolitik. Die SKP übte in der Folge Druck auf das Parlament aus und konnte die Verankerung des Totalverbots von Personenminen im Kriegsmaterialgesetz durchsetzen.

 

Bei den folgenden internationalen Verhandlungen im Rahmen des Ottawa-Prozesses kooperierte die SKP eng mit dem EDA. Allerdings verpasste es das EDA, mit dem einseitigen Verzicht auf Personenminen eine Vorreiterrolle zu spielen. Personenminen hatten 1996 keinen hohen Stellenwert auf der aussenpolitischen Agenda der Schweiz, weil die OSZE-Präsidentschaft und der Streit um die nachrichtenlosen Vermögen im Vordergrund standen. Als das EDA die sich abzeichnende Dynamik des Ottawa-Prozesses erkannte und den Willen bekundete, eine Vorreiterrolle zu spielen, war es zu spät. Andere Länder wie Österreich, Kanada oder Belgien hatten die Führung übernommen. Der Schweiz blieb bloss die aktive Unterstützung des Verhandlungsprozesses übrig.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass von 1993 bis Ende 1995 Denk- und Handlungsmuster aus der Zeit des Kalten Krieges die schweizerische Personenminenpolitik bestimmten, obschon verschiedene Berichte des Bundesrats zur Sicherheits- und Aussenpolitik gerade im Bereich der Rüstungskontrolle eine Öffnung der Schweiz postulierten. Das EMD definierte unter Ausschluss der SKP und der Öffentlichkeit die aussenpolitische Haltung der Schweiz, welche primär von innenpolitischen Befindlichkeiten bestimmt war. Erst Adolf Ogi bekundete mit dem einseitigen Verzicht der Schweiz auf Personenminen den politischen Willen, im Minenfeld Aussenpolitik zu betreiben. Mit der Teilnahme am Ottawa-Prozess übernahm die Schweiz allerdings erstmals politische Verantwortung bei der Aushandlung eines internationalen Abkommens im Bereich der Rüstungskontrolle.

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