Type de travail
Mémoire de master
Statut
abgeschlossen/terminé
Nom du professeur
Prof.
Ueli
Haefeli
Institution
Historisches Institut
Lieu
Bern
Année
2019/2020
Abstract
Im Zuge der anhaltenden Urbanisierung sahen sich die schweizerischen Gemeinden rund um und zwischen den Kernstädten und Metropolräumen in jüngster Vergangenheit vor grosse Herausforderungen gestellt. Diese umfassen starkes Bevölkerungswachstum und damit einhergehende intensive bauliche Tätigkeiten, die Auslastung der politischen und administrativen Kompetenzen sowie vielfältige soziale, ökonomische und politische Segregationsprozesse im Zuge der zunehmenden Mobilität und Reurbanisierungsprozesse. Mit diesen Veränderungen wurden ehemalige Bauerndörfer in einen ökonomischen, sozialen und siedlungsästhetischen Schwebezustand amorpher Identitäten befördert und durch die zunehmende Herauslösung aus den lokalen Kontexten vor die Herausforderung gestellt, sich im neuen konturlosen Raum-Zeit-Gefüge verorten zu müssen.
In diesem Kontext soll die Entwicklung der Gemeinde Münchenbuchsee für die Jahre 1995 bis 2019 untersucht werden. Aufbauend auf die Schlussfolgerung des ersten Teils der Gemeindegeschichte, welche in einem Verweis auf den Verlust der Identität der Gemeinde und der Notwendigkeit derselben, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, endete, sollte dementsprechend der Frage nachgegangen werden, ob die Identitätsstiftung nach 1995 zur Leitlinie der lokalen Politik gemacht werden konnte. Hierzu werden verschiedene methodische Instrumente eingesetzt. Zum einen wird über einen Theorieteil ein Identitätenmodell entwickelt, welches die theoretische Grundlage zur Beantwortung der Hauptfrage bietet. Zum anderen werden die urbanen Entwicklungsläufe, welche sich an demografischen, wirtschaftlichen, politischen und landschaftlichen Faktoren orientieren, mittels einschlägiger Daten und unter Zuhilfenahme deskriptiver Statistik nachgezeichnet. Dabei zeigt sich, dass Münchenbuchsee mit der Wende des Jahrtausends durch ein verlangsamtes Wachstum der Bevölkerung, zunehmende Tertiarisierung und politische Segregation charakterisiert werden kann. Nachdem die relative Zunahme an Siedlungs- und Abnahme an Landwirtschaftsfläche zunächst über den Werten der Gemeinden Bern, Zollikofen und Jegenstorf lag, verlangsamte sich auch der landschaftliche Wandel. Dieser Umstand wird direkt mit der gestiegenen Bedeutung der Nachhaltigkeit im politischen Diskurs des Grossen Gemeinderates (GGR) in Münchenbuchsee verbunden. Schliesslich wird versucht, über das methodische Instrument der qualitativen Inhaltsanalyse, sich den Bestrebungen anzunähern, welche das lokale Parlament unternahm, um Identitäten im Ort zu verstärken und eine nachhaltige Entwicklung der Gemeinde zu fördern. Die Wahl auf den GGR wird dabei durch die Quellenlage vorgegeben. Während die Protokolle dessen der Öffentlichkeit zugänglich sind, sind es diejenigen der kommunalen Exekutive nicht. Am Ende der Analyse zeigt sich daher, dass viele Entscheide zur kommunalen Raumgestaltung nicht in der Hauptkompetenz des GGR lagen, auch wenn viele politische Vorstösse sich den Merkmalen der Nachhaltigkeit zuordnen lassen.
Nichts desto trotz erlaubt der Rückgriff auf die qualitative Inhaltsanalyse die Herstellung eines lebensweltlichen Bezugs zur Gemeinde via dessen Legislative. Denn es konstruieren sich gerade im prozessualen Vollzug raumbezogener Identitäten spezifische Subformen des Sozialen. Insbesondere nach der Jahrtausendwende kann zudem die Erkenntnis gewonnen werden, dass eine nachhaltige Raumgestaltung zunehmend auf regionaler Ebene stattfand. In diesem Zuge wurde zwar die Autonomie der Gemeinde eingeschränkt, jedoch konnte der schnelle Wandel der Landschaft eingedämmt werden, wie die vorangehende Aussage aufzuzeigen vermag. Der politische Diskurs zeigt daneben, dass identitätenverstärkende Elemente das politische Schaffen des lokalen Parlaments kaum beschäftigten, weshalb die Masterarbeit zum Schluss kommt, dass die Identitätsstiftung nicht zur Leitlinie der lokalen Politik gemacht wurde.
Aufgrund der Analyse von Abstimmungsresultaten kann dennoch die Erkenntnis gewonnen werden, dass sich die Identitäten der politisch aktiven Bevölkerung mit derjenigen der Regierung deckten. So zeigt auf der einen Seite die Analyse verschiedener politischer Themenbereiche, dass das Stimmvolk Münchenbuchsee zunehmend konservativer abstimmte und auf der anderen Seite, dass die Vorlagen zu raumplanerischen Entscheiden ausnahmslos und mit grosser Mehrheit vom Stimmvolk mitgetragen wurden. In diesen Ergebnissen zeigt sich, dass die soziale Entmischung und die politische Segregation in Münchenbuchsee zu einer Annäherung der politisch aktiven Identitäten führten.